Urteil des BVerwG vom 23.08.2006

Richteramt, Hauptsache, Bundesamt, Zustellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 81.06 (1 C 23.06)
VGH 13a B 05.30852
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. August 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:
Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofs über die Nichtzulassung der Revision gegen seinen
Beschluss vom 6. März 2006 wird aufgehoben, soweit sie
sich auf das Anfechtungsbegehren gegen den Widerrufs-
bescheid des Bundesamtes vom 3. Mai 2005 bezieht. In-
soweit wird die Revision zugelassen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Klägers zurückge-
wiesen.
Der Kläger trägt ein Sechstel der Kosten des Beschwer-
deverfahrens. Die Entscheidung über die restlichen Kos-
ten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentschei-
dung in der Hauptsache.
G r ü n d e :
1. Die Beschwerde des Klägers ist begründet, soweit sie sich auf das Anfech-
tungsbegehren gegen den Widerrufsbescheid vom 3. Mai 2005 (Widerruf der
Feststellungen nach § 51 Abs. 1 AuslG in Nr. 1, Verneinung der Voraussetzun-
gen des § 60 Abs. 1 AufenthG in Nr. 2 und negative Feststellung zu den Ab-
schiebungsverboten des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Nr. 3 des Bescheides)
richtet. Insoweit ist die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grund-
sätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann dem Bundesver-
waltungsgericht Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob § 73 Abs. 2a
Satz 3 AsylVfG auf Widerrufsbescheide des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge (Bundesamt) anwendbar ist, die nach dem 1. Januar 2005 ergangen
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sind, sich aber auf einen Anerkennungsbescheid (hier nach § 51 Abs. 1 AuslG)
aus der Zeit vor dem 1. Januar 2005 beziehen.
2. Im Übrigen - hinsichtlich des vom Berufungsgericht ebenfalls negativ be-
schiedenen Hilfsbegehrens auf Verpflichtung der Beklagten zur positiven Fest-
stellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG - ist die Be-
schwerde dagegen unbegründet. Mit der Zurückweisung der Beschwerde ist
das Berufungsurteil deshalb insoweit rechtskräftig, als es eine Verpflichtung der
Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5
und 7 AufenthG verneint hat. Die Rechtskraft ist allerdings auflösend bedingt
durch den Erfolg des Klägers mit seinem noch nicht rechtskräftig beschiedenen
Hauptantrag.
Die Beschwerde hält im Rahmen ihres Hilfsbegehrens auf Feststellung eines
Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG die Frage für klärungsbedürf-
tig, ob die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG grund-
sätzlich dadurch ausgeschlossen ist, dass im Erlasswege die Abschiebung ira-
kischer Staatsangehöriger ausgesetzt und die Verlängerung von Duldungen
verfügt wurde. Die Frage, wann im Falle einer extremen allgemeinen Gefahren-
lage die verfassungskonforme Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG unter Über-
windung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG zulässig sei, sei zwar
zur alten Rechtslage nach dem Ausländergesetz durch die Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 2.01 - (BVerwGE
114, 379) geklärt, bedürfe aber wegen der andersartigen Rechtsfolgen eines
solchen Abschiebungsverbots nach dem Aufenthaltsgesetz, das nunmehr im
Regelfall zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - und nicht nur einer Duldung -
führe (vgl. § 25 Abs. 3 AufenthG), einer erneuten Überprüfung.
Wie der Senat zu der entsprechenden Grundsatzrüge der Prozessbevollmäch-
tigten des Klägers im Verfahren BVerwG 1 B 60.06 mit Beschluss vom heutigen
Tag entschieden hat, hat diese Rüge keinen Erfolg, weil die Frage - wie auch
jüngere Entscheidungen des Senats zu § 60 Abs. 7 AufenthG zeigen - bereits
ohne weiteres im Sinne der bisherigen Rechtsprechung zu beantworten ist. Die
Verbesserung der aufenthaltsrechtlichen Stellung des betroffenen Ausländers
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durch das Aufenthaltsgesetz bei Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach
§ 60 Abs. 7 AufenthG wirkt sich auf die hier allein entscheidungserhebliche Fra-
ge, unter welchen Voraussetzungen eine verfassungskonforme Anwendung
dieser Vorschrift durch das Bundesamt im asylrechtlichen Verfahren zulässig
ist, nicht aus. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Begründung des Beschlusses in dem Verfahren
BVerwG 1 B 60.06 Bezug.
3. Soweit die Beschwerde zurückgewiesen wird, trägt der Kläger gemäß § 154
Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden
gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
RVG. Im Übrigen - hinsichtlich der noch offenen Entscheidung über das Anfech-
tungsbegehren des Klägers gegen den Widerrufsbescheid, auf das fünf Sechs-
tel der Kosten des Beschwerdeverfahrens entfallen - folgt die Entscheidung
über die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Kostenentscheidung in der
Hauptsache.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird, soweit die Revision zugelassen worden ist, als
Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 1 C 23.06 fortgesetzt; der
Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu
begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simson-
platz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom
26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Be-
gründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsan-
walt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtig-
ten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behör-
den können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum
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Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften fer-
ner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zustän-
digen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes
des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben
Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.
Eckertz-Höfer Beck Prof. Dr. Dörig