Urteil des BVerwG vom 21.03.2002

Wahrscheinlichkeit, Subsumtion, Überzeugung, Amt

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BESCHLUSS
BVerwG 1 B 64.02
VGH 9 UE 1696/98.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. März 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
3. Dezember 2001 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
G r ü n d e :
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig.
Der Kläger hat die Frist zur Begründung der Beschwerde (§ 133
Abs. 3 Satz 1 VwGO), die nach § 57 VwGO, § 222 ZPO, § 187
Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB am Dienstag, dem 19. Februar 2002 ab-
gelaufen ist, versäumt. Die Vertreter des Klägers haben die
Revision erst mit dem - per Fax am selben Tag eingegangenen -
Schriftsatz vom 21. Februar 2002 begründet. Gründe für eine
Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist sind weder
vorgetragen noch ersichtlich. Einer Anhörung hierzu bedarf es
nicht, da die Beschwerde im Ergebnis auch deshalb unzulässig
ist, weil sie nicht den Anforderungen an die Darlegung des
geltend gemachten Zulassungsgrundes aus § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO entspricht.
Für grundsätzlich bedeutsam hält die Beschwerde zunächst die
Frage zur Anwendung des § 28 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG, "wie
hoch der Grad der Betätigung anzusetzen ist", um einen asylre-
levanten Nachfluchttatbestand bei exilpolitischen Aktivitäten
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annehmen zu können, welche auf einer festen, bereits im Her-
kunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen müssen.
Die Beschwerde hält insoweit für klärungsbedürftig, ob es aus-
reiche, "mit der später avisierten Gruppe sympathisiert und
seine Lebenserfahrung danach ausgerichtet zu haben", und "in-
wiefern eine einschlägige politische Betätigung eines nahen
Verwandten (hier: Vater) diesbezüglich, also im Hinblick auf
Einflussnahme und Entwicklung, ausschlaggebend sein" könne
(vgl. Beschwerdebegründung S. 2). Abgesehen davon, ob damit
überhaupt eine hinreichend bestimmte und in rechtlich abstrak-
ter Weise klärungsfähige Frage des revisiblen Rechts aufge-
zeigt wird, legt die Beschwerde nicht - wie erforderlich -
dar, inwiefern sich diese in dem angestrebten Revisionsverfah-
ren auf der Grundlage der Feststellungen und Ausführungen des
Berufungsgerichts entscheidungserheblich stellen soll. Schon
deshalb fehlt es an einer zulässigen Grundsatzrüge. Die Be-
schwerde setzt sich insoweit auch weder mit den Ausführungen
des Berufungsgerichts zum Maßstab der Asylrelevanz subjektiver
Nachfluchtgründe (UA S. 11) auseinander noch mit den Gründen,
aus denen im Berufungsurteil ein asylrechtlich beachtlicher
subjektiver Nachfluchtgrund wegen der exilpolitischen Betäti-
gung des Klägers für die EPRP verneint worden ist (UA S. 24).
Die angesprochene Frage würde sich auf der Grundlage des Beru-
fungsurteils im Übrigen auch nicht stellen, weil es einen be-
achtlichen subjektiven Nachfluchttatbestand mit der Begründung
verneint, der Kläger habe "auf Befragen durch die Berichter-
statterin des Senats, ob er vor seiner Ausreise aus Äthiopien
politisch aktiv gewesen sei, bekundet, dass dies damals nicht
der Fall gewesen sei" (UA S. 24). Aufgrund welcher sonstigen
Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts eine weitere
Klärung der Frage möglich sein soll, ob auch nur im Einzelfall
des Klägers eine feste, bereits im Herkunftsland erkennbar be-
tätigte Überzeugung vorgelegen haben soll und inwiefern hie-
raus in verallgemeinerungsfähiger Weise weiterführende rechts-
grundsätzliche Erkenntnisse gewonnen werden könnten, ist weder
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vorgetragen noch erkennbar.
Die Beschwerde hält ferner für grundsätzlich bedeutsam die
Frage, wann im Rahmen der Prüfung der beachtlichen Wahrschein-
lichkeit politischer Verfolgung "anzunehmen ist, dass die für
eine Verfolgung sprechenden Umstände überwiegen". Dabei sei zu
klären, ob die Bejahung einer möglichen politischen Verfolgung
durch verschiedene gut informierte Menschenrechtsorganisatio-
nen und das Auswärtige Amt in Bezug auf die Begrifflichkeit
der beachtlichen Wahrscheinlichkeit aussagekräftig sei oder ob
im Umkehrschluss das Fehlen mehrerer, exakt vergleichbarer Re-
ferenzfälle im Stande sei, die beachtliche Wahrscheinlichkeit
auszuräumen (vgl. Beschwerdebegründung S. 3). Auch damit wird
eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Grundsatzfrage
schon deshalb nicht ordnungsgemäß bezeichnet, weil die Be-
schwerde die Entscheidungserheblichkeit der als klärungsbe-
dürftig bezeichneten Fragen nicht unter Auseinandersetzung mit
den Feststellungen und Gründen des angefochtenen Berufungsur-
teils darlegt. Außerdem ist auch nicht dargetan und ersicht-
lich, inwiefern die angesprochene Frage, wann die für eine
Verfolgung sprechenden Umstände überwiegen, überhaupt einer
weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärung über das hinaus zugäng-
lich sein soll, was das Bundesverwaltungsgericht in dem – vom
Berufungsgericht in Bezug genommenen (UA. S. 11/12) - Urteil
vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - (BVerwGE 89, 162,
169 f.) ausgeführt hat. Mit dieser Rechtsprechung setzt sich
die Beschwerde nicht auseinander. Soweit sie in diesem Zusam-
menhang weiteren Klärungsbedarf noch insoweit sieht, wie "die
Bejahung einer möglichen politischen Verfolgung" durch Men-
schenrechtsorganisationen und das Auswärtige Amt zu bewerten
ist, betrifft dies - abgesehen davon, dass für den vorliegen-
den Fall hierzu nichts ausgeführt und belegt wird - die Be-
weiswürdigung und die Subsumtion im Einzelfall, ohne eine
Rechtsfrage des Verfahrensrechts oder des materiellen Rechts
aufzuzeigen. Die Beschwerde scheint zu verkennen, dass die
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Verfolgungsprognose zur Feststellung und Würdigung des Sach-
verhalts durch das Tatsachengericht gehört, die vom Revisions-
gericht in der Regel ebenso wenig nachprüfbar ist wie die
rechtliche Subsumtion im Einzelfall, die außerdem ausschließ-
lich dem Richter vorbehalten ist und keinem Sachverständigen
übertragen werden kann (vgl. die Beschlüsse vom 23. Februar
2000 - BVerwG 9 B 65.00 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 30
und vom 5. Juli 2000 - BVerwG 9 B 138.00 - Buchholz 310 § 86
Abs. 2 VwGO Nr. 45).
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang ferner meint, es
bedürfe im Hinblick auf § 53 Abs. 4 AuslG und Art. 3 EMRK der
rechtsgrundsätzlichen Klärung, "inwieweit den Stellen, die zur
Informationsgewinnung in Fällen der Asylfrage häufig heran ge-
zogen werden, Kompetenz zugebilligt und Glauben geschenkt
wird" (Beschwerdebegründung S. 4), wird ferner deutlich, dass
sich die Beschwerde in Wahrheit im Gewande der Grundsatzrüge
gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung und das Beweisergeb-
nis wendet.
Auch die letzte Frage, "inwieweit der Senat innerhalb der Be-
weiswürdigung gegen allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze
verstoßen hat" (Beschwerdebegründung S. 4), führt nicht auf
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Auch insoweit
zeigen die weiteren Ausführungen, dass sich die Beschwerde le-
diglich in Angriffen auf die Feststellung und Würdigung des
Sachverhalts im vorliegenden Einzelfall erschöpft. Damit lässt
sich eine Grundsatzrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
nicht begründen.
Soweit die Beschwerde hierzu noch meint, trotz einzelner be-
stimmter Feststellungen im Berufungsurteil komme "der Senat zu
dem Schluss, dass einfache Mitglieder der EPRP, auch bei Teil-
nahme an Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen, keine
Verfolgungsmaßnahmen seitens der äthiopischen Staatsorgane be-
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fürchten" müssten (Beschwerdebegründung S. 5), ist außerdem
weder nachvollziehbar dargelegt noch erkennbar, inwiefern die-
se tatrichterliche Gefährdungsprognose gegen allgemeine Erfah-
rungssätze verstoßen oder auf willkürlichen, mit den Gesetzen
der Logik nicht zu vereinbarenden Schlussfolgerungen beruhen
soll (vgl. zum Verstoß gegen Denkgesetze etwa den Beschluss
vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
n.F. VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328 m.w.N.).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5
Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichts-
kosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der
Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG (n.F.).
Eckertz-Höfer
Hund
Richter