Urteil des BVerwG vom 01.08.2003

Persönliche Anhörung, Emrk, Arbeitsmarkt, Arbeitsfähigkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 380.02
VGH 5 UE 3828/96.A
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. August 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision
in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
23. Juli 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der allein geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht in einer
Weise dargetan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Beschwerde rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3, § 108 Abs. 2
VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG). Sie beanstandet, das Berufungsgericht hätte nicht im
Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO entscheiden dürfen. Zwar habe das Verwaltungs-
gericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Da die Frage behandlungsbedürftiger
Erkrankungen des Klägers, eines srilankischen Staatsangehörigen tamilischer Volkszugehö-
rigkeit, und damit die Frage von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG
aber erst im Berufungsverfahren entscheidungserhebliche Bedeutung erlangt habe, hätte
sich das Berufungsgericht im Rahmen einer weiteren mündlichen Verhandlung von den kör-
perlichen Einschränkungen des Klägers im Hinblick auf dessen Arbeits- und Leistungsfähig-
keit einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen. Die Verfahrensweise des Berufungs-
gerichts, im vereinfachten Verfahren gemäß § 130 a VwGO zu entscheiden, sei grob ermes-
sensfehlerhaft, da das Gericht die Vorgaben aus Art. 6 EMRK offensichtlich nicht berück-
sichtigt habe.
Mit diesem Vorbringen ist eine Gehörsverletzung nicht dargetan. Nach § 130 a Satz 1 VwGO
kann das Berufungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie
einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhand-
lung nicht für erforderlich hält. Das dem Berufungsgericht damit eingeräumte Ermessen hin-
sichtlich der Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung kann vom Revisionsgericht nur
auf sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen überprüft werden (stRspr; vgl.
etwa Beschluss vom 10. April 1992 - BVerwG 9 B 142.91 - Buchholz 310 § 130 a VwGO
Nr. 5). Der Hinweis der Beschwerde auf Art. 6 EMRK führt in diesem Zusammenhang nicht
weiter. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Art. 6
Abs. 1 EMRK in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren der vorliegenden Art keine An-
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wendung findet (vgl. etwa Beschluss vom 16. Juni 1999 - BVerwG 9 B 1084.98 - Buchholz
310 § 130 a VwGO Nr. 40; Urteil vom 21. März 2000 - BVerwG 9 C 39.99 - Buchholz a.a.O.
Nr. 49; Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 - Buchholz a.a.O. Nr. 58 mit einem
Nachweis entsprechender Entscheidungspraxis des EGMR).
Die Beschwerde zeigt auch ansonsten nicht auf, dass das Berufungsgericht Veranlassung
gehabt hätte, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Zu Unrecht macht die Beschwer-
de in diesem Zusammenhang geltend, das Berufungsgericht habe die Erkrankungen des
Klägers nicht "angezweifelt". Tatsächlich hat das Berufungsgericht "durchgreifende Zweifel"
an der Richtigkeit des entsprechenden Vorbringens geäußert (BA S. 75). Im Übrigen legt die
Beschwerde nicht dar, dass und ggf. in welcher Weise der Kläger im Laufe des Berufungs-
verfahrens auf Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit und dadurch bedingte geringere
Chancen auf dem Arbeitsmarkt in Colombo hingewiesen hat. Inwiefern bei dieser Sachlage
eine (erneute) persönliche Anhörung des Klägers geboten gewesen sein sollte, macht die
Beschwerde nicht ersichtlich, zumal der Kläger auf die letzte Anhörungsmitteilung des Beru-
fungsgerichts hin nicht mehr auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eingegan-
gen war.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2
AsylVfG.
Eckertz-Höfer
Richter
Prof. Dr. Dörig