Urteil des BVerwG vom 25.03.2015

Aufenthaltserlaubnis, Bundesamt, Straftat, Reformatio in Peius

BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Ausländerrecht
Rechtsquelle/n:
Richtlinie 2004/83/EG Art. 15, 17, 24
Richtlinie 2011/95/EU Art. 15, 17, 18, 24
AufenthG a.F. § 60 Abs. 2, § 72 Abs. 2
AufenthG n.F. § 25 Abs. 2 und 3 Satz 2 Nr. 2, § 60 Abs. 5 und 7,
§ 104 Abs. 9
AsylVfG § 4 Abs. 1 und 2
Stichworte:
Abschiebungsverbot; Aufenthaltserlaubnis; Aufenthalt aus humanitären Gründen;
Ausschlussgrund; erhebliche Bedeutung; Straftat; Schutzbedürftigkeit und
Schutzwürdigkeit; subsidiärer Schutzstatus; Übergangsregelung;
Wiederholungsgefahr.
Leitsatz/-sätze:
1. Die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG in der
bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ist nicht mit der Zuerkennung
des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG gleichzusetzen, so dass
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG n.F. auf der
Grundlage der Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. nicht in Betracht
kommt.
2. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG steht die
Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung entgegen (§ 25 Abs. 3 Satz 2
Nr. 2 AufenthG). Für das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes kommt es nicht
darauf an, ob eine gegenwärtige Wiederholungsgefahr besteht.
Urteil des 1. Senats vom 25. März 2015 - BVerwG 1 C 16.14
I. VG Stuttgart vom 17. Juni 2013
Az: VG 11 K 377/13
II. VGH Mannheim vom 11. Dezember 2013
Az: VGH 11 S 1770/13
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 C 16.14
VGH 11 S 1770/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Fricke und Dr. Rudolph
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. Dezember
2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigelade-
nen, die diese selbst trägt.
G r ü n d e :
I
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage
der Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, dass für ihn ein
Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. (hinsichtlich Sri Lanka)
vorliegt.
Der 1976 geborene Kläger ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer
Volkszugehörigkeit. Er reiste 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte die
Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für die Anerkennung aus-
ländischer Flüchtlinge erkannte den Kläger mit Bescheid vom 19. März 1998 als
Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
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AuslG hinsichtlich des Herkunftsstaates vorliegen. Im Jahr 1998 erhielt der Klä-
ger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Der Kläger ist vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im November
2000 war er wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Auslän-
dern zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, aufgrund derer sich
der Kläger bis zum April 2003 in Haft befand. Daraufhin war der Kläger mit Ver-
fügung des Regierungspräsidiums vom 17. April 2002 aus dem Bundesgebiet
ausgewiesen worden. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flücht-
linge (Bundesamt) vom 12. Juli 2005 wurde die Anerkennung des Klägers als
Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen nach § 51
Abs. 1 AuslG vorliegen, widerrufen. Zugleich wurde festgestellt, dass weder die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach
§ 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Nachdem das Verwaltungsgericht die
hiergegen erhobene Klage abgewiesen hatte, verpflichtete der Verwaltungsge-
richtshof die Beigeladene mit Urteil vom 21. April 2009, festzustellen, dass bei
dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Dem
kam das Bundesamt nach und stellte mit Bescheid vom 9. Juli 2009 das Vorlie-
gen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG fest.
Im April 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm eine Aufenthaltser-
laubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise eine Aufenthaltserlaubnis nach
§ 25 Abs. 5 AufenthG, zu erteilen. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger
mit Verfügung vom 23. April 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5
AufenthG, die seitdem fortlaufend verlängert wurde.
Im August 2012 bat die Beklagte das Bundesamt gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG
um Mitteilung, ob der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b
AufenthG vorliegt. Dies wurde vom Bundesamt bejaht.
Mit Verfügung vom 11. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ab, weil der Kläger eine Straf-
tat von erheblicher Bedeutung begangen habe und daher ein Ausschlussgrund
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vorliege. Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsi-
dium zurück.
Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Der
Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG liege nicht vor. Die
gewerbs- und bandenmäßige Schleusertätigkeit des Klägers sei nicht mehr ge-
eignet, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung zu tangieren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und
die Klage abgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhand-
lung sei ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3
AufenthG a.F. ausgeschlossen, da diese Regelung zum 1. Dezember 2013 au-
ßer Kraft getreten sei. Nach neuem Recht gebe es für einen Ausländer, für den
ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden sei,
keine Anspruchsgrundlage mehr für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
§ 25 Abs. 3 AufenthG n.F. scheide als Rechtsgrundlage bereits tatbestandlich
aus, weil diese Regelung das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60
Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG und damit eines nationalen Abschiebungshin-
dernisses voraussetze, das vom Bundesamt festzustellen wäre. Eine solche
Feststellung sei nicht bereits in dem hier durch das Bundesamt festgestellten
Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. enthalten. Eine der frühe-
ren Regelung des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. entsprechende Anspruchsgrund-
lage sei nicht mehr gegeben. Eine solche stelle auch § 25 Abs. 2 AufenthG n.F.
nicht dar. Diese Bestimmung setze voraus, dass das Bundesamt dem Auslän-
der den Flüchtlingsstatus im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder den subsidiä-
ren Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt habe. Das bei
dem Kläger festgestellte Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. sei
dem subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG materiell nicht
gleichzusetzen. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Übergangsregelung
des § 104 Abs. 9 AufenthG seien nicht erfüllt, da der Kläger im Zeitpunkt des
Inkrafttretens des neuen Rechts nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach
§ 25 Abs. 3 AufenthG a.F. gewesen sei. Eine Übergangsregelung für noch nicht
abgeschlossene Verfahren, in denen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufent-
haltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. in der bis zum 30. November
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2013 geltenden Fassung streitig sei, enthalte das Gesetz nicht. Dies begegne
auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Neuregelung lediglich
verfahrensrechtliche Konsequenzen und keinen Eingriff in materielle Rechtspo-
sitionen zur Folge habe. Denn Ausländer, zu deren Gunsten Abschiebungsver-
bote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG a.F. festgestellt worden seien,
könnten die Nachholung einer Statusentscheidung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG
n.F. beim Bundesamt beantragen. Die Würdigung des Klageziels ergebe, dass
es dem Kläger bei Klageerhebung um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
zu einem beliebig zukünftigen Zeitpunkt gegangen sei, weshalb ausschließlich
neues Recht zur Anwendung komme. Die hilfsweise gestellten Anträge auf
rückwirkende Erteilung seien unzulässig, da es sich insoweit um unzulässige
Klageerweiterungen handele. Da der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises kei-
nen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt habe, könne offenbleiben, ob er
die Feststellung hätte begehren können, dass die Ablehnung der beantragten
Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig gewesen ist. Ein solches Fortsetzungsfest-
stellungsbegehren wäre jedenfalls unbegründet gewesen, weil der Kläger we-
gen Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b
AufenthG a.F. keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt
habe. Denn der Kläger habe eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne
des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. begangen. Es komme nicht
darauf an, wie lange die Tat zurückliege und ob gegenwärtig eine Wiederho-
lungsgefahr bestehe.
Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, dass die bestandskräftige Fest-
stellung des Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. den subsidiä-
ren Schutzstatus des § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beinhalte. Durch eine Gesetzes-
änderung dürfe er nicht den Status des Abschiebungsverbots verlieren, da an-
sonsten die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt werde. Außer-
dem beinhalte das festgestellte Abschiebungsverbot auch das Abschiebungs-
verbot des § 60 Abs. 5 und/oder 7 Satz 1 AufenthG. Nach Art. 24 Abs. 2 der
Qualifikationsrichtlinie sei die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr zu
erteilen. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ord-
nung stünden, da seine - des Klägers - Verurteilung bereits über 13 Jahre zu-
rückliege, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr entgegen.
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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Die Beigeladene trägt vor: Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch die Re-
gelungssystematik sprächen dafür, dass mit dem Status nach § 4 AsylVfG eine
neue und nur in die Zukunft wirkende Rechtsstellung habe geschaffen werden
sollen, bei der allein für einen abgegrenzten und fest umschriebenen Personen-
kreis rückwirkend eine Gleichstellung habe vorgenommen werden sollen. Dafür
habe nicht allein der Umstand genügt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60
Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden sei.
II
Die zulässige Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten
ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs.2 i.V.m. § 141 Satz 1 und
§ 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die
Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ohne Verstoß gegen
Bundesrecht zurückgewiesen.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Verpflichtungsbegehren des
Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen auf
der Grundlage des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid
vom 9. Juli 2009 festgestellten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2
AufenthG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I
S. 162). Das nicht mit einer näheren zeitlichen Bestimmung versehene Ver-
pflichtungsbegehren des Klägers ist auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
ex nunc gerichtet. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die
vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge, die auf eine rückwir-
kende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtet sind, unzulässig waren, da
diese in erster Instanz nicht Streitgegenstand waren und das Urteil, gegen das
der Kläger fristgerecht keine Anschlussberufung eingelegt hatte, nicht zum
Nachteil des Berufungsklägers abgeändert werden darf (Verbot der reformatio
in peius).
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Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflich-
tungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der
letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz
(stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 - BVerwGE 133,
329 Rn. 10 und vom 14. Mai 2013 - 1 C 16.12 - BVerwGE 146, 271 Rn. 14).
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom
28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) am 1. Dezember 2013 ist § 25 AufenthG in
seiner seitdem geltenden Fassung der Prüfung der Verpflichtungsklage zugrun-
de zu legen.
2. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, dass ein Anspruch auf Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25 Abs. 3 AufenthG in der
bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ausscheidet, da diese Rege-
lung außer Kraft getreten ist. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umset-
zung der Richtlinie 2011/95/EU ist eine der früheren Regelung des § 25 Abs. 3
AufenthG a.F. entsprechende Anspruchsgrundlage, wonach eine Aufenthaltser-
laubnis u.a. bei Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2
AufenthG a.F. erteilt werden sollte, nicht mehr gegeben. Eine dieser früheren
Vorschrift entsprechende Anspruchsgrundlage stellt auch § 25 Abs. 2 Satz 1
AufenthG n.F. nicht dar. Nach dieser Bestimmung ist einem Ausländer eine
Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flücht-
linge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder subsidiä-
ren Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt hat. Die Voraussetzun-
gen dieser Bestimmung liegen hier nicht vor. Entgegen der Auffassung des
Klägers ist eine nach der früheren Rechtslage getroffene Feststellung eines
Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. keine Zuerkennung des
subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG und dieser auch nicht gleich-
zusetzen.
Nach Entstehungsgeschichte und Systematik der Neuregelung sollte mit dem
Status nach § 4 Abs. 1 AsylVfG eine neue und nur in die Zukunft wirkende
Rechtsstellung geschaffen werden. Die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG
a.F. trifft zwar eine Aussage über die Schutzbedürftigkeit nach Art. 15 Buchst. b
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der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen
für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staaten-
losen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz
benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9),
sogenannte Qualifikationsrichtlinie (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C
43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Nach dem Regelungssystem des Gesetzes
zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen
Union vom 19. August 2007 (BGBI. I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz
2007 - bewirkte sie aber keine Entscheidung über den subsidiären Schutzstatus
nach Unionsrecht. Denn die Ausschlussgründe für den subsidiären Schutzsta-
tus nach Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG waren nicht schon bei der Beurtei-
lung des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. zu prüfen; sie
waren vielmehr erst als Versagungsgründe für die Erteilung der Aufenthaltser-
laubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. ausgestaltet. Aus der Gewährung von
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 bis 7 AufenthG a.F. allein folgte auch
noch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Soll-Vorschrift
des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. war lediglich richtlinienkonform dahin auszule-
gen, dass bei einem subsidiär Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis nur
abgelehnt werden durfte, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung der Erteilung entgegenstanden (BVerwG, Urteil vom 24. Juni
2008 - 10 C 43.07- BVerwGE 131, 198 Rn. 13).
Erst das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU hat in Angleichung
an die Richtliniensystematik mit § 4 AsylVfG einen eigenständigen Schutzstatus
geschaffen (BT-Drs. 17/13063 S. 20). In § 4 AsylVfG wird die Prüfung der
Schutzbedürftigkeit (Abs. 1) und des Vorliegens von Ausschlussgründen
(Abs. 2) zusammengefasst und insgesamt dem Bundesamt übertragen. § 25
Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG n.F. räumt nur international Schutzberechtigten,
also Personen, denen vom Bundesamt der Status nach Prüfung und Vernei-
nung von Ausschlussgründen zuerkannt worden ist, einen Anspruch auf Ertei-
lung einer Aufenthaltserlaubnis ein, es sei denn, der Ausländer wurde aus
schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewie-
sen. Die bloße Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2
AufenthG a.F. belegt mangels Prüfung der unionsrechtlich auch für den sub-
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sidiären Schutzstatus zwingend geltenden Ausschlussgründe materiell gerade
nicht das Vorliegen des subsidiären Schutzstatus.
3. Der Kläger gilt auch nicht nach der Übergangsregelung des § 104 Abs. 9
AufenthG als subsidiär Schutzberechtigter im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG.
a) Nach § 104 Abs. 9 Satz 1 AufenthG gelten Ausländer, die eine Aufenthaltser-
laubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (a.F.) besitzen, weil das Bundesamt oder
die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass Abschiebungsverbote nach § 60
Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gültigen
Fassung vorliegen, als subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des § 4 Abs. 1
AsylVfG und erhalten von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25
Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, es sei denn, das Bundesamt hat die Ausländer-
behörde über das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen im Sinne des § 25
Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis d AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gülti-
gen Fassung unterrichtet.
Der Kläger war indes zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. Überdies hatte das Bundesamt unter dem
1. Oktober 2012 und 22. November 2012 das Vorliegen von Ausschlussgrün-
den nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. bejaht.
b) Für eine analoge Anwendung des § 104 Abs. 9 AufenthG auf Fälle, in denen
an dem maßgeblichen Stichtag ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltser-
laubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. bestand, fehlt es an Anhaltspunkten für
eine Gesetzeslücke. Die Entstehungsgeschichte bekräftigt vielmehr, dass der
Gesetzgeber bewusst nur für die abgeschlossenen Verfahren eine Übergangs-
vorschrift schaffen wollte (BT-Drs. 17/13063 S. 25). Nach der Begründung des
Gesetzesentwurfes ist Zweck der Übergangsvorschrift, Ausländern, die eine
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten hatten, weil sie die
Voraussetzungen von § 60 Absatz 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der früheren
Fassung erfüllten, international subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4
Abs. 1 AsylVfG gleichzustellen. Angesichts der Verlagerung der Berücksichti-
gung von Gründen, die (auch) den subsidiären Schutz ausschließen, von der
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Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Gewährung eines Schutzstatus setzt
dies in Bezug auf das Aufenthaltstitelerfordernis eine abgeschlossene Prüfung
voraus, ob solche Gründe vorliegen, und ist jedenfalls dann ausgeschlossen,
wenn - wie hier - das Bundesamt gegenüber der Ausländerbehörde das Vorlie-
gen von Ausschlusstatbeständen, die jenen des § 4 Abs. 2 AsylVfG entspre-
chen, zum Ausdruck gebracht hat.
c) Die Anwendung des § 109 Abs. 4 AufenthG ist auch nicht geboten, um eine
verfassungswidrige Schlechterstellung von Personen auszuschließen, für die
ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt, denen
aber keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. erteilt worden
war. Von der Systemumstellung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie
2011/95/EU bleibt der Abschiebungsschutz durch die Feststellung nach § 60
Abs. 2 AufenthG a.F. unberührt; mangels Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. wird auch sonst nicht in einen schutzwürdigen
Besitzstand eingegriffen. Der nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. vor Abschiebung
geschützte Ausländer ist von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25
Abs. 2 AufenthG n.F. auch nicht dauerhaft ausgeschlossen. Er kann die Nach-
holung einer Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 Abs. 1
AsylVfG beantragen und damit auch die nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. nicht
durchzuführende Prüfung einleiten, ob Ausschlussgründe nach § 4 Abs. 2
AsylVfG bestehen. Die Gründe, die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis d
AufenthG a.F. die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ausgeschlossen ha-
ben, entsprechen den in Art. 17 Abs. 1 RL 2004/83/EG bzw. Art. 17 Abs. 1 RL
2011/95/EU inhaltsgleich geregelten Gründen, die eine Gewährung subsidiären
Schutzes ausschließen und ihrerseits der Sache nach den Ausschlussgründen
des § 4 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F. entsprechen. Dass Art. 17 Abs. 1 Buchst. b
der Richtlinie 2004/83/EG eine "schwere Straftat" verlangt, wohingegen § 25
Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. eine "Straftat von erheblicher Bedeu-
tung" vorausgesetzt hat, bewirkt lediglich eine redaktionelle Abweichung (vgl.
VGH München, Urteil vom 15. Juni 2011 - 19 B 10.2539 - juris Rn. 34;
Hailbronner, AuslR, Stand: September 2014, § 25 AufenthG Rn. 74).
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Ein Antrag auf nachholende Feststellung des subsidiären Schutzstatus nach § 4
Abs. 1 AsylVfG ist jedenfalls bei Schutzsuchenden, deren Asylverfahren bis
zum 30. November 2013 mit der Feststellung eines Abschiebungsschutzes
nach § 60 Abs. 2 AsylVfG abgeschlossen worden war, auch kein Folgeantrag
im Sinne des § 71 AsylVfG. Denn bis zum 1. Dezember 2013 gab es im natio-
nalen Recht keinen Antrag auf Feststellung eines eigenständigen, subsidiären
Schutzstatus, der erst durch § 4 AsylVfG n.F. in das nationale Recht eingeführt
worden ist. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG n.F. kann ein Schutzsuchender
auch sein Begehren von Anfang an auf die Gewährung internationalen Schut-
zes und damit auch auf die Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. be-
schränken.
4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltser-
laubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F.
a) Einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. steht allerdings
nicht schon entgegen, dass für den Kläger ein unionsrechtliches Abschiebungs-
verbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden ist, nicht ein solches
nach nationalem Recht. Auch nach der ab dem 1. Dezember 2013 geltenden
Rechtslage wird das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG
in Bezug auf Art. 3 EMRK nicht durch das unionsrechtliche Abschiebungsverbot
nach § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt (vgl. - zur Gesetzeslage bis zum 30. No-
vember 2013 - BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE
146, 12 Rn. 34 ff.). Die allgemeine Sperrwirkung der Ausweisung nach § 11
Abs. 1 Satz 2 AufenthG stünde der Erteilung des Aufenthaltstitels ebenfalls
nicht entgegen; sie ist durch die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nach
§ 25 Abs. 5 AufenthG a.F. beseitigt worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März
2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10).
b) Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. ist hier aber des-
wegen nicht zu erteilen, weil dem als Ausschlussgrund (§ 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2
AufenthG) entgegensteht, dass der Kläger eine Straftat von erheblicher Bedeu-
tung begangen hat. Dieser Ausschlussgrund ist durch die Erteilung der Aufent-
haltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG a.F. nicht weggefallen (vgl. BVerwG,
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Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20
- juris Rn. 10). Die Versagungsgründe des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind
gefahrenunabhängige Ausschlussgründe wegen Unwürdigkeit, keine der Ge-
fahrenabwehr dienende Erteilungssperre.
Eine Straftat im Sinne des § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. erfordert ein Kapitalver-
brechen oder eine sonstige Straftat, die in den meisten Rechtsordnungen als
besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich ver-
folgt wird (vgl. zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG a.F. - BVerwG, Urteil vom
4. September 2012 - 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 Rn. 20).
Daran gemessen ist die von dem Kläger begangene Straftat eine solche von
erheblicher Bedeutung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG. Nach
dem der Verurteilung zugrunde liegenden § 92b Abs. 1 AuslG (i.d.F. vom
28. Oktober 1994, BGBl. I S. 3186) wurde das gewerbs- und bandenmäßige
Einschleusen von Ausländern mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahren bestraft. Bereits aus der Höhe der angedrohten Mindest- und Höchst-
strafe ergibt sich, dass es sich um eine besonders schwerwiegende Straftat
handelt. Auch die konkrete Tatverwirklichung durch den Kläger war nach Art
und Schwere so gewichtig, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unbillig
wäre. Durch die Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wurde der
Strafrahmen zur Hälfte ausgeschöpft. Zudem hatte die Strafkammer wegen der
großen Anzahl der einzelnen Taten sowie des Gewichts der von dem Kläger
erbrachten Tatbeiträge einen minderschweren Fall nach § 92b Abs. 2 AuslG
verneint.
Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, dass die von ihm
begangenen Straftaten weit zurückliegen und von ihm keine gegenwärtige Ge-
fahr ausgehe. Der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG
ist - anders als der Versagungsgrund nach § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2
Satz 2 AufenthG a.F. - nicht gefahren- oder präventionsabhängig konzipiert,
sondern als dauerhaft wirkender Ausschlusstatbestand (BVerwG, Urteil vom
6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris
Rn. 10). Im Anschluss an Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/83/EG bezeichnet er
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Fälle, in denen der Ausländer einer Aufenthaltsgewährung als unwürdig erach-
tet wird. Diese aus der Begehung einer schweren Straftat folgende "Unwürdig-
keit", einen qualifizierten Aufenthaltstitel zu gewähren, besteht auch dann fort,
wenn keine Wiederholungsgefahr (mehr) besteht und von dem Ausländer auch
sonst keine aktuellen Gefahren für den Aufenthaltsstaat ausgehen (vgl.
auch - für die Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c RL
2004/83/EG - der Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 9. November
2010 - C-57/09 und C-101/09 [ECLI:EU:C:2010:661], BRD ./. B. und D. -
Rn. 104).
5. Der Kläger kann sich schließlich schon deswegen nicht unmittelbar auf
Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU berufen, weil aus den zu 4. benannten Gründen
der Ausschlussgrund der schweren Straftat nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b
RL 2011/95/EU vorliegt.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Prof. Dr. Kraft
Fricke
Dr. Rudolph
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 000 €
festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG).
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Dr. Rudolph
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