Urteil des BVerwG vom 26.06.2014

Aufenthaltserlaubnis, Ermessensausübung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 5.14
OVG 2 L 146/09
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Juni 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Prof. Dr. Kraft
beschlossen:
- 2 -
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Mecklenburg-Vorpommern vom 26. März 2014 wird ver-
worfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands für das Beschwerdever-
fahren wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungs-
anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechts-
sache begehrt, setzt die hinreichende Darlegung dieses Zulassungsgrunds die
Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und sowohl
für das Berufungsurteil als auch für die erstrebte Revisionsentscheidung ent-
scheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt
außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehen-
de Bedeutung bestehen soll (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 m.w.N.). Die
Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentschei-
dung zur Klärung einer entscheidungserheblichen, bisher höchstrichterlich noch
nicht beantworteten Rechtsfrage führen kann. Diesen Anforderungen genügt
das Vorbringen der Beschwerde nicht.
1. Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf für die Frage,
„ob eine aus § 25 Abs. 2 AufenthG (gemeint wohl: § 25
Abs. 5 AufenthG) erteilte Aufenthaltserlaubnis gestützt
wiederum auf § 25 Abs. 5 AufenthG verlängert werden
kann oder ob eine Verlängerung nur auf einen der beiden
Sätze aus § 25 Abs. 4 AufenthG gestützt werden muss“
(Beschwerdebegründung S. 1).
1
2
3
- 3 -
Sie ist der Auffassung, § 25 Abs. 5 AufenthG sei auf Fälle wie den vorliegen-
den, in denen es um die Verlängerung einer erteilten Aufenthaltserlaubnis oder
die Beantragung der Erteilung einer neuen Aufenthaltserlaubnis vor Ablauf der
alten gehe, nicht anwendbar. Denn in diesen Fällen sei der Ausländer nicht
vollziehbar ausreisepflichtig. Deshalb sei § 25 Abs. 4 AufenthG anzuwenden.
Eine nach dieser Vorschrift gebotene Ermessensausübung sei hier nicht erfolgt.
Mit diesem Vorbringen verfehlt die Beschwerde die Anforderungen an die Dar-
legung einer Grundsatzfrage gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO. Denn sie legt nicht dar, dass es auf die von ihr aufgeworfene Fra-
ge in dem erstrebten Revisionsverfahren in entscheidungserheblicher Weise
ankommen könnte.
Das Berufungsgericht hat die Anwendbarkeit des § 25 Abs. 4 AufenthG im vor-
liegenden Fall aus zwei Gründen abgelehnt: Zum einen, weil die Vorschrift nur
die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für einen vorüber-
gehenden Aufenthalt betreffe und zum anderen, weil sie nur auf nicht vollzieh-
bar ausreisepflichtige Ausländer anwendbar sei. Unabhängig von der zweiten,
mit der Grundsatzrüge angegriffenen rechtlichen Voraussetzung hat die Vor-
instanz zu der beabsichtigten Aufenthaltsdauer festgestellt, dass der Kläger
einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet erstrebe (UA S. 8 Mitte). An diese tat-
sächliche Feststellung, die die Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegrif-
fen hat, wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 137 Abs. 2
VwGO). Ist ein Berufungsurteil - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende
Gründe gestützt, setzt die hinreichende Darlegung von Zulassungsgründen vo-
raus, dass hinsichtlich jedes dieser Gründe ein Revisionszulassungsgrund gel-
tend gemacht wird (vgl. z.B. Beschluss vom 15. Juni 1990 - BVerwG 1 B 92.90 -
Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20). Daran fehlt es hier. Überdies ist hier das vor-
läufige Aufenthaltsrecht des Klägers nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erlo-
schen, und zwar mit der Ablehnung des Antrags durch die Ausländerbehörde
(so bereits Beschluss vom 23. Januar 1987 - BVerwG 1 B 213.86 - InfAuslR
1987, 105 <107> zu einer Vorgängervorschrift des § 81 Abs. 4 AufenthG; zu-
stimmend Hailbronner, Ausländerrecht-Kommentar, § 81 AufenthG, Stand: April
4
5
6
- 4 -
2014, Rn. 41; entsprechend auch die AVwV des BMI zum AufenthG, GMBl
2009, 877, Nr. 81.5.2). Nicht zu vertiefen ist daher, ob ein hiergegen gerichtetes
vorläufiges Rechtsschutzgesuch bei Erfolg auch materiellrechtliche Bedeutung
für die Verlängerung einer humanitären, auf der Grundlage des § 25 Abs. 5
AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis gehabt hätte.
2. Soweit die Beschwerde sich darauf beruft, ein Revisionsverfahren biete auch
„die Gelegenheit, Mitwirkungspflichten eines Ausländers weiter zu präzisieren,
die ihm im Verletzungsfalle im Rahmen des § 25 Abs. 5 S. 3 AufenthG ent-
gegengehalten werden können“ (Beschwerdebegründung S. 1), ergibt sich
auch hierfür kein rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf. Denn der Senat hat
bereits entschieden, dass es dem ausreisepflichtigen Ausländer nach § 25
Abs. 5 AufenthG obliegt, alles in seiner Kraft Stehende und ihm Zumutbare da-
zu beizutragen, damit etwaige Ausreisehindernisse überwunden werden. Wel-
che Bemühungen ihm hierbei zumutbar sind, ist nach der Rechtsprechung des
Senats unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzel-
falls zu entscheiden. Über die Aussage hinaus, dass von vornherein erkennbar
aussichtslose Handlungen dem Ausländer nicht abverlangt werden dürfen, ent-
zieht sich die Frage einer abstrakt-generellen Klärung in einem Revisionsver-
fahren (vgl. Beschluss vom 10. März 2009 - BVerwG 1 B 4.09 - Buchholz
402.242 § 25 AufenthG Nr. 11 Rn. 6; Beschluss vom 3. Juni 2006 - BVerwG 1 B
132.05 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 3). Neuen oder weitergehenden
Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde hierzu nicht auf.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfest-
setzung folgt aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Prof. Dr. Berlit
Prof. Dr. Dörig
Prof. Dr. Kraft
7
8
9