Urteil des BVerwG vom 03.11.2006

Bundesamt, Richteramt, Abschiebung, Androhung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 30.06 (1 C 40.06)
OVG 11 LB 193/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. November 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:
Die Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwal-
tungsgerichts über die Nichtzulassung der Revision gegen
sein Urteil vom 7. Dezember 2005 wird aufgehoben, so-
weit sie sich auf die Androhung der Abschiebung der Klä-
gerin in die Türkei in dem Bescheid vom 28. November
2001 bezieht.
Die Revision wird insoweit zugelassen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
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G r ü n d e :
Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Be-
schwerde der Klägerin (früher Klägerin zu 1) hat Erfolg. Sie bezieht sich ersicht-
lich nur auf den Teil des Berufungsurteils, mit dem die Abschiebungsandrohung
der Klägerin in die Türkei als rechtmäßig bestätigt wurde. Hinsichtlich der vom
Berufungsgericht ebenfalls negativ beschiedenen Begehren auf Verpflichtung
der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG
sowie zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7
AufenthG hat die Beschwerde keine Zulassungsrügen erhoben. Insoweit ist das
Berufungsurteil daher bereits rechtskräftig geworden.
Die von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, ob die Rechtswirkungen des
§ 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bereits durch die Registrierung als Flüchtling
durch den UNHCR (hier: im Irak) ausgelöst wird, ist - wie im Berufungsurteil
zutreffend ausgeführt wird (UA S. 13) - weder für die Verpflichtung des Bun-
desamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Feststellung der Vor-
aussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch für die Feststellung von Ab-
schiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG von Bedeutung.
Denn gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG stellt das Bundesamt „außer in den
Fällen des Satzes 2“ (Ausländer, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung aus-
ländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebietes als
ausländische Flüchtlinge im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge anerkannt sind) in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des
Asylverfahrensgesetzes fest, ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorlie-
gen. Auch wenn die Grundsatzfrage zu § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG im Sinne
der Beschwerde zu beantworten wäre, ergäbe sich daraus kein Anspruch der
Klägerin auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 oder 2
bis 7 AufenthG durch das Bundesamt. Die Grundsatzfrage ist mithin nur für die
rechtliche Beurteilung der Abschiebungsandrohung erheblich, denn das Bun-
desamt durfte bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 2
AufenthG der Klägerin nicht die Abschiebung in ihren Heimatstaat androhen
(§ 34 Abs. 1 AsylVfG, § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).
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Die auf die Androhung der Abschiebung in die Türkei beschränkte Beschwerde
ist begründet. Die Revision ist insoweit gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Sie kann dem Bun-
desverwaltungsgericht Gelegenheit geben, den Anwendungsbereich von § 60
Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu klären.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen
BVerwG 1 C 40.06 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Be-
schwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu
begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simson-
platz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom
26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Be-
gründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsan-
walt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtig-
ten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behör-
den können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum
Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften
ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zu-
ständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes
des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben
Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.
Eckertz-Höfer Beck Prof. Dr. Dörig
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