Urteil des BVerwG vom 27.11.2003

Drohende Gefahr, Fälschung, Mangel, Verhaftung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 54.03
VGH 21 B 01.31122
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. November 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M a l l m a n n und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsge-
richtshofs vom 9. Dezember 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig, denn sie legt
die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO entsprechend dar.
Die Beschwerde wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht die von ihm ver-
werteten Erkenntnismittel dahin würdigt, dass nicht vorverfolgt ausgereisten Asylbe-
werbern aus Tunesien im Falle ihrer Rückkehr dorthin keine Verfolgung mit einer ei-
nen Schutzanspruch nach § 51 Abs. 1 AuslG auslösenden beachtlichen Wahrschein-
lichkeit drohe (Beschwerdebegründung S. 2 oben). Sie zeigt jedoch nicht nachvoll-
ziehbar auf, dass diese Frage für das angestrebte Revisionsverfahren entschei-
dungserheblich sein könnte. Insbesondere setzt sie sich nicht mit der Tatsache aus-
einander, dass die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG
nicht Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, nachdem der Kläger
kein Rechtsmittel gegen die einen Anspruch aus § 51 Abs. 1 AuslG versagende Ent-
scheidung des Verwaltungsgerichts eingelegt hat. Die Berufungsentscheidung be-
zeichnet ihre kurzen Ausführungen zu § 51 Abs. 1 AuslG selbst als nicht entschei-
dungserheblich (BA S. 5 oben). Aber selbst wenn man die Beschwerde, obwohl sie
an keiner Stelle auf § 53 AuslG Bezug nimmt, dahin auslegt, dass sie sich gegen die
Versagung von Abschiebungsschutz nach dieser Vorschrift wendet, wird ein Verfah-
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rensmangel nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend
dargelegt.
Keine schlüssige Darlegung eines Verfahrensmangels kann in der beanstandeten
Auseinandersetzung des Berufungsgerichts mit den von diesem verwerteten "Berich-
ten" zur "Bedrohung von ausgewiesenen Asylantragstellern" gesehen werden (Be-
schwerdebegründung S. 2). Denn die Beschwerde wendet sich mit dieser Rüge ge-
gen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Etwaige Fehler in
der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind aber revisionsrechtlich regelmäßig nicht
dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen und können des-
halb einen Verfahrenmangel nicht begründen (Beschluss vom 19. August 1997,
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Die
Beschwerde zeigt einen Verstoß gegen die Denkgesetze bei der berufungsgerichtli-
chen Tatsachen- und Beweiswürdigung nicht auf. Ein solcher Verstoß liegt nur dann
vor, wenn das Gericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen
werden kann, nicht dagegen schon dann, wenn eine Schlussfolgerung nicht zwin-
gend oder nicht überzeugend oder sogar unwahrscheinlich ist (Beschluss vom
19. August 1997 a.a.O.). Der Kläger legt nicht dar, worin die zu seinen Gunsten spre-
chende "Eindeutigkeit dieser Berichte" liegen soll, die vom Berufungsgericht "durch
eine nicht nachvollziehbare sprachliche Interpretation" in Frage gestellt werde.
Nicht nachvollziehbar ist, welche Verfahrensrüge die Beschwerde mit ihrer Behaup-
tung erheben will, das Berufungsgericht habe die "erhobenen Beweisangebote" zur
früheren "politischen Verfolgung bis zur Inhaftierung" des Klägers in seinem Heimat-
land nicht beachtet (Beschwerdebegründung S. 2 Mitte). Offenbar wendet sich die
Beschwerde auch hier gegen die berufungsgerichtliche Tatsachen- und Beweiswür-
digung. Dabei beanstandet sie, dass das Berufungsgericht trotz des Vortrags zur frü-
heren Verhaftung des Klägers mit anschließender Freilassung "eine Vorverfolgung im
asylrechtlichen Sinne" nicht angenommen hat, ohne aufzuzeigen, inwiefern diese
Frage für die im Berufungsverfahren allein noch streitgegenständliche Frage der
Schutzgewährung nach § 53 AuslG entscheidungserheblich sein könnte (vgl. dazu
Urteil vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330>).
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Auch wenn man die Beschwerde dahin versteht, dass sie insoweit einen Mangel der
gerichtlichen Sachaufklärungspflicht geltend macht, zeigt sie einen solchen Mangel
nicht dadurch auf, dass sie sinngemäß die Nichterhebung der zur "Vorverfolgung im
asylrechtlichen Sinne" mit Schriftsatz vom 10. Juni 1999 angebotenen Beweise rügt
(Beschwerdebegründung S. 2 unten). Sie legt nicht dar, auf welche der zahlreichen
Beweisangebote in dem genannten Schriftsatz sie sich bezieht. Unabhängig davon
fehlt es an der Darlegung, welche Bedeutung den angebotenen Beweisen für eine
dem Kläger gegenwärtig drohende Gefahr i.S. von § 53 AuslG zukommt. Aus dem
Beschwerdevorbringen wird mithin die Entscheidungserheblichkeit der beantragten
Beweise nicht ersichtlich.
Ebenfalls keinen Verfahrensfehler zeigt die Beschwerde schließlich mit ihrem weite-
ren Angriff gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts auf,
das die vom Kläger vorgelegten Dokumente über die ihm nach seiner Ansicht dro-
hende Verhaftung als Fälschung bewertet hat (BA S. 11 f.). Die Beschwerde zeigt
nicht auf, warum die eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26. April 2001,
die bestimmte "Indizien für die Fälschung dieses Dokuments" benennt, die Bewer-
tung nicht trägt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach
§ 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig