Urteil des BVerwG vom 01.09.2005

Anschrift, Haft, Verwaltungsakt, Einheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 79.05 (1 PKH 22.05)
VGH 11 S 1182/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. September 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
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Der Antrag der Klägerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen
und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 20. Januar 2005 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Beschwer-
de keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforde-
rungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes aus § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt
voraus, dass für die Entscheidung des vorinstanzlichen Gerichts eine konkrete fall-
übergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, die auch für die
Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche
Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint
(stRspr, vgl. sc<91 f.> sowie Beschluss vom 30. März 2005
- BVerwG 1 B 11.05 - NVwZ 2005, 709). Die Darlegung einer solchen Rechtsfrage
lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
Grundsätzlichen Klärungsbedarf sieht die Beschwerde zunächst für die Frage, "ob ein
Verwaltungsakt ordnungsgemäß zugestellt wurde, wenn eine in einem Landesgesetz
vorgegebene Unterrichtungspflicht Dritter bei Niederlegung des Verwaltungsakts
unterblieben oder jedenfalls streitig ist" (Beschwerdebegründung S. 2). Die Be-
schwerde legt jedoch nicht dar, dass diese Frage Gegenstand der angefochtenen
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Entscheidung des Berufungsgerichts war, sondern bezieht sich insoweit nur auf das
Urteil des Verwaltungsgerichts. Tatsächlich hat das Berufungsgericht das von der
Klägerin eingelegte Rechtsmittel als unzulässig verworfen und damit gar nicht über
die von der Beschwerde bezeichnete Frage entschieden. Im Übrigen ergibt sich aus
der Beschwerdebegründung nicht, dass es sich bei der aufgeworfenen Frage um
eine Rechtsfrage revisiblen Rechts gemäß § 137 Abs. 1 VwGO handelt; vielmehr
bezieht sich die Beschwerde ausdrücklich auf Pflichten, die durch ein "Landesgesetz"
begründet sein sollen. Eine Zulassung der Revision kann sie hiermit nicht erreichen.
Hinsichtlich der zweiten aufgeworfenen Frage fehlt es an der Darlegung eines rechts-
grundsätzlichen Klärungsbedarfs. Ein solcher soll sich daraus ergeben, dass "das
Berufungsgericht die Berufung der Klägerin nicht durch Beschluss gemäß § 125
Abs. 2 VwGO als unzulässig verwerfen durfte" (Beschwerdebegründung S. 2). Die
Klägerin sei dem Erfordernis zur Angabe ihrer Wohnungsanschrift deshalb nicht
nachgekommen, weil sie sich in dem vom Berufungsgericht genannten Zeitraum ab
November 2004 in Haft befunden habe, was die Beklagte hätte wissen und dem Ge-
richt mitteilen müssen. Weder sei die Klägerin untergetaucht gewesen, noch habe sie
während des Berufungsverfahrens nicht über eine ladungsfähige Anschrift verfügt.
Aufgrund der Umstände sei davon auszugehen, dass sie von der Pflicht zur Angabe
einer ladungsfähigen Anschrift befreit gewesen sei, zumal sie anwaltlich vertreten
gewesen sei, so dass insoweit Zustellungen hätten wirksam erfolgen können (Be-
schwerdebegründung S. 11 f.). Die Beschwerde zeigt nicht auf, woraus sich ein die
Grundsatzrevision rechtfertigender Klärungsbedarf ergeben soll. Das Berufungsge-
richt hat seiner Entscheidung die Rechtsauffassung zugrunde gelegt, dass die Pflicht
zur Angabe der Wohnanschrift nicht schon deshalb entfällt, weil ein Kläger anwaltlich
vertreten ist. Es ist hierbei der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ge-
folgt, die auch von anderen Bundesgerichten geteilt wird (vgl. Urteil vom 13. April
1999 - BVerwG 1 C 24.97 - Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 19, S. 8 m.w.N.). Die Be-
schwerde geht weder - wie erforderlich - auf diese Rechtsprechung ein noch zeigt sie
insoweit einen erneuten oder weitergehenden Klärungsbedarf auf. Der Sache nach
geht es der Beschwerde um eine vom Berufungsgericht abweichende Bewertung des
Erfordernisses der Anschriftsangabe im konkreten Einzelfall. Hierauf lässt sich jedoch
eine Grundsatzrevision nicht stützen.
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Die von der Beschwerde beantragte Verlängerung der Begründungsfirst des § 133
Abs. 3 Satz 1 VwGO sieht das Gesetz nicht vor.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
ergibt sich aus § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig
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