Urteil des BVerwG vom 26.02.2008

Ausweisung, Verfahrensmangel, Anhörung, Anerkennung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 64.07 (1 PKH 48.07)
VGH 11 UE 2811/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Februar 2008
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewil-
ligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abge-
lehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 25. Juni 2007 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung
eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist
abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aus-
sicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).
Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine Auswei-
sung aus dem Bundesgebiet. Seine auf eine grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO)
und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ge-
stützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie genügt nicht den Darlegungsanforde-
rungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechts-
sache setzt voraus, dass eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebli-
che Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die im Interesse der
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Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die
Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangen die Be-
zeichnung einer konkreten Rechtsfrage, der in einem Revisionsverfahren ent-
scheidungserhebliche Bedeutung zukommen würde, sowie einen Hinweis auf
den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen
soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisions-
entscheidung zur Klärung einer bisher höchstrichterlich noch nicht beantworte-
ten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann.
Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob die er-
höhten Anforderungen an Ausweisungen, die das Gericht für EU-Bürger ver-
langt, auch für den Antragsteller als türkischen Staatsangehörigen, dem der
Ausweisungsschutz des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zusteht, für eine solch ein-
schneidende Maßnahme wie eine Ausweisung auf Lebenszeit vorliegen müs-
sen“. Damit und mit dem weiteren Beschwerdevorbringen wird eine entschei-
dungserhebliche Frage des revisiblen Rechts nicht dargetan. Das Berufungsge-
richt ist zugunsten des Beschwerdeführers davon ausgegangen, dass Art. 28
Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG auf türkische Staatsangehörige, die ein Auf-
enthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen, und damit auch im Fall des Klägers
Anwendung findet (UA S. 11). Folglich war die aufgeworfene Frage für das Be-
rufungsgericht nicht entscheidungserheblich. Soweit die Beschwerde der Auf-
fassung ist, das Berufungsgericht habe die in dieser Richtlinie aufgestellten
Grundsätze auf den konkreten Rechtsfall nicht richtig angewandt, wird ein
grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht dargelegt. Dies gilt insbesondere hinsicht-
lich der Ausführungen, das Berufungsgericht sei im konkreten Fall zu Unrecht
von einer ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung und vom Vorliegen
zwingender, eine Ausweisung rechtfertigender Gründe der öffentlichen Sicher-
heit ausgegangen. Insoweit beschränkt sich die Beschwerde auf allgemeine
Angriffe gegen das Berufungsurteil, ohne eine konkrete für die Revision ent-
scheidungserhebliche Rechtsfrage aufzuwerfen und ihre Klärungsbedürftigkeit
darzulegen.
2. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist
nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet,
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wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entschei-
dung tragenden abstrakten Rechtssatz nennt, mit dem die Vorinstanz einem in
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die dortige
Entscheidung in Anwendung derselben Rechtsvorschrift tragenden Rechtssatz
widersprochen hat.
In diesem Sinne rügt die Beschwerde eine Abweichung insbesondere vom Ur-
teil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 30.02 -
(BVerwGE 121, 297) und verweist in dem Zusammenhang auf die in dieser
Entscheidung entwickelten Rechtssätze zur Ausweisung von Unionsbürgern
und deren Übertragbarkeit auf türkische Staatsangehörige, die ein Aufenthalts-
recht nach dem ARB 1/80 besitzen. Sie legt aber nicht näher dar, welchen hier-
von abweichenden Rechtssatz das Berufungsgericht aufgestellt haben soll.
Stattdessen versucht die Beschwerde in der Art einer Berufungs- bzw. Revisi-
onsbegründung auszuführen, warum die angefochtene Berufungsentscheidung
ihrer Auffassung nach bei Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht ent-
wickelten Grundsätze keinen Bestand haben kann. Dies genügt nicht den dar-
gelegten Darlegungsanforderungen, da allein eine fehlerhafte Anwendung der
vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze keine Divergenz be-
gründen würde.
3. Soweit die Beschwerde im Übrigen der Sache nach eine unzureichende Auf-
klärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Berufungsgericht we-
gen der unterbliebenen persönlichen Anhörung des Klägers und der Nichtein-
holung weiterer Stellungnahmen und Gutachten rügt, genügt das Vorbringen
ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Ein Verfahrensmangel ist nur
dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begrün-
denden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dar-
getan wird. Dies erfordert bei der Behauptung eines Verstoßes gegen den
Amtsermittlungsgrundsatz u.a. die - vorliegend unterbliebene - Darlegung, wel-
che tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sach-
verhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2, § 72 Nr. 1 GKG.
Eckertz-Höfer
Prof. Dr. Dörig
Fricke
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