Urteil des BVerwG vom 18.05.2004

Rechtliches Gehör, Abschiebung, Lebensgefahr, Ausreise

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 76.04
OVG NRW 9 A 4166/01.A
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Mai 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
- 2 -
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 2004 wird ver-
worfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
und auf die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungs-
gründe.
Die Beschwerde sieht einen "Klärungsbedarf für die grundsätzliche Frage,
ob bei Vorliegen und gerichtlicher Feststellung eines beträchtlichen Risikos für
Leib und Leben bei Rückkehr ins Heimatland dem Asylbewerber Abschiebe-
schutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG unter Hinweis darauf versagt werden
kann, dass der Kläger in den vermeintlich sicheren Nordirak ausweichen
kann".
Das Gericht unterstelle, dass es grundsätzlich und auch dem Kläger möglich sei,
über den Iran oder die Türkei - unter Umgehung des Restiraks - den Nordirak zu er-
reichen. Damit verkenne das Gericht, dass diese Möglichkeit nur theoretisch offen
stehe, da beide in Betracht kommenden Länder - Iran und Türkei - ein Transit-Visum
nicht erteilen würden und könnten. Das Gericht verkenne damit den Prüfungsmaß-
stab, "der auch durch das BVerwG vorgegeben" sei: Der Hinweis auf eine nichtrea-
listische Möglichkeit, sichere Gebiete im ansonsten unsicheren Heimatstaat zu errei-
chen, und die damit erfolgende Verneinung des Vorliegens von Abschiebehindernis-
sen unterschreite den von § 53 Abs. 6 AuslG vorgegebenen Prüfungsmaßstab.
Mit diesem Vorbringen ist eine klärungsfähige und klärungsbedürftige R e c h t s -
frage von allgemeiner Bedeutung nicht aufgeworfen. Vielmehr wendet sich die Be-
schwerde letztlich gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Sachverhalts
- 3 -
in der Berufungsentscheidung. Das Berufungsgericht hat - wenn auch, ohne
einschlägige Entscheidungen ausdrücklich zu benennen - der Sache nach die Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 6 AuslG zugrunde gelegt,
wonach einem Ausländer die Abschiebung auch dann in den Zielstaat insgesamt
angedroht werden darf, wenn er dort nur in bestimmten Gebieten sicher ist (vgl. Urteil
vom 16. November 1999 - BVerwG 9 C 4.99 - BVerwGE 110, 74 ff.) und wonach die
Rückkehr einem Kläger auch dann unzumutbar ist, wenn er die sicheren Landesteile
nicht erreichen kann, ohne auf dem Weg dorthin einer extremen Leibes- oder
Lebensgefahr ausgesetzt zu sein (vgl. Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C
38.96 - BVerwGE 104, 265 <267 f.>; vom 2. September 1997 - BVerwG 9 C 40.96 -
BVerwGE 105, 187 und - BVerwG 9 C 5.97 - BVerwGE 105, 194 sowie vom 16. No-
vember 1999, a.a.O. S. 77). Zu beiden Fragen hat das Berufungsgericht Feststellun-
gen getroffen. Zudem ist das Berufungsgericht entsprechend dieser Rechtsprechung
davon ausgegangen, dass ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 53 Abs. 6
Satz 1 AuslG sich nicht aus der Unmöglichkeit der Abschiebung oder freiwilligen
Ausreise in den Irak herleiten lässt. Eine insoweit der rechtsgrundsätzlichen Klärung
bedürftige Frage lässt sich dem Vorbringen der Beschwerde nicht entnehmen. So-
weit sie mit den berufungsgerichtlichen Feststellungen nicht einverstanden ist, erhebt
sie keine durchgreifende Verfahrensrüge. Die lediglich mit der Behauptung, das Be-
rufungsgericht habe den Prüfungsmaßstab verkannt, begründete Gehörsrüge erfüllt
schon nicht die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer
Richter
Prof. Dr. Dörig