Urteil des BVerwG vom 18.08.2005

Rechtliches Gehör, Armenien, Republik, Flucht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 72.05
VGH 3 UE 2599/03.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. August 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 18. Mai 2005 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig, denn sie legt die geltend gemachte Verletzung des
Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO) nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar.
Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Inhalt der mit Schriftsatz vom
21. März 2005 in Kopien und in beglaubigter Übersetzung vorgelegten zwei Doku-
mente nicht zur Kenntnis genommen. Hierbei habe es sich um eine Ladung der Ge-
neralstaatsanwaltschaft der Republik Armenien gehandelt, in der der Kläger zu 1 am
8. Dezember 2001 "in der Ermittlungssache gemäß § 299 StGB" vernommen werden
sollte. Weiterhin habe es sich um die Kopie einer Seite aus dem Arbeitsbuch des
Klägers zu 1 gehandelt, aus der zu ersehen sei, dass er seit September 1998 im
Sonderwachregiment des Innenministeriums der Republik Armenien beschäftigt ge-
wesen sei. Das Berufungsgericht habe die vorgelegten Beweismittel zwar erwähnt,
ihren Inhalt aber nicht zur Kenntnis genommen. Diese Unterlagen bewiesen zum ei-
nen, dass der Kläger zu 1 als Wächter beim Parlament der Republik Armenien be-
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schäftigt gewesen und er zum anderen nach seiner Flucht mit der vorgelegten La-
dung erneut gesucht worden sei.
Mit ihren Darlegungen zeigt die Beschwerde die geltend gemachte Verletzung des
Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht auf. Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfas-
sungsgerichts ist grundsätzlich - und so auch hier - davon auszugehen, dass die Ge-
richte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung ge-
zogen haben. Die Gerichte brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen in den
Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinander zu setzen. Aus einem Schwei-
gen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch nicht der
Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis genommen und
in Erwägung gezogen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann daher nur dann
festgestellt werden, wenn es sich aus den besonderen Umständen des Falles deut-
lich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in Erwä-
gung gezogen hat (vgl. etwa Beschluss vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B 797.98 -
Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 unter Hinweis auf BVerfGE 96, 205
<216 f.>). Solche besonderen Umstände legt die Beschwerde nicht dar. Sie selbst
räumt ein, dass das angefochtene Urteil die vorgelegten Dokumentkopien erwähne
(UA S. 14). Aus dem Beschwerdevorbringen geht nicht hervor, dass die in den Ur-
teilsgründen erfolgte inhaltliche Auseinandersetzung mit den vorgelegten Beweismit-
teln eine Kenntnisnahme ihres Inhalts vermissen lässt. Dass sich aus den beiden von
den Klägern vorgelegten Dokumentkopien nichts Substantiiertes ergebe, das den
eingeholten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes entgegen stehe, hat das Beru-
fungsgericht nicht allein - wie die Beschwerde vorträgt (Beschwerdebegründung
S. 2) - daraus abgeleitet, dass "nicht erkennbar sei, was mit dieser angeblichen La-
dung sowie mit dem Arbeitsbuch belegt werden solle". In der angefochtenen Ent-
scheidung wird vielmehr ausgeführt, dass die Bevollmächtigte der Kläger Kopien von
Dokumenten vorgelegt, aber nicht weiter erläutert habe, was sich aus ihnen ergebe
(UA S. 14). Die Beschwerde setzt sich nicht damit auseinander, dass das Berufungs-
gericht dann aber den Inhalt der Dokumente würdigt, sie also zur Kenntnis genom-
men und in Erwägung gezogen hat. Aus dem vorgelegten Schreiben ergibt sich nach
der Beweiswürdigung des Gerichts lediglich, dass der Kläger zu 1 am 7. Dezember
2001 eine Ladung als Verdächtigter erhalten haben soll. Es werde jedoch nicht näher
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erläutert, wie der Kläger an jenem Tag eine Ladung habe erhalten können, wenn er
einen Tag zuvor aus dem Zentralgefängnis in Eriwan geflohen sei. Tatsächlich ergibt
sich aus dem Vorbringen der Kläger weder, dass sich die Ladung auf eine Beteili-
gung des Klägers zu 1 an den Parlamentsattentaten vom 27. Oktober 1999 bezieht,
noch erläutern sie, wie sie in den Besitz der Ladung gelangen konnten, die an die
Heimatanschrift des Klägers zu 1 gerichtet war, sie aber eigenem Bekunden zufolge
nach der Flucht vom 6. Dezember 2001 in Kirowakan lebten (UA S. 2). Die Be-
schwerde lässt auch nicht erkennen, inwiefern sich aus dem Auszug aus dem Ar-
beitsbuch des Klägers zu 1 seine Beschäftigung als Wächter beim Parlament der
Republik Armenien ergeben soll. Aus der vorgelegten Übersetzung ergibt sich nur,
dass der Kläger zu 1 im Sonderwachregiment des Innenministeriums der Republik
Armenien beschäftigt war, nicht auch dessen Einsatz bei der Bewachung des Parla-
ments am Tag der Attentate. Nur mit diesem Inhalt referiert auch die Beschwerde die
Bescheinigung (vgl. Beschwerdebegründung S. 2 oben). Der Sache nach wendet
sich die Beschwerde im Gewand einer Gehörsrüge gegen die Tatsachen- und Be-
weiswürdigung des Berufungsgerichts. Damit kann sie die Zulassung einer Revision
jedoch nicht erreichen. Soweit die Beschwerde dahin zu verstehen sein sollte, dass
sie auch die Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügt, fehlt es auch
insoweit an einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechen-
den Darlegung.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden ge-
mäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Eckertz-Höfer
Dr. Mallmann
Prof. Dr. Dörig
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