Urteil des BVerwG vom 31.10.2002

Geistige Behinderung, Körperliche Behinderung, Beinverletzung, Verfahrensmangel

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BESCHLUSS
BVerwG 1 B 372.02 (1 PKH 84.02)
OVG 4 A 4335/01.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Oktober 2002
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z – H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht R i c h t e r und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Die Anträge der Kläger auf Bewilligung von Pro-
zesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsan-
walts werden abgelehnt.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Beschluss des Oberver-
waltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 19. Juli 2002 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
G r ü n d e :
Die beantragte Prozesskostenhilfe kann den Klägern nicht ge-
währt werden, weil ihre Beschwerde aus den nachstehenden Grün-
den keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO,
§ 114 ZPO).
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie erfüllt nicht die Anforde-
rungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes gemäß § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO. In der Beschwerdebegründung wird nicht in
der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise ein Zulas-
sungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO dargelegt bzw. be-
zeichnet. Eine solche Darlegung setzt im Hinblick auf den Zu-
lassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO) die Formulierung einer bestimmten, höchst-
richterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung
erheblichen R e c h t s frage voraus. Eine die Revision ge-
mäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz wäre nur dann
im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet,
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wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefoch-
tene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit
dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts - oder eines anderen der in § 132 Abs. 2
Nr. 2 VwGO genannten Gerichte - aufgestellten ebensolchen die
Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben
Rechtsvorschrift widersprochen hat. Ein Verfahrensmangel im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schließlich ist allenfalls
dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, wenn er
sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als
auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan
wird (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 m.w.N. - BVerwG 7 B
261.97 - NJW 1997, 3328 = DÖV 1998, 117). Dem entspricht das
Beschwerdevorbringen nicht.
Die Beschwerde wird ausschließlich damit begründet, die Ent-
scheidung des Berufungsgerichts berücksichtige nicht, dass die
Klägerin zu 1 zwei kleine kranke Kinder habe, deren Überleben
in der Hauptstadt Kinshasa nicht gesichert sei. Es wird nicht
dargelegt, ob und inwiefern darin ein Verfahrensmangel oder
ein sonstiger die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 VwGO
rechtfertigender Grund liegen soll.
Selbst wenn man darin die Rüge mangelhafter richterlicher
Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) oder fehlender Gewährung
rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sehen wollte, fehlte
es an einem hinreichenden Vortrag zur Begründung derartiger
Verfahrensrügen. Ein Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht
zur Sachverhaltsermittlung bedarf der Darlegung, dass bereits
im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der
Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt
wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die be-
zeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von
sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom
19. August 1997 a.a.O.). Die Kläger haben weder im erst- noch
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im zweitinstanzlichen Verfahren auf die nunmehr geltend ge-
machte Magenerkrankung der Tochter Laurelle und die geistige
Behinderung des Klägers zu 2 hingewiesen. Es ist auch nicht
ersichtlich, warum sich dem Gericht die Tatsache derartiger
Erkrankungen und nähere Feststellungen hierzu hätten aufdrän-
gen müssen. Die Klägerin zu 1 hatte in ihrer Anhörung vor dem
Bundesamt am 7. Oktober 1996 (Beiakte II, Bl. 31) und vor dem
Verwaltungsgericht am 17. April 2000 (Beiakte II, Bl. 77) le-
diglich eine körperliche Behinderung des Klägers zu 2 infolge
einer im Kongo zugefügten Beinverletzung vorgetragen. Aus die-
ser Beinverletzung werden in der Beschwerde aber keine Rück-
kehrgefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 AuslG abgeleitet; solche
sind auch nicht aus den Umständen ersichtlich. Fehlte es im
Verfahren vor den Tatsachengerichten an Sachvortrag oder sons-
tigen Hinweisen auf die nunmehr geltend gemachten Erkrankungen
bzw. Behinderungen, so kann im Unterbleiben gerichtlicher Er-
wägungen hierzu auch kein Mangel der Gewährung rechtlichen Ge-
hörs gesehen werden. Die Möglichkeit neuen Tatsachenvortrags
ist den Klägern in der Revisionsinstanz verschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichts-
kosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der
Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG n.F.
Eckertz-Höfer Richter Prof. Dr. Dörig