Urteil des BVerwG vom 10.10.2002

Sri Lanka, Zeitliche Konnexität, Politische Verfolgung, Ausreise

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BESCHLUSS
BVerwG 1 B 61.02
OVG 21 A 4018/98.A
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Oktober 2002
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r , den Richter am Bundes-
verwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzu-
lassung der Revision in dem Urteil des Oberver-
waltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 23. November 2001 wird zurückge-
wiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
G r ü n d e :
Die auf Verfahrensfehler sowie auf grundsätzliche Bedeutung
der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde rügt zunächst, das Berufungsgericht habe den
Anspruch des Klägers, eines srilankischen Staatsangehörigen
tamilischer Volkszugehörigkeit, auf Gewährung rechtlichen Ge-
hörs verletzt (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Das Be-
rufungsgericht habe hinsichtlich der Frage, ob der Kläger we-
gen politischer Verfolgung aus Sri Lanka ausgereist ist, Sach-
vortrag des Klägers "nicht erschöpfend in seine Würdigung"
bzw. "seine Entscheidungsfindung einbezogen". Der Vorwurf der
Gehörsverletzung trifft nicht zu. Die Gewährung rechtlichen
Gehörs erfordert, dass das Gericht den Vortrag der Beteiligten
zur Kenntnis nimmt und – soweit entscheidungserheblich – in
Erwägung zieht. Diesen Anforderungen ist das Berufungsgericht
vorliegend gerecht geworden. Das Berufungsgericht hat das Vor-
bringen des Klägers zu Verfolgungsmaßnahmen vor dessen Ausrei-
se im Tatbestand seiner Entscheidung im Einzelnen wiedergege-
ben (UA S. 3 ff.) und in den Entscheidungsgründen ausführlich
über nahezu zehn Seiten gewürdigt (UA S. 7 ff.). Es ist zu dem
Ergebnis gelangt, dass der asylrechtlich erforderliche Zusam-
menhang zwischen Verfolgung, soweit der Kläger sie glaubhaft
gemacht habe, und Ausreise nicht gegeben sei. Das Berufungsge-
richt ist dabei auf das tatsächliche Vorbringen des Klägers in
allen Einzelheiten eingegangen. Dies wird auch von der Be-
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schwerde nicht in Frage gestellt. Wenn die Beschwerde bean-
standet, das Berufungsgericht hätte den Kläger als vorverfolgt
ansehen und dementsprechend von einem herabgestuften Wahr-
scheinlichkeitsmaßstab ausgehen müssen, so zielt dies nicht
auf eine Gehörsverletzung, sondern auf eine nach Auffassung
der Beschwerde unzutreffende Rechtsanwendung durch das Beru-
fungsgericht. Im Kern wirft die Beschwerde dem Berufungsge-
richt vor, vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Rechts-
grundsätze "übersehen" zu haben (Beschwerdebegründung S. 6).
Gegen eine "Nichtbeachtung" höchstrichterlicher Rechtsprechung
durch ein Berufungsgericht kann ein Beteiligter jedoch grund-
sätzlich nicht mit der Gehörsrüge, sondern allenfalls mit der
Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vorgehen. Auch diese
Rüge würde im Übrigen nur bei einem Rechtssatzwiderspruch,
nicht aber bei einer bloß fehlerhaften Rechtsanwendung im Ein-
zelfall durchgreifen.
Die Beschwerde hält ferner die Frage für grundsätzlich bedeut-
sam, "ob eine hinreichende Sicherheit vor erneuten Verfol-
gungsmaßnahmen bei asylrechtlich relevanter Vorverfolgung dann
besteht oder gerade auszuschließen ist, wenn zwar zwischen der
tatsächlichen Vorverfolgung und der Ausreise ein längerer
Zeitraum vorliegt, sodass keine unmittelbare zeitliche Konne-
xität insoweit gegeben ist, die Ausreise jedoch andererseits
wegen der durch Fortsetzung der vormaligen politischen Tätig-
keit begründeten Furcht vor erneuten Verfolgungsmaßnahmen der
bereits erlebten Art stattfindet". Damit und mit den weiteren
Ausführungen der Beschwerdebegründung hierzu ist eine Grund-
satzfrage jedoch nicht hinreichend bezeichnet. Die Beschwerde
geht insbesondere nicht darauf ein, ob bzw. inwieweit sich die
angesprochene Frage in einem Revisionsverfahren überhaupt
stellen würde. So ist der Kläger nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts gerade nicht aus Furcht vor erneuten (poli-
tischen) Verfolgungsmaßnahmen, sondern aus Angst vor (allge-
meinen) Bürgerkriegsgefahren ausgereist (UA S. 15 f.). Dement-
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sprechend hat das Berufungsgericht nicht darauf abgestellt, ob
der Kläger bei einer Rückkehr nach Sri Lanka vor politischer
Verfolgung hinreichend sicher ist, sondern darauf, ob ihm po-
litische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht
(UA S. 6 f.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichts-
kosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der
Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Richter Beck