Urteil des BVerwG vom 22.07.2003

Amnesty International, Politische Verfolgung, Wahrscheinlichkeit, Hund

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 391.02 (1 PKH 90.02)
VGH 9 B 99.30147
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:
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Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird
abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision
in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
18. Juli 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Beschwerde aus
den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und
Verfahrensfehler durch Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts
(§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 86 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht schon
nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe aus
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde macht unter anderem geltend, nach den vom
Berufungsgericht verwerteten Angaben des Auswärtigen Amtes bestehe "für rangniedere
Funktionäre und einfache Parteimitglieder (hier der AAPO) … keine Verfolgungsgefahr in-
nerhalb von Addis Abeba". Daraus ergebe sich im Umkehrschluss, dass eine "politische Ver-
folgung rangniederer Funktionäre und einfacher Parteimitglieder (der AAPO) jedenfalls au-
ßerhalb von Addis Abeba stattfindet". Dies müsse erst recht für die Medhin als in Äthiopien
nicht zugelassene Partei gelten. Das Berufungsgericht sei nach dem Amtsermittlungsgrund-
satz verpflichtet gewesen, die sich im Wege des Erst-Recht-Schlusses ergebenden folgen-
den Rechtsfragen zu klären bzw. hierüber Beweis zu erheben, "ob a) rangniedere Funktio-
näre und einfache Parteimitglieder der EPRP zumindest außerhalb von Addis Abeba mit
politischer Verfolgung rechnen müssen und b) ob im Falle der Bejahung dieser Frage, die
Hauptstadt Addis Abeba als inländische Fluchtalternative in Betracht kommt".
Damit und mit dem weiteren Beschwerdevorbringen ist die Aufklärungsrüge nicht schlüssig
erhoben. Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern sich dem Berufungsgericht - bezogen auf
die von der Beschwerde angesprochene Frage beachtlicher Verfolgungswahrscheinlichkeit
ohne Bestehen einer inländischen Fluchtalternative bei einer Rückkehr des Klägers nach
Äthiopien - eine Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Es fehlt bereits an der gebote-
nen Darlegung, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen
Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Die Beschwerde legt auch
nicht dar, inwiefern sich bei Vornahme der von ihr als unterlassen gerügten weiteren Aufklä-
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rung eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr gerade für den Kläger ergeben hät-
te. Weiter zeigt die Beschwerde mit ihren Angriffen auf die Beweiswürdigung des Beru-
fungsgerichts (Beschwerdebegründung S. 3) nicht auf, dass sich diesem eine weitere Be-
weisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht
habe die Zugrundelegung von Sachvortrag der Medhin-Partei mit der Begründung abgelehnt,
dass dieser Vortrag nicht nachprüfbar sei, berücksichtigt sie nicht, dass das Berufungsge-
richt diesen Vortrag aus den in der Berufungsentscheidung ausgeführten Gründen (BA
S. 10 f.) als nicht glaubhaft angesehen hat. Soweit sich die Beschwerde auf amnesty inter-
national bezieht, macht sie nicht ersichtlich, inwiefern das Berufungsgericht eine
Zugrundelegung dieser Erkenntnisquelle insoweit abgelehnt haben soll. Soweit sie sich mit
Auskünften und Lageberichten des Auswärtigen Amtes auseinander setzt (Beschwerdebe-
gründung S. 4 f.) fehlt es an der - als Voraussetzung des von der Beschwerde bezogen auf
die Medhin vorgenommenen "Erst-Recht-Schlusses" - gebotenen Darlegung, dass die von
der Beschwerde in Bezug genommenen und im Wege eines "zwingenden" Umkehrschlusses
als Änderung der Auskunftslage interpretierten Angaben des Auswärtigen Amtes überhaupt
- und auch aus der Sicht des Berufungsgerichts - für eine Gefahrenprognose aufgrund einer
exilpolitischen Tätigkeit für die AAPO erheblich wären oder ob sie nicht nur die in Äthiopien
selbst aktiven Funktionäre und Mitglieder der AAPO betreffen. Insoweit wird auf den der
Bevollmächtigten des Klägers und den übrigen Verfahrensbeteiligten bekannten Beschluss
des Senats vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 B 245.02 - Bezug genommen. Die Beschwerde
setzt sich ferner nicht damit auseinander, dass der Kläger der Berufungsentscheidung
zufolge als nicht dem Kreis gefährdeter hervorgehobener Funktionäre zuzurechnendes
Mitglied der Medhin im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahr-
scheinlichkeit von Verfolgungsgefahr bedroht ist (BA S. 11 f.).
Die Beschwerde ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulas-
sen. Dies würde voraussetzen, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage
aufgeworfen wird. Eine solche ist der Beschwerde indes nicht zu entnehmen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2
AsylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Hund