Urteil des BVerwG vom 22.05.2012
Aufenthaltserlaubnis, Emrk, Innerstaatliches Recht, Eugh
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
TEILANERKENNTNIS- UND SCHLUSSURTEIL
BVerwG 1 C 6.11
OVG 12 B 20.08
Verkündet
am 22. Mai 2012
Wahl
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2012
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke sowie
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
für Recht erkannt:
Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 22. Februar 2011 und des Verwal-
tungsgerichts Berlin vom 30. April 2008 werden geändert.
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheids des
Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten
vom 5. November 2007 verpflichtet, der Klägerin eine
mindestens fünf Jahre gültige Aufenthaltserlaubnis auszu-
stellen, aus der sich das Bestehen eines assoziations-
rechtlichen Daueraufenthaltsrechts gemäß Art. 7 Satz 1,
2. Spiegelstrich ARB 1/80 eindeutig ergibt.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Klägerin und der Beklagte tragen die Kosten des Ver-
fahrens in allen Instanzen je zur Hälfte.
G r ü n d e :
I
Die 1977 geborene Klägerin türkischer Staatsangehörigkeit reiste 1990 in die
Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie zunächst bei ihrem Vater, einem türki-
schen Arbeitnehmer, wohnte. Von Mai 1992 bis Juni 1993 besuchte sie einen
Eingliederungslehrgang für ausländische Jugendliche. Sie ist seit dem
4. August 2005 mit dem türkischen Staatsangehörigen A. verheiratet und hat
fünf minderjährige Kinder, von denen zumindest zwei neben der türkischen
auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Klägerin hat auf ihren An-
trag jeweils eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, zunächst auf zwei, seit 2003 auf
der Grundlage des § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG auf bis zu drei Jahre befristet.
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Sie stand mehrfach in abhängiger Beschäftigung, bezieht allerdings seit Jahren
zumindest ergänzende Leistungen nach dem SGB II für sich und ihre Familie.
Im November 2006 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Niederlassungs-
erlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG mit der Begründung, sie lebe in häuslicher
Gemeinschaft mit ihren beiden Kindern deutscher Staatsangehörigkeit. Der Be-
klagte lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 5. November 2007 mit der Be-
gründung ab, der Lebensunterhalt der Klägerin sei nicht gesichert. Das Verwal-
tungsgericht hat ihre Klage mit Urteil vom 30. April 2008 abgewiesen, weil der
geltend gemachte Anspruch jedenfalls daran scheitere, dass die Klägerin und
ihre Familie laufend Sozialleistungen bezögen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin durch Urteil vom
22. Februar 2011 zurückgewiesen. Zwar besäßen zwei der Kinder die deutsche
Staatsangehörigkeit, doch stehe § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG einem Anspruch auf
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis entgegen. Die Vorschrift sei auch im
Rahmen des § 28 Abs. 2 AufenthG zu prüfen. Eine Ausnahmesituation, die ei-
nen Verzicht auf die nach dieser Vorschrift zu erfüllende Voraussetzung der
Sicherung des Lebensunterhalts rechtfertige, liege nicht vor. Weder folge eine
solche Ausnahme aus Art. 8 EMRK noch aus Art. 7 ARB 1/80, aus Art. 3 Abs. 3
des Europäischen Niederlassungsabkommens oder aus Art. 10 ARB 1/80. Die
genannten Vorschriften sollten zwar den Aufenthalt der Betroffenen sichern,
nicht aber die Entscheidung über die Art des Aufenthaltstitels beeinflussen.
Die Klägerin hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision einge-
legt und rechtzeitig begründet. Nach Wortlaut und Systematik des § 28
AufenthG liege die Annahme nahe, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im Rahmen
des § 28 Abs. 2 AufenthG nicht zu prüfen sei. Hierfür sprächen auch die gebo-
tene Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen Wertentscheidung für die
Förderung von Ehe und Familie sowie die Überlegung, dass nach Art. 8 EMRK
spätestens bei Volljährigkeit der deutschen Kinder der Mutter aufgrund ihres
langjährigen Aufenthalts in Deutschland ein Daueraufenthaltsrecht zukomme.
Selbst wenn man der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zur Anwendbar-
keit des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG folgen wolle, stehe der Klägerin die bean-
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tragte Niederlassungserlaubnis zu, weil sie eine Ausnahme vom Erfordernis der
Sicherung ihres Lebensunterhalts für sich in Anspruch nehmen könne. Sie
widme sich der Erziehung ihrer fünf Kinder; ihr könne nicht zugemutet werden,
daneben durch eine abhängige Beschäftigung den Lebensunterhalt der Be-
darfsgemeinschaft zu sichern.
Sollte die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht in Betracht kommen,
müsse hilfsweise zumindest die ihr jeweils ausgestellte Aufenthaltserlaubnis
nach § 4 Abs. 5 AufenthG so ausgestaltet sein, dass das ihr zustehende Dau-
eraufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 textlich eindeu-
tig daraus hervorgehe. Auch die bisher übliche Beschränkung der Gültigkeits-
dauer der Aufenthaltserlaubnis auf zwischen zwei und drei Jahren werde dem
assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht der Klägerin nicht gerecht; sie müsse
vielmehr mindestens fünf Jahre betragen.
Der Beklagte hat den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch der
Klägerin, ihr eine mindestens fünf Jahre gültige Aufenthaltserlaubnis auszustel-
len, aus der sich das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Daueraufenthalts-
rechts textlich eindeutig ergebe, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat
anerkannt und hält die Revision im Übrigen für unbegründet.
Nach der Systematik des Aufenthaltsgesetzes seien die in § 5 geregelten Ertei-
lungsvoraussetzungen von grundlegendem staatlichem Interesse und nur dann
entbehrlich, wenn dies in den speziellen Erteilungsvorschriften ausdrücklich so
geregelt sei. Auch liege kein atypischer Sachverhalt vor. Die Klägerin könne die
Lebensgemeinschaft mit ihren Kindern auch auf der Grundlage befristeter Auf-
enthaltstitel führen. Auch der Umstand, dass sie über ein assoziationsrechtli-
ches Aufenthaltsrecht verfüge, führe nicht zwingend zu einem Anspruch auf
Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
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II
Die zulässige Revision ist mit dem Hauptantrag unbegründet (1.). Auf den Hilfs-
antrag ist der Beklagte seinem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen, der
Klägerin eine den Anforderungen des Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80
genügende Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe der Urteilsbegründung auszu-
stellen (2.).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaub-
nis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 AufenthG; insoweit ist das Urteil des
Oberverwaltungsgerichts nicht zu beanstanden.
1.1 Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist Ausländern, die in Lebensgemein-
schaft mit Familienangehörigen deutscher Staatsangehörigkeit leben, in der
Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn sie drei Jahre im Besitz
einer Aufenthaltserlaubnis sind, die Lebensgemeinschaft mit dem oder den Fa-
milienangehörigen deutscher Staatsangehörigkeit im Bundesgebiet fortbesteht,
kein Ausweisungsgrund vorliegt (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) und sie sich
auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können. Zusätzlich müssen
nach Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck der Norm auch die übrigen
allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG in der Regel gege-
ben sein, insbesondere muss der Lebensunterhalt der familiären Bedarfsge-
meinschaft, der die betroffenen Ausländer angehören, gesichert sein (§ 5
Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, Urteile vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 21.09 -
BVerwGE 138, 148 sowie vom 16. August 2011 - BVerwG 1 C 12.10 - InfAuslR
2012, 53). Denn das Ziel des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, neue Belastungen für
die öffentlichen Haushalte zu vermeiden, setzt sich auch gegenüber dem Be-
gehren eines Ausländers durch, aus dem Zusammenleben mit deutschen Fami-
lienangehörigen einen Anspruch auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis ab-
leiten zu können, weil diese nach der Konzeption des Gesetzes eine gelungene
wirtschaftliche Integration nicht vorbereitet, sondern voraussetzt. Die Verfesti-
gung des Aufenthaltsstatus soll deshalb erst dann durch eine Niederlassungser-
laubnis weiter befördert werden, wenn die betroffenen Ausländer den Lebens-
unterhalt für sich und die familiäre Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören,
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ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel (§ 2 Abs. 3 AufenthG) sichern kön-
nen.
Allerdings ist die Sicherung des Lebensunterhalts - abweichend von § 9 Abs. 2
Nr. 2 AufenthG - nur im Regelfall Tatbestandsvoraussetzung für einen An-
spruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG.
Verfassungs-, unions- oder völkerrechtliche Gewährleistungen sowie atypische
Umstände des Einzelfalles, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst aus-
schlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, können Aus-
nahmen vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigen (Urteile vom
16. August 2011 a.a.O. Rn. 18 sowie vom 26. August 2008 - BVerwG 1 C 32.07
- BVerwGE 131, 370 Rn. 27). Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, unterliegt
keinem Einschätzungsspielraum der Behörde, sondern ist gerichtlich in vollem
Umfang überprüfbar (Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 3.08 - Buchholz
402.242 § 5 AufenthG Nr. 5 Rn. 14).
1.2 Im vorliegenden Fall sind die in § 28 Abs. 2 AufenthG normierten Tatbe-
standsvoraussetzungen nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststel-
lungen des Oberverwaltungsgerichts gegeben. Demgegenüber ist die Voraus-
setzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt, da die Klägerin und die ihrer
familiären Bedarfsgemeinschaft angehörenden Personen Leistungen nach dem
Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) beziehen.
Ein Ausnahmefall, in dem von einer Prüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im
Rahmen des § 28 Abs. 2 AufenthG abzusehen wäre, liegt nicht vor.
1.2.1 Aus Art. 6 Abs. 1 GG kann die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung ei-
ner Niederlassungserlaubnis ohne Sicherung des Lebensunterhalts nicht ablei-
ten. Zwar ist die verfassungsrechtliche Wertentscheidung für Ehe und Familie
bei der Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im Rahmen
des § 28 Abs. 2 AufenthG zu berücksichtigen (Urteil vom 27. Januar 2009
- BVerwG 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 20, 25). Doch vermag sie in aller
Regel einen Anspruch auf Erteilung eines bestimmten Aufenthaltstitels - insbe-
sondere eines unbefristeten an Stelle eines vorhandenen befristeten Titels -
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nicht zu begründen (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2008 - BVerwG 1 C 34.07 -
Buchholz 402.242 § 26 AufenthG Nr. 3 Rn. 24). Der Schutz von Ehe und Fami-
lie ist durch die Erteilung bzw. Ausstellung eines befristeten Aufenthaltstitels
regelmäßig sichergestellt. Der Vortrag der Klägerin zur Anzahl und Betreuungs-
bedürftigkeit ihrer Kinder, zur gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Be-
deutung von Kindern sowie zur besseren Erreichbarkeit von Darlehen auf der
Grundlage eines unbefristeten Aufenthaltstitels stellt dies nicht in Frage.
1.2.2 Nichts anderes gilt auch für Art. 3 Abs. 3 des Europäischen Niederlas-
sungsabkommens vom 13. Dezember 1955 (Gesetz vom 30. September 1959,
BGBl II S. 997), der die Ausweisung von Staatsangehörigen der Vertragsstaa-
ten erschwert, die seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsmäßigen Aufenthalt
im Gebiet eines anderen Vertragsstaates haben. Der auf die Regelung von
Ausweisungsgründen beschränkten Vorschrift lässt sich entgegen der Auffas-
sung der Klägerin nichts zu einem etwaigen Anspruch auf Ersetzung eines be-
fristeten durch einen unbefristeten Aufenthaltstitel entnehmen.
1.2.3 Auch aus Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des
Assoziationsrats EWG - Türkei (ARB 1/80) - dessen Voraussetzungen die Klä-
gerin nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts erfüllt - ist kein An-
spruch auf eine Niederlassungserlaubnis ohne Sicherung des Lebensunterhalts
an Stelle der nach § 4 Abs. 5 AufenthG ausgestellten (befristeten) Aufenthalts-
erlaubnis abzuleiten.
Zwar ist Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht zu ent-
nehmen, da das von der Vorschrift eingeräumte Recht auf Zugang zum Ar-
beitsmarkt ohne ein korrespondierendes Aufenthaltsrecht nicht ausgeübt wer-
den könnte (vgl. EuGH, Urteile vom 16. Juni 2011 - Rs. C-484/07, Pehlivan -
InfAuslR 2011, 272 Rn. 43 und vom 29. März 2012 - Rs. C-7/10 und C-9/10,
Kahveci und Inan - AuAS 2012, 98, Rn. 28). Aus diesem Grund können Asso-
ziationsberechtigte die Ausstellung einer (deklaratorischen) Aufenthaltserlaub-
nis nach § 4 Abs. 5 AufenthG beanspruchen. Dies ändert jedoch nichts daran,
dass das Assoziationsrecht und das mitgliedstaatliche Aufenthaltsrecht im Aus-
gangspunkt getrennte Rechtskreise darstellen, die teilweise unterschiedliche
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Ziele verfolgen: Während das Assoziationsabkommen ausschließlich wirtschaft-
lichen Zwecken dient und sich deshalb auf die schrittweise Herstellung der Ar-
beitnehmerfreizügigkeit beschränkt (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011
- Rs. C-371/08, Ziebell - InfAuslR 2012, 43, Rn. 57 - 77 <68>), verfolgt das in-
nerstaatliche Aufenthaltsrecht weiter gefasste Ziele, insbesondere die Steue-
rung der Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrations-
fähigkeit (§ 1 Abs. 1 AufenthG). Aus diesem Grund lässt sich aus der assozia-
tionsrechtlichen Vorschrift des Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 kein An-
spruch auf eine Niederlassungserlaubnis ableiten. Denn diese ist als rechtliche
Bestätigung einer erfolgreichen wirtschaftlichen Integration konstruiert und sie
kann deshalb regelmäßig nur derjenige erhalten, der wirtschaftlich von der In-
anspruchnahme öffentlicher Mittel (vgl. § 2 Abs. 3 AufenthG) unabhängig ist.
Die mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beabsichtigte und verbun-
dene aufenthaltsrechtliche Verfestigung hängt von anderen Voraussetzungen
ab als das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht, weil das Assoziationsrecht
einen ausschließlich wirtschaftlichen Zweck verfolgt (EuGH, Urteil vom 8. De-
zember 2011 a.a.O. Rn. 63 ff.).
1.2.4 Für Art. 13 und Art. 10 ARB 1/80 gilt nichts anderes, da der Klägerin un-
beschränkter Zugang zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung zusteht und sie auch
keine Diskriminierung im Bereich der Arbeitsbedingungen oder im Hinblick auf
die Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit bei der Beschaffung ei-
nes Arbeitsplatzes geltend macht.
1.2.5 Die Klägerin kann sich für den geltend gemachten Anspruch auf eine Nie-
derlassungserlaubnis ohne Sicherung des Lebensunterhalts auch nicht auf
Art. 8 EMRK stützen.
Art. 8 EMRK gewährleistet das Recht auf Achtung des Privat- und Familienle-
bens. Dabei ist unter Privatleben die Summe der persönlichen, gesellschaftli-
chen und wirtschaftlichen Beziehungen zu verstehen, die für das Leben eines
Menschen in der Gesellschaft konstitutiv sind und denen - angesichts der zen-
tralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines
Menschen - bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung
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zukommt (Urteil vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 1 C 18.09 - Buchholz 402.242
§ 104a AufenthG Nr. 5, Rn. 14). Eingriffe in die Ausübung dieses Rechts sind
nur zulässig, soweit sie gesetzlich vorgesehen und aus Gründen notwendig
sind, die in Art. 8 Abs. 2 EMRK im Einzelnen aufgeführt sind.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die im Hinblick auf die fehlende Sicherung des Le-
bensunterhalts ausgesprochene Verweigerung eines unbefristeten Aufenthalts-
titels an Stelle befristeter Aufenthaltserlaubnisse in diesem Sinne einen Eingriff
in das Recht auf Privatleben darstellt. Denn der Aufenthalt der Klägerin in
Deutschland ist rechtlich gesichert und wird durch die ihr jeweils ausgestellte
Aufenthaltserlaubnis dokumentiert. Die Verweigerung eines unbefristeten Auf-
enthaltstitels wirkt sich vor diesem Hintergrund auf ihr Recht, ihre Konventions-
rechte ungehindert auszuüben, allenfalls geringfügig - etwa im Bereich der wirt-
schaftlichen Integration - aus.
Jedenfalls aber ist die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im Rahmen
des § 28 Abs. 2 AufenthG durch hinreichende Gründe im Sinne des Art. 8
Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Sie ist gesetzlich vorgesehen, da das Zusammen-
spiel von § 28 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG diese Entscheidung als
Regelfall vorsieht, und verfolgt das legitime Ziel, die öffentlichen Haushalte zu
schonen. Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit bestehen im vorliegenden
Fall nicht (zu diesem Erfordernis vgl. EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011
- 41548/06, Trabelsi - Newsletter Menschenrechte 2011, 300 Rn. 53 ff. m.w.N.,
BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Mai 2007 - 2 BvR 304/07 - InfAuslR 2007,
275, Rn. 33). Denn der Aufenthalt der Klägerin ist unabhängig davon, ob sie
über eine Niederlassungserlaubnis verfügt, dauerhaft gesichert und steht nicht
in Frage; die Klägerin unterliegt lediglich dem Erfordernis periodischer Verlän-
gerung der ihr jeweils ausgestellten Aufenthaltserlaubnis. Dies ist ihr auch unter
Berücksichtigung des Umstands, dass sie nicht straffällig geworden ist und
dass angesichts ihrer Verweildauer in Deutschland von einer stabilen Verwurze-
lung im Aufenthaltsstaat auszugehen ist, zumutbar. Nach der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte überlässt die Konvention
den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Konvention in innerstaatliches
Recht die Wahl der dafür am besten geeigneten Mittel, so dass Art. 8 EMRK
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grundsätzlich nicht dahin verstanden werden kann, dass er ohne Weiteres ei-
nen bestimmten Aufenthaltstitel unter mehreren zur Verfügung stehenden ga-
rantiert (EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 15. Januar 2007, 60654/00,
Sisojeva - NVwZ 2008, 979 Rn. 90, 91).
1.2.6 Schließlich liegt auch keine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 1
AufenthG vor, der die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis unabhängig vom
Erfordernis einer Sicherung des Lebensunterhalts erzwingen würde. Von einem
solchen Einzelfall ist bei besonders atypischen Umständen auszugehen, die so
bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzli-
chen Regelung beseitigen (vgl. Urteil vom 16. August 2011 - BVerwG 1 C
12.10 - Rn. 18). Die Klägerin hat jedoch neben den bereits genannten Ge-
sichtspunkten derartige atypische Umstände nicht vorgetragen. Zwar sind zu-
mindest zwei ihrer Kinder deutsche Staatsangehörige, deren Anteil an der fami-
liären Bedarfsgemeinschaft bei der Prüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG au-
ßer Betracht zu bleiben hat (vgl. Urteil vom 16. August 2011 a.a.O. Rn. 18, 19).
Dies ändert indes nichts daran, dass auch der Lebensunterhalt der übrigen Mit-
glieder der Bedarfsgemeinschaft, insbesondere der Klägerin selbst sowie ihres
Ehemannes und derjenigen Kinder, die keine deutschen Staatsangehörigen
sind, ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht gesichert werden kann.
Die von der Klägerin hierfür geltend gemachten Gründe - vor allem Anzahl und
besondere Betreuungsbedürftigkeit der Kinder und die gesellschaftliche sowie
wirtschaftliche Bedeutung der Kindererziehung - weisen den vorliegenden Fall
nicht als eine atypische Konstellation aus, bei der davon auszugehen wäre,
dass sie dem Gesetzgeber bei Erlass der maßgeblichen Vorschriften nicht vor
Augen gestanden hätte.
2. Der Beklagte ist seinem Anerkenntnis entsprechend (§ 173 Satz 1 VwGO,
§ 307 ZPO) auf den zulässigen Hilfsantrag zu verpflichten, der Klägerin eine
mindestens fünf Jahre gültige Aufenthaltserlaubnis auszustellen, aus der sich
eindeutig das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts
gemäß Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 ergibt. Soweit die Urteile des
Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts dem entgegenstehen,
sind sie abzuändern.
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Bedenken im Hinblick auf die Zulässigkeit des im Revisionsverfahren erstmals
gestellten Hilfsantrages (vgl. § 142 Abs. 1 VwGO) bestehen nicht, da dieses
Begehren der Sache nach bereits im Klageantrag enthalten war. Der Beklagte
war auch nicht gehindert, den hilfsweise geltend gemachten Anspruch anzu-
erkennen, da ein solches Anerkenntnis auch im Verwaltungsprozess möglich ist
(vgl. § 87 a Abs. 1 Nr. 2, § 156 VwGO). Dies hat zur Folge, dass eine kontradik-
torische Entscheidung über den betroffenen Teil des Streitgegenstandes nicht
mehr erforderlich ist. Vielmehr hat nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 307 ZPO
ein Anerkenntnisurteil zu ergehen; grundsätzliche Unterschiede zwischen den
Verfahrensarten der Verwaltungsgerichtsordnung und der Zivilprozessordnung
schließen dies jedenfalls für die Verpflichtungsklage nicht aus (Gerichtsbe-
scheid vom 7. Januar 1997 - BVerwG 4 A 20.95 - BVerwGE 104, 27). Maßgeb-
liche Voraussetzung für ein wirksames Anerkenntnis ist, dass der Beklagte be-
rechtigt ist, über den streitgegenständlichen Anspruch zu verfügen. Das ist hier
der Fall, da der Beklagte die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Ausgestal-
tung der der Klägerin ausgestellten Aufenthaltserlaubnis nach seinem Ermes-
sen im Rahmen der einschlägigen Rechtsvorschriften verwirklichen kann.
Der Klägerin ist auf ihren Antrag in den Jahren 1993 bis 2001 eine auf jeweils
zwei, in den Jahren 2003 und 2006 eine auf jeweils drei Jahre befristete Auf-
enthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG ausgestellt worden. 2009 hat sie
eine in zeitlicher Hinsicht mit dem Aufenthaltstitel ihres Ehemannes abgestimm-
te Aufenthaltserlaubnis erhalten, die bis zum Ablauf des 13. Juli 2012 befristet
ist. Den Aufenthaltserlaubnissen war jeweils nicht zu entnehmen, dass die Klä-
gerin Inhaberin eines assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts ist. Diese
Praxis steht mit Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 nicht im Einklang.
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 AufenthG hat ein Ausländer, dem nach dem Assozia-
tionsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, das Bestehen dieses
Aufenthaltsrechts durch eine Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er we-
der eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG
besitzt. Nach Satz 2 der Vorschrift wird die Aufenthaltserlaubnis als deklaratori-
scher Aufenthaltstitel zum Nachweis des assoziationsrechtlichen Aufenthalts-
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rechts auf Antrag ausgestellt. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1
AufenthG muss die Aufenthaltserlaubnis befristet werden; über die Dauer der
Befristung entscheidet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen
unter Berücksichtigung des Aufenthaltszwecks. Für eine nach § 4 Abs. 5
AufenthG ausgestellte Aufenthaltserlaubnis zur Dokumentation eines Aufent-
haltsrechts nach Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 bedeutet dies, dass
der Titel seine Rechtsgrundlage sowie das Bestehen eines Daueraufenthalts-
rechts erkennen lassen und dass seine Gültigkeitsdauer der Bedeutung des
zugrunde liegenden Daueraufenthaltsrechts gerecht werden muss. Diese An-
forderungen werden verfehlt, wenn die Aufenthaltserlaubnis mangels eindeuti-
ger erläuternder Zusätze im Rechtsverkehr den Anschein erwecken kann, ihr
Inhaber verfüge lediglich über eine konstitutiv befristete Aufenthaltserlaubnis,
oder wenn die Gültigkeitsdauer deutlich unterhalb der zur Dokumentation eines
Daueraufenthaltsrechts üblichen Gültigkeitsdauer bleibt.
Das assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1, 2. Spie-
gelstrich ARB 1/80 sichert das Recht von Familienangehörigen eines dem regu-
lären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitneh-
mers auf freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn-
oder Gehaltsverhältnis, sobald seine Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen,
insbesondere ein mindestens fünfjähriger ordnungsgemäßer Wohnsitz bei dem
türkischen Arbeitnehmer. Das Aufenthaltsrecht soll den Familienangehörigen
neben der dauerhaften Aufrechterhaltung der familiären Gemeinschaft ggf. die
Fortdauer ihres einmal erworbenen Rechts auch nach Wegfall der Vorausset-
zungen des Art. 7 ARB 1/80 ermöglichen und kann deshalb nur unter engen
Voraussetzungen erlöschen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Juli 2005 - Rs. C-373/03,
Aydinli - Rn. 23 ff., Slg. 2005, I-6181). Dieses Ziel ist uneingeschränkt jedoch
nur erreichbar, wenn das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Daueraufent-
haltsrechts nach Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 im Rechts- und Wirt-
schaftsverkehr ohne Weiteres erkennbar ist. Denn nur wenn alle Behörden so-
wie die Geschäfts- und Vertragspartner der betroffenen Ausländer ohne Weite-
res feststellen können, dass diese nicht nur einen befristet gesicherten Status
innehaben, sondern dauernd aufenthaltsberechtigt sind, ist in der Rechtswirk-
lichkeit ihre Gleichbehandlung mit anderen Ausländern, die einen vergleichba-
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ren Status innehaben, zu erwarten. Fehlt es daran, ist nach aller Lebenserfah-
rung nicht auszuschließen, dass die Ausübung des Daueraufenthaltsrechts -
etwa beim Abschluss von Darlehens- oder Mietverträgen oder ähnlichen lang-
fristigen rechtlichen Bindungen - auf nicht unerhebliche Hindernisse stoßen
kann.
Aus denselben Gründen wird auch eine regelmäßig auf drei Jahre befristete
Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG den asso-
ziationsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht und ist daher ermessensfehler-
haft. Zwar erfordert das Ziel des Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 nicht
die Ausstellung eines unbefristeten Aufenthaltstitels, weil den Mitgliedstaaten
auch weiterhin die Befugnis zum Erlass von Maßnahmen zusteht, die den in-
nerstaatlichen Behörden die genaue Kenntnis der Bevölkerungsbewegungen in
ihrem Hoheitsgebiet ermöglichen sollen (EuGH, Urteil vom 16. März 2000
- Rs. C-329/97, Ergat - Slg. I-1506, Rn. 54). Dies lässt die Ausgestaltung der
deklaratorischen Aufenthaltstitel als befristete Titel zu, steht aber einer zeitlich
allzu eingeschränkten Gültigkeitsdauer entgegen. Denn das Erfordernis einer in
relativ kurzen Zeitabständen jeweils erforderlichen Verlängerung der Aufent-
haltserlaubnis schränkt den Gebrauch des assoziationsrechtlichen Dauerauf-
enthaltsrechts stärker ein als dies durch das Interesse des Aufenthaltsstaates
an periodischer Kontrolle gerechtfertigt wäre und ist deshalb unverhältnismäßig.
Als unionsrechtlicher Bezugsrahmen für die Dokumentation des assoziations-
rechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80
durch einen Aufenthaltstitel bietet sich vielmehr Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Richtli-
nie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstel-
lung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl EG
Nr. L 16 vom 23. Januar 2004 S. 44) an, der eine Gültigkeitsdauer des Aufent-
haltstitels von mindestens fünf Jahren vorsieht (vgl. EuGH, Urteil vom 8. De-
zember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - Rn. 79). Eine solche Gültigkeitsdauer
trägt sowohl dem legitimen Kontrollbedürfnis des Aufenthaltsstaates als auch
dem Bedürfnis des zum Daueraufenthalt berechtigten Ausländers Rechnung,
seine aufenthaltsrechtliche Privilegierung im Rechtsverkehr ohne unzumutbaren
Aufwand nachweisen zu können.
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Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin im vorliegenden Fall einen Anspruch
darauf, dass die ihr ausgestellte Aufenthaltserlaubnis zum einen eine Gültig-
keitsdauer von nicht weniger als fünf Jahren aufweist. Zum anderen muss sie
erkennen lassen, dass ihr ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht
zugrunde liegt und um welches es sich dabei handelt. Hierbei reicht die bloße
Nennung einer Rechtsvorschrift als Zusatz zur Art des Titels nicht aus. Dem
Zweck, einen unproblematischen und im Rechtsverkehr ohne besondere
Rechtskenntnisse erkennbaren Nachweis des zu Grunde liegenden Dauerauf-
enthaltsrechts führen zu können, genügt vielmehr nur die ausdrückliche Erwäh-
nung des Begriffs „Daueraufenthaltsrecht“ und seiner Rechtsgrundlage in der
Urkunde der Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG. Eine solche Ein-
tragung lässt sich auch dann, wenn der betroffene Ausländer über mehrere
Aufenthaltstitel verfügt, als Zusatz zur Art des Titels oder im Anmerkungsfeld
des Dokuments vornehmen (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8 und 12 AufenthG,
§ 59 Abs. 2 i.V.m. Anl. D 14a AufenthVO, Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Anhang a) Ver-
ordnung Nr. 1030/2002 des Rates vom 13. Juni 2002 zur einheitlichen
Gestaltung des Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige, ABl EG L 157 S. 1 in
der durch VO Nr. 380/2008 des Rates vom 18. April 2008 geänderten
Fassung).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Eine Anwendung des
§ 156 VwGO scheidet aus, da der Beklagte durch die Ausgestaltung der der
Klägerin ausgestellten Aufenthaltserlaubnis Anlass zur Klage gegeben hat.
Eckertz-Höfer
Prof. Dr. Dörig
Prof. Dr. Kraft
Fricke
Dr. Maidowski
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- 15 -
B e s c h l u s s
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt (§ 47
Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG).
Eckertz-Höfer
Prof. Dr. Dörig
Dr. Maidowski
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Ausländerrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
AufenthG
§ 4 Abs. 5, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 28 Abs. 2
ARB 1/80
Art. 7 Satz 1
GG
Art. 6
EMRK
Art. 8
Stichworte:
Niederlassungserlaubnis; Aufenthaltserlaubnis; Daueraufenthaltsrecht; Assozia-
tionsrecht; Ausnahme; Sicherung des Lebensunterhalts; Regelerteilungsvo-
raussetzung; Privatleben; Eingriff; Rechtfertigung; atypischer Einzelfall; Atypik;
Gültigkeitsdauer; Erkennbarkeit.
Leitsätze:
1. Ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1, 2.
Spiegelstrich ARB 1/80 rechtfertigt es für sich genommen nicht, bei der Ertei-
lung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG vom Erfordernis
der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen
(im Anschluss an Urteil vom 16. August 2011 - BVerwG 1 C 12.10 - juris).
2. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG zum Nachweis eines
Daueraufenthaltsrechts nach Art. 7 Satz 1, 2. Spiegelstrich ARB 1/80 muss eine
Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren aufweisen und das Bestehen des
zugrunde liegenden assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts einschließ-
lich seiner Rechtsgrundlage textlich eindeutig erkennen lassen.
Urteil des 1. Senats vom 22. Mai 2012 - BVerwG 1 C 6.11
I. VG Berlin vom 30.04.2008 - Az.: VG 19 A 218.07 -
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 22.02.2011 - Az.: OVG 12 B 20.08 -