Urteil des BVerwG vom 19.04.2012

Aufenthaltserlaubnis, Eugh, Arbeitsmarkt, Arbeitnehmereigenschaft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 1 C 10.11
OVG 12 B 15.10
Verkündet
am 19. April 2012
Wahl
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2012
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
die Richterin am Bundesverwaltugnsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Ober-
verwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. März
2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin, eine türkische Staatsangehörige, begehrt die Ausstellung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG, hilfsweise die Verlängerung
ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG.
Die 1966 geborene Klägerin reiste Mitte 2000 im Wege des Familiennachzugs
nach Deutschland ein und erhielt wegen ihrer Ehe mit einem türkischen Staats-
angehörigen eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt im August 2005
- trotz zwischenzeitlicher Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft - nach
§ 30 AufenthG bis zum 1. August 2007 verlängert wurde.
Seit Juni 2004 steht die Klägerin bei der L. GmbH als Raumpflegerin in einem
unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis. Hierbei handelt es sich um
eine geringfügige Beschäftigung, für die sie zunächst durchschnittlich rund
180 € monatlich bezog. Nach dem erstmalig im November 2007 schriftlich ab-
gefassten Arbeitsvertrag betrug die Wochenarbeitszeit 5 ½ Stunden. Im Mai
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2008 wurde das Arbeitsverhältnis auf 10 Wochenstunden zu einem pauschalen
Monatslohn in Höhe von 400 € erweitert.
Ab September 2004 bezog die Klägerin ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt
nach dem Bundessozialhilfegesetz und ab Januar 2005 ergänzende Leistungen
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Außerdem wurden ab Juli
2007 die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung über-
nommen, weil sie nicht mehr familienversichert war. Im Mai 2008 wurden sämt-
liche Leistungen eingestellt.
Im August 2007 beantragte die Klägerin die Verlängerung ihrer Aufenthalts-
erlaubnis. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 4. Februar 2008
ab und drohte der Klägerin die Abschiebung an. Zur Begründung ist ausgeführt,
eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG scheitere da-
ran, dass der Lebensunterhalt der Klägerin nicht gesichert sei. Die Klägerin be-
sitze auch kein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht.
Das Verwaltungsgericht holte in dieser Sache eine Vorabentscheidung des Ge-
richtshofs der Europäischen Union zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 ARB
Nr. 1/80 ein. Der Gerichtshof beantwortete die Vorlagefragen mit Urteil vom
4. Februar 2010 - Rs. C-14/09 - (NVwZ 2010, 367). Mit Urteil vom 2. Juli 2010
verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, der Klägerin eine Aufent-
haltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG auszustellen. Zur Begründung führte
es aus: Die Klägerin habe bei Ablauf der Geltungsdauer der ihr zuletzt erteilten
Aufenthaltserlaubnis im August 2007 aufgrund ihrer Beschäftigung bei der
L. GmbH eine Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 2. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80
innegehabt, die ihr weiterhin zustehe.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 30. März
2011 die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es aus-
geführt: Die Klägerin könne sich inzwischen auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6
Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 berufen. Entgegen der Auffassung des
Beklagten sei die Klägerin Arbeitnehmerin. Ihre Beschäftigung bei der L. GmbH
stelle bei der europarechtlich gebotenen Gesamtbewertung eine tatsächliche
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und echte Tätigkeit dar, die trotz des geringen Umfangs und des ergänzenden
Bezugs öffentlicher Leistungen nicht völlig untergeordnet und unwesentlich sei.
Das Verhalten der Klägerin sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Sie habe erst
nach der Trennung von ihrem Ehemann und mehr als vier Jahre nach der Ein-
reise öffentliche Mittel beantragt. Einem türkischen Arbeitnehmer dürfe nicht
vorgehalten werden, dass er ergänzende öffentliche Mittel in Anspruch nehme,
obwohl er seinen Lebensunterhalt bei weiteren Arbeitsbemühungen vollständig
bestreiten könnte. Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des beanspruch-
ten Aufenthaltsrechts lägen ebenfalls vor. Der Aufenthalt der Klägerin sei in
formeller und materieller Hinsicht legal gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass
sie bei der letzten Verlängerung über den Aufenthaltszweck oder in sonstiger
Weise getäuscht habe. Außerdem hätte sie, selbst wenn die Aufenthaltserlaub-
nis seinerzeit nach § 31 AufenthG verlängert worden wäre, ein Aufenthaltsrecht
nach Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 erworben und verfestigt.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er ist der Auffassung,
das Beschäftigungsverhältnis bei der L. GmbH begründe keine Arbeitnehmer-
eigenschaft, da es vor Ablauf der Gültigkeit der der Klägerin zuletzt erteilten
Aufenthaltserlaubnis und auch noch bei Antragsablehnung völlig untergeordnet
und unwesentlich gewesen sei. Das Berufungsgericht habe weder den geringen
Arbeitsumfang und den überwiegenden Bezug öffentlicher Leistungen noch die
Möglichkeit eines Rechtsmissbrauchs ausreichend in den Blick genommen.
Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung.
II
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg (§ 144 Abs. 2 VwGO). Zu Recht
hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und da-
mit im Ergebnis die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt, die den
Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids zur Ausstellung einer
Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG verpflichtet hat. Die Klägerin hat
nach dieser Bestimmung einen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthalts-
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erlaubnis, da ihr im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor
dem Berufungsgericht (1.) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach
tionsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ANBA 1981 S. 4)
- ARB Nr. 1/80 - zusteht (2.).
1. Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflich-
tungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis grund-
sätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in
der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. Urteile vom 16. Juni 2004 - BVerwG
1 C 20.03 - BVerwGE 121, 86 <88> m.w.N. und vom 7. April 2009 - BVerwG
1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Leitsatz 3 und Rn. 37 ff.). Nichts anderes gilt für
das im vorliegenden Verfahren verfolgte Verpflichtungsbegehren auf Ausstel-
lung einer (deklaratorischen) Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG
rungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn
das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts -
sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 1. November 2005
- BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>). Der revisionsgerichtlichen
Beurteilung ist daher das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 13 des
Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom
20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854), zugrunde zu legen. Hierdurch hat sich die
Rechtslage hinsichtlich der hier einschlägigen Bestimmungen aber nicht geän-
dert.
2. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin
nach § 4 Abs. 5 AufenthG einen Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthalts-
erlaubnis hat. Denn die Klägerin kann sich im maßgeblichen Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (30. März 2011) auf ein
assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1, 3.
Nach Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 hat ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regu-
lären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat nach
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einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung das Recht, weiterhin eine unselb-
ständige Erwerbstätigkeit bei dem gleichen Arbeitgeber auszuüben (1. Spiegel-
strich). Nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung hat er grundsätzlich
das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl zu
bewerben (2. Spiegelstrich). Nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung
hat er freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder
Gehaltsverhältnis (3. Spiegelstrich). Türkische Staatsangehörige, die sich auf
die in Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 vorgesehenen Rechte berufen wollen, müssen
mithin drei Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen Arbeitnehmer sein, dem re-
gulären Arbeitsmarkt im Aufnahmemitgliedstaat angehören und dort - über ei-
nen gewissen Zeitraum - einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgehen
(EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Rs. C-14/09, Genc - Slg. 2010, I-00931
Rn. 16).
Die Rechte, die türkischen Arbeitnehmern nach dieser Bestimmung in einer
nach der Dauer einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Lohn- und Gehalts-
verhältnis abgestuften Weise vermittelt werden, sollen dazu beitragen, ihre
Situation im Aufnahmemitgliedstaat schrittweise zu festigen (EuGH, Urteil vom
29. September 2011 - Rs. C-187/10, Unal - NVwZ 2012, 31 Rn. 28). Nach stän-
diger Rechtsprechung des Senats und des Gerichtshofs der Europäischen Uni-
on (EuGH) erwachsen einem türkischen Arbeitnehmer, der die in Art. 6 Abs. 1
ARB Nr. 1/80 genannten Voraussetzungen erfüllt, daher nicht nur beschäfti-
gungsrechtliche Ansprüche, sondern setzt die praktische Wirksamkeit dieser
Ansprüche zwangsläufig das Bestehen eines entsprechenden Aufenthaltsrechts
voraus (Urteil vom 24. Januar 1995 - BVerwG 1 C 2.94 - BVerwGE 97, 301
<304 f.> m.w.N. aus der Rspr des EuGH).
2.1 Die Klägerin ist Arbeitnehmerin im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80.
Dieser Begriff ist unionsrechtlich auszulegen. Der EuGH hat in ständiger Recht-
sprechung aus dem Wortlaut von Art. 12 des Assoziierungsabkommens
EWG-Türkei und Art. 36 des am 23. November 1970 unterzeichneten Zusatz-
protokolls sowie aus dem Zweck des Beschlusses Nr. 1/80 hergeleitet, dass die
im Rahmen der Art. 48 und 49 EG-Vertrag (später: Art. 39 und 40 EG; inzwi-
schen: Art. 45 und 46 AEUV) sowie des Art. 50 EG-Vertrag (später: Art. 41 EG;
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inzwischen: Art. 47 AEUV) geltenden Grundsätze soweit wie möglich auf türki-
sche Arbeitnehmer, die die im Beschluss Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besit-
zen, übertragen werden müssen. Dem Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des
Art. 45 AEUV (ex Art. 39 EG) kommt im Unionsrecht eine autonome Bedeutung
zu. Er darf nicht eng ausgelegt werden und ist anhand objektiver Kriterien zu
definieren, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten
der betroffenen Personen kennzeichnen. Arbeitnehmer ist jeder, der eine tat-
sächliche und echte Tätigkeit für einen anderen nach dessen Weisung ausübt
und hierfür eine Vergütung erhält, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die
einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und
unwesentlich darstellen (stRspr, vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG
1 C 13.00 - NVwZ 2001, 333; EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 17
und 19 jeweils m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des EuGH, die dieser in der
vom Verwaltungsgericht eingeholten Vorabentscheidung nochmals erläutert
hat, bedarf es hierzu einer Gesamtbewertung, die anhand aller ein Arbeitsver-
hältnis kennzeichnenden Aspekte zu treffen ist. Diese Beurteilung fällt in die
Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Denn diese verfügen allein über eine
unmittelbare Kenntnis des Sachverhalts und sind am besten in der Lage, die
erforderlichen Prüfungen vorzunehmen (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010
a.a.O. Rn. 26 f.).
Nach den im Revisionsverfahren nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und
damit bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) Feststellungen des Berufungsgerichts
ist die Klägerin seit Mitte Juni 2004 entgeltlich für dasselbe Unternehmen als
Raumpflegerin tätig. Damit liegen die Grundmerkmale eines Arbeitsverhältnis-
ses vor, nämlich ein Abhängigkeitsverhältnis und die Zahlung einer Vergütung
als Gegenleistung für die von der Klägerin erbrachten Leistungen (EuGH, Urteil
vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 19). Der Arbeitnehmereigenschaft steht - ent-
gegen der Auffassung des Beklagten - nicht entgegen, dass es sich bei dieser
Tätigkeit um eine geringfügige Beschäftigung handelt, für die die Klägerin bei
einer anfänglichen Wochenarbeitszeit von 5 ½ Stunden als Entlohnung zu-
nächst im Durchschnitt nur etwa 180 € im Monat erhielt. Hiermit konnte die Klä-
gerin nicht ohne Inanspruchnahme erheblicher öffentlicher Mittel ihren Lebens-
unterhalt bestreiten. Vorübergehend musste der Träger der Grundsicherung für
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Arbeitssuchende nach dem Wegfall der Familienversicherung auch für die Bei-
träge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aufkommen. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts entsprach die vereinbarte Bezahlung al-
lerdings von Anfang an dem Tariflohn. Außerdem bestand nach dem im No-
vember 2007 nachträglich unterzeichneten Arbeitsvertrag ein (tarifvertraglicher)
Anspruch auf 125 € Urlaubsgeld und 28 Tage Urlaub sowie auf Lohnfortzah-
lung. Ab Mai 2008 wurde die Wochenarbeitszeit zudem auf 10 Stunden erhöht
und das Beschäftigungsverhältnis zu einem pauschalen Monatslohn in Höhe
von 400 € fortgesetzt.
Diese nachträgliche Erweiterung des Arbeitsumfangs ist bei der Frage, ob die
Klägerin Arbeitnehmerin im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 ist, mit zu be-
rücksichtigen, da bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Beschäftigungsver-
hältnisses auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Beru-
fungsgericht (30. März 2011) und nicht - wie der Beklagte meint - auf die Ver-
hältnisse bei Ablauf der Geltungsdauer der der Klägerin zuletzt erteilten Aufent-
haltserlaubnis oder bei Ablehnung ihres Verlängerungsantrags abzustellen ist.
Bei der Arbeitnehmereigenschaft handelt es sich um ein - gegenüber den weite-
ren Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 - eigenständiges Tatbe-
standsmerkmal. Dieses setzt keinen legalen Aufenthalt voraus, sondern knüpft
an die konkret ausgeübte Tätigkeit an und erfordert - unabhängig von der Zu-
gehörigkeit des Betroffenen zum regulären Arbeitsmarkt und der Ordnungsmä-
ßigkeit der Beschäftigung (vgl. dazu nachfolgend 2.2 und 2.3) - eine an arbeits-
rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Bewertung des Beschäftigungsverhältnis-
ses. Dabei ist jedenfalls in Fällen, in denen die Betroffene - wie hier - über einen
längeren Zeitraum ohne Unterbrechung und qualitative Änderungen für ein Un-
ternehmen tätig war, das Beschäftigungsverhältnis in seiner Gesamtheit in den
Blick zu nehmen und anhand der vom EuGH bezeichneten Kriterien zu würdi-
gen. Diese Würdigung ergibt, dass die Klägerin in der Rückschau mit der Auf-
nahme ihrer Tätigkeit bei der L. GmbH zur Arbeitnehmerin im Sinne des Art. 6
Abs. 1 ARB Nr. 1/80 wurde und es im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz weiterhin ist.
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Zu Recht ist das Berufungsgericht bei der Bewertung der von der Klägerin bei
der L. GmbH ausgeübten Tätigkeit als Raumpflegerin davon ausgegangen,
dass der geringen Wochenarbeitszeit von anfänglich 5 ½ Stunden (ab Mai 2008
wurde die Wochenarbeitszeit allerdings auf 10 Stunden erhöht) nur indizielle
Bedeutung zukommt. Dass ein Beschäftigter einer geringfügigen Beschäftigung
nachgeht und seinen Lebensunterhalt nicht mit den Einnahmen aus einer sol-
chen Tätigkeit bestreiten kann, hindert nach der Rechtsprechung des EuGH
nicht, ihn dennoch als Arbeitnehmer anzusehen. Der Umstand, dass im Rah-
men eines Beschäftigungsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden geleis-
tet werden, kann zwar ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübte Tätigkeit
nur untergeordnet und unwesentlich ist. Den Entscheidungen des EuGH ist
aber keine absolute Grenze in Bezug auf die Arbeitszeit zu entnehmen, unter-
halb derer die Arbeitnehmereigenschaft generell oder zumindest regelmäßig
verneint werden muss. Auch weist der EuGH ausdrücklich darauf hin, dass we-
der die begrenzte Höhe der Vergütung noch der Umstand, dass der Betreffende
ergänzend auf eine aus öffentlichen Mitteln gezahlte finanzielle Unterstützung
angewiesen ist, irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im
Sinne des Unionsrechts haben kann (Urteil vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 20
und 25 f. m.w.N.). Von daher findet die Auffassung des Beklagten, eine Be-
schäftigung gelte regelmäßig als völlig untergeordnet und unwesentlich, wenn
durch sie weder wenigstens die Hälfte des Lebensunterhalts bestritten werden
könne noch die Arbeitszeit wenigstens dem Umfang eines vollen Arbeitstags
eines tarifvertraglich Vollbeschäftigten entspreche, schon im Ansatz keine Stüt-
ze in der Rechtsprechung des EuGH.
Der Annahme einer tatsächlichen und echten Tätigkeit, die sich nicht als völlig
untergeordnet und unwesentlich darstellt, steht auch nicht entgegen, dass es
sich bei dem von der Klägerin eingegangenen Arbeitsverhältnis um ein sozial-
versicherungsfreies geringfügiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Zu Recht
weist das Berufungsgericht darauf hin, dass derartige Beschäftigungsverhält-
nisse auf dem deutschen Arbeitsmarkt weit verbreitet und in bestimmten Bran-
chen - wie dem Reinigungsgewerbe - geradezu typisch sind. Dem Beklagten ist
allerdings zuzugestehen, dass die im vorliegenden Fall anfänglich vereinbarte
Arbeitszeit von 5 ½ Wochenarbeitsstunden auch für ein geringfügiges Beschäf-
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tigungsverhältnis eher niedrig war. Bei der gebotenen Gesamtbewertung sind
nach der Rechtsprechung des EuGH neben der Zahl der geleisteten Arbeits-
stunden und der Höhe der Vergütung hier aber auch die weitere Ausgestaltung
und die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zu berücksichtigen (vgl. EuGH,
Urteil vom 4. Februar 2010 a.a.O. Rn. 20 ff.). Nach den Feststellungen des Be-
rufungsgerichts ist die Klägerin bereits seit Juni 2004 (im maßgeblichen Zeit-
punkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht also seit
fast sieben Jahren) ohne Unterbrechung oder Kündigung als Raumpflegerin bei
der L. GmbH tätig. Zudem wurde die Beschäftigung im Mai 2008 auf 10 Wo-
chenstunden erweitert und auf 400 €-Basis fortgeführt. Im Übrigen erhielt sie als
Gegenleistung von Anfang an den tariflichen Arbeitslohn und weitere tarifver-
tragliche Vergünstigungen.
Bei dieser Sachlage stellt sich die von der Klägerin bei der L. GmbH ausgeübte
Tätigkeit in der Rückschau schon mit Blick auf die Dauer und die der Klägerin
vertraglich eingeräumten Ansprüche nicht als völlig untergeordnet und unwe-
sentlich dar, auch wenn die wöchentliche Arbeitszeit zunächst nur 5 ½ Stunden
umfasste. Dies würde nach Auffassung des Senats im Übrigen selbst dann gel-
ten, wenn man - wie der Beklagte meint - entgegen der obigen Ausführungen
bei der Bewertung der Tätigkeit nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung, sondern auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Geltungsdauer der der
Klägerin zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis oder der Ablehnung ihres Antrags
abstellen würde. Denn auch bei einer auf diese früheren Zeitpunkte bezogenen
Beurteilung war das Beschäftigungsverhältnis nach Umfang, Dauer und seiner
konkreten Ausgestaltung nicht von so geringem Umfang, dass es sich bei wer-
tender Betrachtung im Sinne der Rechtsprechung des EuGH als völlig unterge-
ordnet und unwesentlich darstellte.
Arbeitnehmereigenschaft ebenfalls nicht entgegen. Die Klägerin ist nicht in das
Bundesgebiet eingereist, um hier öffentliche Leistungen in Anspruch zu neh-
men. Sie kam im Wege des Familiennachzugs nach Deutschland und wurde
zunächst von ihrem Ehemann unterhalten. Erst nach der Trennung von ihrem
Ehemann und mehr als vier Jahre nach ihrer Einreise hat sie nach den Feststel-
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lungen des Berufungsgerichts von September 2004 bis April 2008 ergänzende
öffentliche Mittel in Anspruch genommen. Soweit der Beklagte darauf hinweist,
die Klägerin habe vor Ablehnung ihres Antrags auf Verlängerung ihrer Aufent-
haltserlaubnis keinerlei ernsthafte und zielführende Anstrengungen nachgewie-
sen, auch nur eine geringe Aufstockung ihrer Beschäftigung zu erreichen, steht
dies der Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen. Liegen die Voraussetzungen
des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 vor, ist die Berufung auf ein assoziationsrechtli-
ches Aufenthaltsrecht auch bei Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zur Bestrei-
tung des Lebensunterhalts grundsätzlich nicht missbräuchlich. Zutreffend hat
das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es primär Aufgabe des Trägers
der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist, unzureichenden Eigenbemühun-
gen im Rahmen der sozialrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten nach §§ 31 ff.
SGB II zu begegnen.
2.2 Die Klägerin gehört im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Ver-
handlung vor dem Berufungsgericht dem regulären Arbeitsmarkt in Deutschland
an. Für die Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt im
Aufnahmemitgliedstaat kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH darauf
an, ob das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats lokalisiert
werden kann oder eine hinreichend enge Verknüpfung mit diesem Gebiet auf-
weist. Der Begriff „regulärer Arbeitsmarkt“ stellt gegenüber dem weiteren Tat-
bestandsmerkmal der Ausübung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung (vgl.
dazu die Ausführungen unter 2.3) während eines bestimmten Zeitraums keine
zusätzlichen Voraussetzungen auf, sondern bezeichnet die Gesamtheit der Ar-
beitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemit-
gliedstaats über die Einreise in sein Hoheitsgebiet und über die Beschäftigung
nachkommen und somit das Recht haben, in diesem Staat eine Berufstätigkeit
auszuüben (Urteil vom 19. September 2000 a.a.O.; EuGH, Urteil vom 26. No-
vember 1998 - Rs. C-1/97, Birden - Slg. 1998, I-7747 Rn. 33 und 51). Der Be-
troffene muss sich also legal im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten und hier einer
legalen Beschäftigung nachgehen.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beschäftigung der Klägerin bei der
L. GmbH weist keinerlei Verknüpfung mit einem anderen Staat auf und steht im
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Einklang mit den einschlägigen deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschrif-
ten. Unerheblich ist, dass die Klägerin nach Aktenlage im August 2007 mögli-
cherweise erst wenige Tage nach Ablauf der Geltungsdauer ihrer Aufenthalts-
erlaubnis deren Verlängerung beantragt hat und dieser Antrag vom Beklagten
abgelehnt worden ist. Dabei kann dahinstehen, welche aufenthaltsrechtlichen
Folgen eine verspätete Antragstellung nach nationalem Recht hat. Denn die
Klägerin verfügte bereits bei Ablauf der Geltungsdauer ihrer Aufenthaltserlaub-
nis am 1. August 2007 auf Grund ihrer Tätigkeit bei der L. GmbH über ein asso-
ziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1, 2. Spiegelstrich ARB
Nr. 1/80. Sie war schon damals Arbeitnehmerin (vgl. vorstehend 2.1) und ging
seit über 3 Jahren beim gleichen Arbeitgeber einer ordnungsgemäßen Beschäf-
tigung nach (vgl. nachfolgend 2.3). Dieses Aufenthaltsrecht erlaubte der Kläge-
rin die Fortführung ihrer Beschäftigung bei der L. GmbH. Schon aus diesem
Grund gehörte sie auch nach dem 1. August 2007 weiterhin dem regulären Ar-
beitsmarkt an.
2.3 Zutreffend ist das Berufungsgericht schließlich davon ausgegangen, dass
sich die Klägerin nach einer im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
vor dem Berufungsgericht über vierjährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung
bei der L. GmbH inzwischen auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1,
3. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 berufen kann. Die Ordnungsmäßigkeit einer Be-
schäftigung setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Ar-
beitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts
voraus. Außerdem muss die Beschäftigung im Einklang mit den aufenthalts-
rechtlichen und arbeitsrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats
stehen. Eine in diesem Sinne nur vorläufige Position kann sich namentlich aus
verfahrensrechtlichen Vorschriften (etwa betreffend die aufschiebende Wirkung
eines Rechtsmittels) ergeben (Urteil vom 19. September 2000 a.a.O; EuGH,
Urteil vom 30. September 1997 - Rs. C-98/96, Ertanir - Slg. 1997, I-05193
Rn. 47 ff. m.w.N.). Beschäftigungszeiten können folglich so lange nicht als ord-
nungsgemäß angesehen werden, wie nicht endgültig feststeht, dass dem Be-
troffenen während des fraglichen Zeitraums das Aufenthaltsrecht von Rechts
wegen zustand (Urteil vom 19. September 2000 a.a.O; EuGH, Urteil vom
30. September 1997 a.a.O. Rn. 50 m.w.N.). Auch Beschäftigungszeiten, die ein
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türkischer Arbeitnehmer während der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis
zurückgelegt hat, die ihm nur aufgrund einer Täuschung der Behörden erteilt
worden ist, beruhen nicht auf einer gesicherten Rechtsposition, sondern sind
als in einer nur vorläufigen Position zurückgelegt zu betrachten, da ihm wäh-
rend dieser Zeiten von Rechts wegen kein Aufenthaltsrecht zustand (EuGH,
Urteil vom 30. September 1997 a.a.O. Rn. 51 m.w.N.).
Der Annahme einer ordnungsgemäßen Beschäftigung über einen Zeitraum von
vier Jahren steht nicht entgegen, dass die Geltungsdauer der der Klägerin zu-
letzt erteilten Aufenthaltserlaubnis vor Ablauf von vier Jahren nach Aufnahme
des Arbeitsverhältnisses bei der L. GmbH endete. Da eine ordnungsgemäße
Beschäftigung ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht voraussetzt, ist im Streit
um das Bestehen eines aus Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 abgeleiteten Aufent-
haltsrechts bei der Frage, wie lange der Betroffene einer ordnungsgemäßen
Beschäftigung nachgegangen ist, zunächst zu prüfen, ob der Betroffene bei
Ablauf der Geltungsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels bereits über
ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügte. Fehlt es daran, kann er
ein solches Aufenthaltsrecht nicht allein über eine vorläufige aufenthaltsrechtli-
che Rechtsposition während des laufenden Verfahrens erwerben. Ergibt die
Inzidentprüfung hingegen, dass der Betroffene - wie hier - bei Ablauf der Gel-
tungsdauer des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels bereits ein assoziations-
rechtliches Aufenthaltsrecht erworben hatte, kommt einer Aufenthaltserlaubnis,
solange die Voraussetzungen für ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht
weiter vorliegen, lediglich deklaratorische Wirkung zu. Aus diesem Grund sieht
§ 4 Abs. 5 Satz 2 AufenthG für den Nachweis des Bestehens eines assozia-
tionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auch nur das „Ausstellen“ und nicht das
„Erteilen“ einer Aufenthaltserlaubnis vor. In diesen Fällen bleibt das bei Ablauf
der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis bereits entstandene
assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht - wie vom Berufungsgericht zutreffend
angenommen - nicht nur erhalten, sondern kann sich während des gerichtlichen
Verfahrens auch weiter verfestigen.
Die von der Klägerin seit Juni 2004 ausgeübte Beschäftigung bei der L. GmbH
war bis zum Ablauf der Gültigkeit der ihr zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis
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am 1. August 2007 ordnungsgemäß, denn die Klägerin verfügte durchgängig
über eine Aufenthaltserlaubnis und durfte - aufenthalts- und arbeitserlaubnis-
rechtlich - einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Unerheblich ist, dass und aus wel-
chen Gründen die Aufenthaltserlaubnis im August 2005 nochmals für zwei Jah-
re nach § 30 AufenthG verlängert wurde. Diese letzte Verlängerung war zwar
objektiv rechtswidrig, da nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft
die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 30
AufenthG nicht (mehr) vorlagen. Der Beklagte hat diese Verlängerung aber nie
zurückgenommen, möglicherweise mit Blick darauf, dass die Klägerin nach
Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zumindest nach § 31 Abs. 1
AufenthG einen gesetzlichen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthalts-
erlaubnis für ein Jahr als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs
unabhängiges Aufenthaltsrecht hatte. Nach den Feststellungen des Berufungs-
gerichts hat die Klägerin die Ausländerbehörde bei der letzten Verlängerung
ihrer Aufenthaltserlaubnis auch nicht getäuscht. Im Übrigen verfügte die Kläge-
rin schon damals über ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6
Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80, das sie zur Fortführung ihrer Beschäfti-
gung bei der L. GmbH berechtigte. Denn sie war auch schon im August 2005
Arbeitnehmerin (vgl. vorstehend 2.1) und ging seit über einem Jahr einer ord-
nungsgemäßen Beschäftigung bei der L. GmbH nach.
3. Da die Klage bereits im Hauptantrag Erfolg hat, bedarf es keiner Entschei-
dung über den Hilfsantrag der Klägerin auf Verlängerung ihrer Aufenthalts-
erlaubnis nach § 31 AufenthG.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Eckertz-Höfer
Prof. Dr. Dörig
Ri’inBVerwG Beck
ist wegen Eintritts
in den Ruhestand
verhindert zu
unterschreiben.
Eckertz-Höfer
Fricke
Dr. Maidowski
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28
- 15 -
B e s c h l u s s
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5 000 € festgesetzt (§ 47
Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG).
Eckertz-Höfer
Prof. Dr. Dörig
Fricke
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Ausländerrecht
Fachpresse:
ja
Rechtsquellen:
AufenthG
§ 4 Abs. 5, §§ 30, 31
SGB II
§§ 31 ff.
ARB Nr.1/80
Art. 6 Abs. 1
Stichworte:
Türkei; türkische Staatsangehörige; Assoziationsrecht; assoziationsrechtliches
Aufenthaltsrecht; Aufenthaltserlaubnis; Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis;
Raumpflegerin; Arbeitnehmer; Arbeitnehmereigenschaft; geringfügige Beschäf-
tigung; Lebensunterhalt; Bezug öffentlicher Leistungen; Missbrauch; regulärer
Arbeitsmarkt; ordnungsgemäße Beschäftigung; Täuschung; maßgeblicher Zeit-
punkt.
Leitsätze:
1. Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 ist auch, wer eine ge-
ringfügige Beschäftigung ausübt, wenn eine Gesamtbewertung ergibt, dass es
sich hierbei um eine echte und tatsächliche Tätigkeit handelt, die nicht völlig
untergeordnet und unwesentlich ist (hier bejaht bei mehrjähriger Beschäftigung
als Raumpflegerin mit zunächst 5 ½, später 10 Wochenstunden).
2. Auch bei einer Verpflichtungsklage auf Ausstellung einer (deklaratorischen)
Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG zum Nachweis eines assozia-
tionsrechtlichen Aufenthaltsrechts kommt es für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhand-
lung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz an.
Urteil des 1. Senats vom 19. April 2012 - BVerwG 1 C 10.11
I. VG Berlin
vom 02.07.2010 - Az.: VG 19 K 46.10 -
II. OVG Berlin-Brandenburg vom 30.03.2011 - Az.: OVG 12 B 15.10 -