Urteil des BVerwG vom 11.03.2004

Europäische Menschenrechtskonvention, Persönliche Anhörung, Serbien, Familie

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 36.04
OVG 3 LB 11/02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. März 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen
Oberverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2003 wird verwor-
fen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Verfahrensfehler nach § 132 Abs. 2
Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde ist unzulässig.
Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten
Zulassungsgründe aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Soweit die Beschwerde (unter 1. der Beschwerdebegründung, S. 2 ff.) eine grund-
sätzliche Bedeutung geltend macht, lässt sich ihr eine bestimmte klärungsfähige und
klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts nicht entnehmen. Vielmehr wendet
sie sich in der Art einer Berufungsbegründung gegen die tatrichterliche Feststellung
und Würdigung des Sachverhalts insoweit, als die Kläger entgegen der Auffassung
des Oberverwaltungsgerichts als gemischt-ethnische Familie "in Serbien nicht vor
politischer Verfolgung hinreichend sicher" wären (Beschwerdebegründung S. 2) und
die Klägerin zu 2 im Berufungsurteil im Hinblick auf ihre medizinische Behandlung in
Kosovo und Serbien "auf eine theoretische Möglichkeit" verwiesen werde, "die in der
Praxis jedoch realiter nicht möglich" sei und es "sehr wohl zu einer erheblichen Ge-
sundheitsverschlechterung" bei einer Rückkehr kommen würde (Beschwerdebe-
gründung S. 3 bis 5 und Schriftsatz vom 25. Februar 2004). Auch soweit die Be-
schwerde eine grundsätzliche Bedeutung deswegen annimmt, "weil das Gericht in
seinen Urteilsgründen der Klägerin zu 2 zumutet, sich von ihrem Ehemann zu tren-
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nen, um sich in Serbien oder Montenegro behandeln zu lassen" (Beschwerdebe-
gründung S. 5 f.), wird eine klärungsbedürftige Rechtsfrage nicht aufgezeigt. Im Üb-
rigen lässt die Beschwerde in diesem Zusammenhang unerwähnt, dass das Beru-
fungsgericht bei einer von ihm zwar für unrealistisch, aber für möglich gehaltenen
gemeinsamen Rückkehr sämtlicher Kläger (also einschließlich des Vaters und Ehe-
manns, des früheren Klägers zu 1) davon ausgegangen ist, dass auch dann die tat-
bestandlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6
Satz 1 AuslG nicht vorliegen (vgl. BA S. 8 ff., 10). Eine rechtliche Grundsatzfrage
wird schließlich auch nicht mit der pauschalen Rechtsbehauptung aufgeworfen und
dargelegt, das Berufungsgericht verstoße "gegen den Grundgesetzgedanken des
Schutzes der Familie und auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention",
soweit es darauf abhebe, dass sich die Klägerin zu 2 von ihrem Mann trennen könne,
um einer Retraumatisierung zu entgehen. Insofern verschweigt die Beschwerde im
Übrigen, dass das Berufungsgericht zu dieser Annahme und Einschätzung unter
Auswertung der von der Klägerin zu 2 selbst vorgelegten Unterlagen gelangt ist, aus
denen sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt, dass die Klägerin
zu 2 von ihrem Ehemann "eingesperrt und seit Jahren schwer körperlich und seelisch
misshandelt" werde (BA S. 10) und eine Retraumatisierung "nach den vorgelegten
ärztlichen Attesten vor allem bei einer Rückkehr in den Kosovo gemeinsam mit dem
Ehemann zu befürchten" sei (BA S. 14).
Die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schlüssig dargetan. In-
soweit fehlt es - abgesehen davon, dass sich die Beschwerde auch hierzu nicht mit
den Feststellungen und tatrichterlichen Würdigungen des Oberverwaltungsgerichts
aufgrund der vorgelegten Unterlagen und Atteste auseinander setzt - schon an Aus-
führungen dazu, was die Kläger bei Gewährung des von ihnen vermissten rechtli-
chen Gehörs noch im Einzelnen Entscheidungserhebliches vorgetragen hätten. Au-
ßerdem verkennt die Beschwerde, dass das Recht auf Gehör nach § 108 Abs. 2
VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG weder einen (originären) Anspruch auf eine mündliche
Verhandlung noch auf eine persönliche Anhörung vor Gericht (vgl. aber Beschwer-
debegründung S. 6) vermittelt. Inwiefern die Entscheidung des Berufungsgerichts
ohne mündliche Verhandlung im sog. vereinfachten Berufungsverfahren nach
§ 130 a VwGO hier - etwa wegen einer fehlerhaften Anwendung des Verfahrens-
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rechts - den Grundsatz rechtlichen Gehörs verletzen soll, lässt sich der Beschwerde
nicht entnehmen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Hund Richter