Urteil des BVerwG vom 29.09.2005

Genfer Flüchtlingskonvention, Abschiebung, Südkorea, Veröffentlichung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 98.05
VGH A 8 S 139/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. September 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 3. Juni 2005 wird verworfen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde der Beigeladenen ist unzulässig. Sie legt den allein geltend ge-
machten Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO genügenden Weise dar.
Das Berufungsgericht hat der Beigeladenen asylrechtlichen Abschiebungsschutz
nach § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) versagt, weil sie als Staatsan-
gehörige der Volksrepublik Korea (Nordkorea), aus der sie geflohen ist, nach der völ-
kerrechtlich anerkannten Praxis der Republik Korea (Südkorea) zugleich deren
Staatsangehörigkeit besitzt und dort vor politischer Verfolgung sicher ist, unter zu-
mutbaren Bedingungen aufgenommen wird und ohne Existenzgefährdung leben kann
(UA S. 4 ff.). Vor diesem Hintergrund hält die Beschwerde folgende Frage für
grundsätzlich bedeutsam:
"Besteht trotz allem ein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des
§ 51 Abs. 1 AuslG (a.F.) hinsichtlich der Demokratischen Volksrepublik Korea
(Nordkorea), selbst wenn Mehrstaatigkeit dergestalt vorliegt, dass alle nordko-
reanischen Staatsangehörigen nach der südkoreanischen Verfassung auch die
südkoreanische Staatsangehörigkeit besitzen und in Südkorea Schutz finden
könnten und deshalb der Flüchtlingsstatus gemäß Art. 1 A Nr. 2 GK verweigert
wird?"
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Die Beschwerde macht hierzu geltend, im Falle der Beigeladenen liege insofern eine
besondere Situation vor, weil ihr bei der Rückkehr nach Nordkorea dort schwere Be-
strafung bis hin zur Todesstrafe drohe. Es müsse deshalb sichergestellt sein, dass
sie nicht nach Nordkorea abgeschoben werden könne. Davor schütze das Abschie-
bungsverbot des § 51 Abs. 1 AuslG/§ 60 Abs. 1 AufenthG. Art. 1 A Nr. 2 Genfer
Flüchtlingskonvention (GFK) sei insoweit "nicht entsprechend heranzuziehen". Damit
legt die Beschwerde nicht dar, inwiefern die von ihr angesprochene Frage klärungs-
bedürftig ist. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist - wie
auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - bereits rechtsgrundsätzlich ge-
klärt, dass ein Anspruch auf asylrechtlichen Abschiebungsschutz nicht besteht, wenn
ein Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Asylsuchende besitzt, bereit und fähig ist,
diesen gegen Verfolgungsmaßnahmen auf seinem Territorium zu schützen. Das folgt
aus dem für das gesamte Flüchtlingsrecht geltenden Grundsatz der Subsidiarität, der
auch - aber nicht nur - Art. 1 A Nr. 2 Abs. 1 GFK zugrunde liegt. Danach sind
Personen, die eine Staatsangehörigkeit besitzen, nur dann Flüchtlinge, wenn sie den
Schutz desjenigen Staates entbehren, dem sie angehören (Urteil vom 6. August 1996
- BVerwG 9 C 172.95 - BVerwGE 101, 328, 335 m.w.N.). Das Bundesverwal-
tungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung zu § 51 Abs. 1 AuslG entschieden,
dass die Vorschrift nur eine verkürzte Wiedergabe des Art. 1 A Nr. 2 GFK darstellt
und daher so auszulegen und anzuwenden ist, dass beide Begriffe übereinstimmen
(vgl. Urteile vom 21. Januar 1992 - BVerwG 1 C 21.87 - BVerwGE 89, 296 und vom
18. Januar 1994 - BVerwG 9 C 48.92 - BVerwGE 95, 42 <45, 53>). Auch und gerade
mit Blick auf die nunmehr in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aufgenommene ausdrück-
liche Verweisung auf die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention hat das Bun-
desverwaltungsgericht an dieser Rechtsprechung festgehalten (vgl. Urteil vom 8. Fe-
bruar 2005 - BVerwG 1 C 29.03 - DVBl 2005, 982 <984> - zur Veröffentlichung in der
amtlichen Entscheidungssammlung vorgesehen). Sie bezieht sich ausdrücklich auch
auf den von der Beschwerde angesprochenen Fall der Mehrstaatigkeit. Das Bundes-
verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch
nach der Genfer Flüchtlingskonvention Personen, die zwei oder mehr Staatsangehö-
rigkeiten besitzen, von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn
sie den Schutz eines der Staaten in Anspruch nehmen können (vgl. Urteil vom
6. August 1996, a.a.O., 336). Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerde
nicht - wie erforderlich - auseinander. Schon deshalb kann sie keinen Erfolg haben.
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Im Übrigen weist der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hin, dass
die Beigeladene deshalb nicht - wie sie zu befürchten scheint - in Bezug auf Nordko-
rea schutzlos bleiben könnte. Ihr ist nur die Abschiebung nach Südkorea angedroht
worden. Es ist deshalb schon nicht erkennbar, dass eine Abschiebung nach Nordko-
rea - die ihr besonders angedroht oder zumindest angekündigt werden müsste - auch
nur in Betracht kommt. Insoweit könnte und müsste ihr außerdem erneut die Inan-
spruchnahme effektiven Rechtsschutzes im Hinblick auf eine Abschiebung nach
Nordkorea eröffnet werden (vgl. Urteil vom 16. November 1999 - BVerwG 9 C 4.99 -
BVerwGE 110, 74 <79 ff.> zur inländischen Fluchtalternative).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
Satz 1 RVG.
Eckertz-Höfer Hund Prof. Dr. Dörig
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