Urteil des BVerwG vom 23.09.2004

Syrien, Prozessrecht, Beweisantrag, Gutachter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 44.04 (1 PKH 18.04)
VGH 19 B 98.35295
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. September 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
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Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen
und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofs vom 14. November 2003 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden; denn die
von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den nachstehenden Gründen
keine Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht in einer Weise dargelegt, die den Anforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Beschwerde rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO,
Art. 103 Abs. 1 GG), weil das Berufungsgericht eine Beweiserhebung, die der Kläger
zur Abwanderung von Yeziden aus dem Nordosten von Syrien beantragt habe, pro-
zessrechtswidrig abgelehnt habe. Dieser Vorwurf geht ins Leere. Es trifft zwar zu,
dass die Ablehnung eines Beweisantrags das rechtliche Gehör verletzt, wenn der
Beweisantrag nach der insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des
Tatsachengerichts erheblich war und die Ablehnung des Beweisantrags im Prozess-
recht keine Stütze findet. Hinsichtlich des vom Kläger beantragten Sachverständi-
gengutachtens zum Beweis dafür, dass die Anzahl der Yeziden im Nordosten von
Syrien inzwischen nur noch bei etwa 2 000 Personen liege, ist das Berufungsgericht
davon ausgegangen, hinsichtlich der Verfolgungsdichte für yezidische Familien wür-
de sich nichts entscheidungserheblich anderes ergeben, auch wenn man die vom
Kläger erwarteten neueren Zahlenangaben zugrunde legen würde (UA S. 15 und 17).
Inwieweit die auch auf diesen Aspekt gestützte Ablehnung, ein (weiteres) Sachver-
ständigengutachten einzuholen, prozessrechtlich fehlerhaft sein soll, zeigt die Be-
schwerde weder auf noch ist dies sonst ersichtlich.
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Die Beschwerde rügt ferner, das Berufungsgericht habe durch die Ablehnung eines
weiteren Beweisantrags zur Betroffenheit der yezidischen Bevölkerungsgruppe im
Nordosten Syriens aufgrund asylrelevanter Verfolgungsfälle ebenfalls das rechtliche
Gehör verletzt. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang beanstandet, das
Berufungsgericht habe wesentliches Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis ge-
nommen, trifft dieser Vorwurf nicht zu. Entgegen der Darstellung der Beschwerde hat
sich das Berufungsgericht nicht darauf beschränkt, eine bestimmte Anzahl von
Übergriffen in einem bestimmten Zeitraum mit einer bestimmten Anzahl von in Nord-
ost-Syrien lebenden Yeziden in Beziehung zu setzen. Es ist insbesondere auch auf
die Zahlenangaben des Klägers eingegangen und hat auch unter Berücksichtigung
dieser Angaben die Frage der Verfolgungsdichte erörtert (UA S. 15 ff.). Sollte die
Beschwerde in diesem Zusammenhang zusätzlich beanstanden wollen, dass die
Ablehnung auch dieses Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze finde, so wäre
dieser Vorwurf unsubstanziiert und träfe im Übrigen auch nicht zu. So geht die Be-
schwerde nicht darauf ein, dass sich der Beweisantrag des Klägers auf zwei Gutach-
ter bezogen hat, die sich bereits zur Frage der Verfolgungsdichte geäußert hatten
und deren Fähigkeit zu konkreteren Auskünften vom Berufungsgericht in Zweifel ge-
zogen worden war. So wird nicht hinreichend ersichtlich, dass die Ablehnung des
Berufungsgerichts, ein (weiteres) Gutachten einzuholen, ermessensfehlerhaft und
damit prozessrechtswidrig gewesen ist (vgl. § 412 ZPO in entsprechender Anwen-
dung und dazu Beschluss vom 10. Juni 1999 - BVerwG 9 B 81.99 - Buchholz 310
§ 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302). Die Beschwerde legt im Übrigen auch nicht substanziiert
dar, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung der vom Kläger vermuteten
höheren Anzahl der Verfolgungsfälle zu einer beachtlichen Verfolgungswahrschein-
lichkeit und damit zu einem anderen, für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen
wäre (zu den rechnerischen Maßstäben des Berufungsgerichts für ein Verfolgungsri-
siko vgl. UA S. 15 und 17).
Schließlich macht die Beschwerde eine Gehörsverletzung hinsichtlich der Frage ei-
ner inländischen Fluchtalternative geltend. Das Berufungsgericht hat diese Frage
aber lediglich im Zusammenhang mit der Ablehnung der beiden Beweisanträge und
nicht als selbständig tragenden Gesichtspunkt erörtert (vgl. UA S. 17). Insofern legt
die Beschwerde nicht dar und kann nicht darlegen, dass die Entscheidung des Beru-
fungsgerichts auf der behaupteten Gehörsverletzung beruhen kann.
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Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden ge-
mäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= § 83 b AsylVfG i.d.F. des Kostenrechtsmoderni-
sierungsgesetzes vom 5. Mai 2004, BGBl I S. 718) nicht erhoben; der Gegenstands-
wert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).
Eckertz-Höfer Richter Prof. Dr. Dörig