Urteil des BVerwG vom 14.08.2003

Uno, Nahrungsaufnahme, Ermessen, Prozessrecht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 444.02
OVG 1 L 101/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. August 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin am Bundesver-
waltungsgericht B e c k
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision
in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-
Anhalt vom 8. August 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig. Die allein geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Beschwerde rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3, § 108
Abs. 2 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG). Sie beanstandet, das Berufungsgericht habe einen
Beweisantrag zu der Frage, ob durch die Versorgung mit Lebensmittelpaketen das wirt-
schaftliche Existenzminimum in den Flüchtlingslagern im Nordirak gesichert sei, abgelehnt;
diese Ablehnung finde im Prozessrecht keine Stütze. Ob mit diesem Vorbringen angesichts
der Begründung des Berufungsgerichts, dass ihm bereits zahlreiche aktuelle Erkenntnisquel-
len zur Versorgungssituation in den Flüchtlingslagern vorlägen und es deshalb eines weite-
ren Sachverständigengutachtens nicht bedürfe, eine Gehörsverletzung überhaupt schlüssig
bezeichnet ist, erscheint zweifelhaft (zum Ermessen des Tatsachengerichts bei der Einho-
lung weiterer Auskünfte und Sachverständigengutachten im Asylprozess vgl. etwa BVerwG,
Beschluss vom 10. Juni 1999 - BVerwG 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO
Nr. 302 m.w.N.). Soweit die Beschwerde sich in diesem Zusammenhang auf den Beschluss
des Senats vom 31. Juli 2002 - BVerwG 1 B 128.02 - (Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO
Nr. 326 = InfAuslR 2002, 455) bezieht, reicht dies schon wegen der vom Berufungsgericht im
vorliegenden Verfahren eingeführten weiteren Erkenntnisquellen und der weitergehenden
Ausführungen in den Urteilsgründen zur Darlegung einer prozessrechtlich fehlerhaften Ab-
lehnung des Beweisantrags nicht aus (vgl. im Übrigen auch Beschluss vom 6. Februar 2003
- BVerwG 1 B 428.02 - zu dem Urteil des Berufungssenats vom 8. August 2002 in der
Parallelsache OVG 1 L 269.01). Die Frage kann letztlich aber offen bleiben.
Denn das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf eine zweite, selbständig tragende
Erwägung gestützt, gegen die die Beschwerde weder eine Verfahrensrüge noch einen sons-
tigen Revisionszulassungsgrund geltend macht. Das Berufungsgericht hat auch für den Fall,
dass es als fraglich erscheinen könnte, ob mit den Lebensmittelrationen des UNO-Lebens-
mittelprogramms eine in jeder Hinsicht zum Überleben notwendige Nahrungsaufnahme im
Nordirak gesichert sei, angenommen, dass der Kläger sich auf den Nordirak als inländische
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Fluchtalternative verweisen lassen müsse; eine zumutbare inländische Fluchtalternative sei
unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten immer dann gegeben, wenn bei der grundsätzlich
gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise die Lebensverhältnisse im verfolgungsfrei-
en Gebiet jedenfalls nicht schlechter seien als im Herkunftsgebiet, im Falle des Klägers also
im Nordirak; die Lebensumstände der Flüchtlinge, die im Nordirak durch das Lebensmittel-
programm der UNO versorgt würden, erschienen allgemein eher besser als im Zentralirak
(UA S. 11 f.).
Ist aber eine Berufungsentscheidung auf mehrere Gründe gestützt, kann die Zulassung der
Revision grundsätzlich nur begehrt werden, wenn gegen sämtliche tragenden Begründungen
ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr; vgl. etwa BVerwG,
Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26
= NJW 1997, 3328). Wie dargelegt, fehlt es vorliegend hieran. Entsprechendes gilt für die
von der Beschwerde zusätzlich erhobene, nicht weiter begründete Aufklärungsrüge (§ 86
Abs. 1 Satz 1 VwGO), die sich ebenfalls nur gegen die erste Erwägung des Berufungsge-
richts - die Versorgungslage in den Flüchtlingslagern im Nordirak - richtet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskosten werden gemäß
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2
AsylVfG.
Eckertz-Höfer Richter Beck