Urteil des BVerwG vom 13.06.2003

Rüge, Anerkennung, Übertritt, Einreise

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 321.02 (1 PKH 68.02)
VGH 20 B 00.31587
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l ma n n und H u n d
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird
abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision
in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
17. Juli 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da die Beschwerde keine
Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und die grundsätzliche Bedeu-
tung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie
entspricht nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung des
geltend gemachten Zulassungsgrundes.
Zur Begründung der Verfahrensrüge macht die Beschwerde geltend, der Beigeladene habe
in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht mitgeteilt, dass er zum christli-
chen Glauben übergetreten sei. Er habe als Beleg hierfür ein Zeugnis der Landeskirchlichen
Gemeinschaft Bad Brückenau vom 30. September 1999 vorgelegt. Nach § 86 VwGO hätten
das Verwaltungsgericht und das Berufungsgericht diese Angabe überprüfen und, falls es
sich für zutreffend herausgestellt hätte, der Urteilsfindung zugrunde legen müssen. Dies
hätte der Beschwerde zufolge mit einiger Sicherheit zur Abweisung der Berufung geführt,
weil im Lichte dieser Tatsache der Nordirak für den Beigeladenen keine sichere Fluchtalter-
native darstelle.
Ein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Beru-
fungsgericht ist damit nicht hinreichend bezeichnet. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur er-
schöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Be-
weiserhebung absieht, die eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei nicht ausdrück-
lich beantragt hat (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buch-
holz 310 § 133 VwGO n.F. § 26 = NJW 1997, 3328). Die Beschwerde trägt nicht vor, dass
der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen im Berufungsverfahren einen entsprechenden
Antrag gestellt hat. Die Beschwerde zeigt aber auch nicht substantiiert auf, inwiefern sich
dem Berufungsgericht die vermisste Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Zwar macht
die Beschwerde geltend, der Kläger habe sich mit seiner Abkehr vom islamischen und seiner
Hinwendung zum christlichen Glauben nach dem Selbstverständnis des Islam und der kurdi-
schen Gesellschaft von dieser losgesagt und könne bei einer Rückkehr, selbst wenn diese
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möglich und zumutbar wäre, aus diesem Grund mit keinerlei sozialer Anerkennung,
Unterstützung oder Hilfestellung von Seiten seiner Verwandten und früheren Parteifreunde
im Nordirak rechnen, wäre also in seiner Existenz bedroht. Die Beschwerde macht aber nicht
geltend, dass sie dies bereits im Berufungsverfahren vorgetragen hat. Damit macht sie nicht
ersichtlich, aus welchen Gründen das Berufungsgericht zu der vermissten Beweiserhebung
verpflichtet gewesen sein soll. Darüber hinaus fehlt es auch an der gebotenen Darlegung,
mit welchen Beweismitteln die Aufklärung nach Ansicht der Beschwerde hätte vorgenommen
werden müssen.
Selbst wenn man dem erwähnten Beschwerdevorbringen die Rüge entnimmt, das Beru-
fungsgericht habe die Angaben des Beigeladenen zu seinem Übertritt zum christlichen
Glauben inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen und damit dessen Anspruch auf Gewäh-
rung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, führt dies zu keinem anderen Ergeb-
nis. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht, das von ihm entgegengenom-
mene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen
hat. Nicht jedes Vorbringen der Beteiligten braucht in den Gründen der Entscheidung aus-
drücklich beschieden zu werden. Eine Gehörsverletzung kann daher regelmäßig nur dann
festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt. Der-
artige Umstände trägt die Beschwerde indessen nicht vor.
Auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird von der Beschwerde nicht schlüs-
sig dargelegt. Eine derartige grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass
eine klärungsfähige und klärungsbedürftige R e c h t s frage aufgeworfen wird. Eine solche
lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie macht u.a. geltend, die Berufungsentschei-
dung beruhe auf der Annahme des Berufungsgerichts, es bestehe die Möglichkeit, dass der
Beigeladene mit Hilfe eines von einer bayerischen Behörde ausgestellten Reisedokuments
und eines von der Türkei ausgestellten Transitvisums in den Nordirak einreise. Dabei hande-
le es indessen um reine Mutmaßungen, Unterstellungen, Spekulationen und bestenfalls the-
oretische Möglichkeiten. Die Beschwerde wendet sich insoweit in der Art einer Berufungsbe-
gründung gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende tatsächliche und rechtliche Würdigung
in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs. Damit kann sie die Zulassung der Revision
nicht erreichen. Ebenso wenig wirft die Beschwerde mit ihrer Rüge, die Berufungsentschei-
dung lasse die neueste politische Entwicklung in Bezug auf den Irak außer Acht, eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2
AsylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Hund