Urteil des BVerwG vom 20.06.2003

Rechtliches Gehör, Gefährdung, Gefahr, Herausgabe

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 334.02
OVG 4 A 3846/01.A
In der Verwaltungsstreitsache
g e g e n
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. Juni 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z – H ö f e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revi-
sion in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 11. Juli 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht
nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des geltend ge-
machten Zulassungsgrundes.
Die Beschwerde macht geltend, die Berufungsentscheidung beruhe auf dem Verfahrensfeh-
ler, dass dem Kläger nicht das gebotene rechtliche Gehör gewährt worden sei. Der Kläger
habe in seinem Schriftsatz vom 3. Juli 2002 vorgetragen, dass er an der Herausgabe eines
Buches gegen das Regime Kabilas beteiligt sei, das am 15. Juli 2002 erscheine. Das Beru-
fungsgericht habe keine mündliche Verhandlung durchgeführt und nicht das Erscheinen des
Buches abgewartet, um diesen Umstand nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigen zu
müssen.
Hiermit und mit dem weiteren Beschwerdevorbringen ist ein Verstoß gegen den Anspruch
des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht schlüssig dargetan. Nach
§ 130 a Satz 1 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die Berufung durch Beschluss
entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet und
eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Bei Vorliegen dieser rechtlichen Vo-
raussetzungen steht die Entscheidung, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, im
Ermessen des Gerichts. Diese Ermessensentscheidung ist nur auf sachfremde Erwägungen
und grobe Fehleinschätzung überprüfbar (vgl. Beschluss vom 3. Februar 1999 - BVerwG 4 B
4.99 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 33 = NVwZ 1999, 1109 m.w.N.). Dafür macht die Be-
schwerde nichts ersichtlich. Sie zeigt nicht auf, inwiefern sich unter Berücksichtigung der
erwähnten rechtlichen Maßstäbe aus dem - aus damaliger Sicht - bevorstehenden Erschei-
nen des erwähnten Buches die Verpflichtung des Berufungsgerichts ergeben haben soll,
eine mündliche Verhandlung durchzuführen und das Erscheinen des Buches abzuwarten.
Selbst wenn man die Beschwerde dahin versteht, dass das Berufungsgericht - unabhängig
von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung - jedenfalls dadurch das rechtliche
Gehör des Klägers verletzt habe, dass es das Erscheinen des Buches nicht abgewartet ha-
be, führt dies mangels der gebotenen Darlegung der bezogen auf die Voraussetzungen des
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§ 53 Abs. 6 AuslG erheblichen Auswirkungen des Erscheinens des Buches zu keinem ab-
weichenden Ergebnis. Insoweit setzt sich die Beschwerde auch nicht mit den Ausführungen
in der Berufungsentscheidung (BA S. 19 Abs. 3) auseinander:
"Die angekündigte Herausgabe eines Buches ist - abgesehen davon, dass nicht er-
sichtlich ist, welche Auswirkungen diese auf den allein im Streit befindlichen Anspruch
aus § 53 Abs. 6 AuslG haben soll - im Hinblick auf die Regelung des § 77 AsylVfG oh-
ne Bedeutung".
Auf der Grundlage der darin wohl zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung des Beru-
fungsgerichts, im Rahmen der Prüfung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein
Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG vorliegen, seien nach Zurücknahme der
Klage vor dem Verwaltungsgericht im Übrigen nur noch die vom Verwaltungsgericht bejahten
extremen Allgemeingefahren und insoweit eine verfassungskonforme Anwendung des § 53
Abs. 6 AuslG zu prüfen, bedurfte es keines weiteren Eingehens auf das Erscheinen des
Buches und einer daraus etwa resultierenden (politischen) Gefährdung. Das rechtliche Ge-
hör schützt nicht davor, dass ein bestimmter Sachvortrag aus Gründen des materiellen
Rechts - insoweit ist stets auf die Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts, hier des
Berufungsgerichts, abzustellen - nicht berücksichtigt wird. Entsprechendes gilt, soweit die
Beschwerde als Gehörsverstoß rügt, dass das Berufungsgericht die exilpolitischen Aktivitä-
ten des Klägers in Deutschland nicht berücksichtigt habe; er habe sich an Versammlungen
und Demonstrationen der UDPS, UNRC und GADR sowie an deren Veröffentlichungen be-
teiligt. Diese Rüge ist auch deshalb nicht ordnungsgemäß erhoben, weil der Inhalt des dies-
bezüglichen Vorbringens des Klägers in den Vorinstanzen nicht nachprüfbar mitgeteilt wird.
Soweit die Beschwerde ferner geltend macht, aus dem zwischenzeitlichen Erscheinen des
Buches ergebe sich eine konkrete Gefahr für den Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimat-
land, handelt es sich außerdem um neue Tatsachen, die im Verfahren vor dem Revisionsge-
richt nicht berücksichtigt werden können.
Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird von der Beschwerde nicht schlüs-
sig dargelegt. Eine derartige grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass
eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Eine solche lässt
sich der Beschwerde nicht entnehmen. Diese macht geltend, es sei rechtsgrundsätzlich zu
klären, "wann die allgemeine Gefährdungslage so weit geht, dass von einer extremen allge-
meinen und konkreten Gefährdung auszugehen ist und Abschiebungshindernisse gemäß
§ 53 Abs. 6 AuslG bejaht werden". Die Beschwerde macht geltend, dass eine "allgemeine
konkrete Gefahr für Leib und Leben" besteht, wenn der Kläger in den Kongo abgeschoben
wird. Sie wendet sich insoweit in der Art einer Berufungsbegründung gegen die ihrer Ansicht
nach unzutreffende tatsächliche und rechtliche Würdigung in dem Beschluss des Oberver-
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waltungsgerichts. Damit kann sie die Zulassung der Revision nicht erreichen, zumal sie sich
nicht mit der - in der Berufungsentscheidung dargestellten - einschlägigen Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG 1 C 2.01 -
NVwZ 2001, 1420) auseinander setzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 A-
sylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Hund