Urteil des BVerwG vom 12.04.2007

Verfahrensmangel, Vietnam, Bedrohung, Asylrecht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 37.07
OVG 1 L 349/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. April 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und Richter
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 2007 wird
verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die allein auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte
Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Darlegungsanforderungen
des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht bei
seiner Entscheidung die seit 10. Oktober 2006 unmittelbar anwendbare Qualifi-
kationsrichtlinie 2004/83/EG nicht berücksichtigt habe. Wäre die Richtlinie ein-
bezogen worden, hätte das Gericht feststellen müssen, „dass dem Kläger eine
flüchtlingsrechtlich erhebliche Beeinträchtigung oder Schädigung im Sinne des
Kapitel II und III der Richtlinie 2004 aus 83/EG bzw. des § 60 Abs. 1 AufenthG
i.V.m. Art. 33 GFK droht“. Nach der maßgeblichen neuen Rechtslage komme es
nicht mehr auf eine Verfolgung an, sondern allein darauf, ob eine wohlbe-
gründete Furcht vor einer Bedrohung im Heimatland plausibel erscheine. Der
Kläger habe substantiiert geltend gemacht, dass ihm im Falle einer Rückkehr
nach Vietnam mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politisch motivierte Be-
strafung drohe. Das Berufungsgericht habe seine Pflicht verletzt, den Vortrag
des Klägers „im Lichte des vorhandenen gravierenden Mangels an Rechtsstaat-
lichkeit in Vietnam im besonderen unter Einbeziehung der Qualifikationsrichtli-
nie“ zu bewerten.
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Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensmangel im Sin-
ne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Es trifft schon nicht zu, dass das Beru-
fungsgericht die Richtlinie 2004/83/EG nicht berücksichtigt hat. Denn es hat
ausdrücklich festgestellt, dass die in der Rechtsprechung entwickelten Grund-
sätze zum Prognosemaßstab bei vorverfolgten und nicht vorverfolgten Asylbe-
werbern mit dieser Richtlinie (Art. 4 Abs. 4) in Einklang stehen (UA S. 7), und ist
damit ersichtlich von einer Anwendbarkeit der Richtlinie ausgegangen. Un-
abhängig davon läge selbst in einer fehlenden Berücksichtigung der Richtlinie
keine Verletzung von Regeln des gerichtlichen Verfahrensablaufs, sondern eine
fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts. Darauf lässt sich eine Verfahrens-
rüge im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aber nicht stützen.
Weitere Revisionszulassungsgründe macht die Beschwerde nicht geltend. Ins-
besondere bezeichnet sie mit ihrem Vorbringen zur Qualifikationsrichtlinie keine
bestimmte klärungsbedürftige und entscheidungserhebliche Grundsatzfrage im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Soweit sie sich darauf bezieht, dass nach
der Richtlinie - anders als nach der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten
Rechtsauffassung zu § 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) - die
wohlbegründete Furcht vor einer Bedrohung im Heimatland ausreiche, genügen
ihre Ausführungen nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO. Denn sie setzt sich - noch abgesehen von der fehlenden Bezeichnung
einer konkreten Rechtsfrage - auch nicht ansatzweise mit der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts auseinander, wonach der Umstand, dass Art. 1
A Nr. 2 GFK das subjektive Element der Furcht vor Verfolgung zum Ausgangs-
punkt nimmt, während das deutsche Asylrecht bei der Frage der Verfolgungs-
gefahr von einem objektiven Ansatz ausgeht, sich in der praktischen Rechts-
anwendung nicht auswirkt (Urteil vom.18. Januar 1994 - BVerwG 9 C 48.92 -
BVerwGE 95, 42 <52 f.> m.w.N.).
Der Sache nach wendet sich die Beschwerde vor allem gegen die tatrichterliche
Gefährdungsprognose im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Vietnam.
Damit kann sie die Zulassung der Revision jedoch nicht erreichen.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
Prof. Dr. Dörig Richter Beck
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