Urteil des BVerwG vom 14.07.2015

Bundesamt, Einverständnis, Zustellung, Form

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 C 35.14
VGH 20 B 14.30191
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juli 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft
sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September
2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwie-
sen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung
vorbehalten.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens nach
§§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG.
Der Kläger beantragte im August 2010 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2014 stellte das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge - Bundesamt - fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt
und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziffer 1). Weiter wurde festgestellt, dass
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2).
Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Her-
kunftsstaat aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Wo-
che nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3).
Mit Urteil vom 16. August 2011 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid auf-
gehoben. Auf Antrag der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Beru-
fung mit Beschluss vom 1. Juli 2014 zugelassen. Der Beschluss wurde der Be-
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klagten am 4. Juli 2014 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2014 hat die Be-
klagte die Berufung begründet. Dieser am 24. Juli 2014 beim Verwaltungsge-
richtshof eingegangene Schriftsatz wurde dort irrtümlich einem anderen Verfah-
ren zugeordnet. Nach Anhörung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof
die Berufung mit Beschluss vom 18. September 2014 verworfen.
Auf die Beschwerde der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision
wegen eines Verfahrensfehlers zugelassen.
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision unter anderem eine fehlerhafte Anwendung
des § 124a Abs. 6 VwGO.
Der Kläger tritt der Revision entgegen und macht geltend, dass die Entschei-
dung wegen der Rechtswidrigkeit des Einstellungsbescheids im Ergebnis richtig
sei.
II
Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und
§ 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat mit ihrer Verfahrensrüge Erfolg und führt zur
Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof.
Die angegriffene Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bun-
desrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beru-
fung zu Unrecht durch Beschluss nach § 125 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwGO ver-
worfen, da er irrtümlich angenommen hat, die Beklagte habe die Berufung nicht
innerhalb der mit Zustellung des Zulassungsbeschlusses vom 1. Juli 2014 am
4. Juli 2014 in Lauf gesetzten Monatsfrist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO be-
gründet.
Die Berufungsentscheidung beruht auf diesem Verfahrensmangel (§ 138 Nr. 3
VwGO). Das Berufungsgericht durfte die Berufung der Beklagten nicht durch
Beschluss als unzulässig verwerfen, nachdem diese die vom Berufungsgericht
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zugelassene Berufung form- und fristgerecht begründet hat. Da das Berufungs-
gericht - aufgrund seines Verfahrensfehlers - keine tatrichterlichen Ausführun-
gen und Feststellungen in der Sache getroffen hat, kann der Senat die Beru-
fungsentscheidung auch nicht auf ihre Ergebnisrichtigkeit aus anderen Gründen
(§ 144 Abs. 4 VwGO) prüfen. Die Berufungsentscheidung war daher aufzuhe-
ben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegen-
standswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG; Gründe für eine Abweichung (§ 30
Abs. 2 RVG) sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Prof. Dr. Kraft
Fricke
Dr. Rudolph
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