Urteil des BVerwG vom 17.10.2006

Demokratische Republik Kongo, Rechtliches Gehör, Bundesamt, Hund

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 3.06 (1 PKH 1.06)
VGH 21 B 05.30254
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Oktober 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Hund
beschlossen:
Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozess-
kostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Herrmann, 94032
Passau, beigeordnet.
Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. November
2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der
Schlussentscheidung vorbehalten. Die Entscheidung über
die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kosten-
entscheidung in der Hauptsache.
G r ü n d e :
Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe folgt aus § 166
VwGO, § 114 ZPO.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der im November 2002 in
Deutschland geborene Kläger rügt sinngemäß zu Recht, dass das Berufungs-
gericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m.
Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt hat, dass es eine extreme Gefahrenlage
für ihn in der Demokratischen Republik Kongo in Form einer Malariaerkrankung
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bzw. -infektion verneint hat, ohne dies - auch in Bezug auf die Bedeutung einer
möglichen Schutzimpfung - zu belegen und nachvollziehbar zu begründen.
Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht in dem - vom Berufungsgericht ge-
änderten - erstinstanzlichen Urteil ein extremes Krankheits- und Sterberisiko für
den Fall der Abschiebung des Klägers in die Demokratische Republik Kongo
bejaht und dabei u.a. auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mann-
heim vom 24. Juli 2003 (Az.: A 6 S 971/01 Rn. 54 - juris) Bezug genommen. Da
sich das Berufungsgericht mit diesem Beschluss nicht befasst, der von einem
gesteigerten malariaspezifischen Sterberisiko für von außen in das Erregerge-
biet kommende Kleinkinder ausgeht, ist nicht erkennbar, dass es den ihm un-
terbreiteten Prozessstoff zur Kenntnis genommen und hinreichend erwogen hat.
In dem erneuten Berufungsverfahren ist im Übrigen - sofern es noch darauf
ankommt - zu berücksichtigen, dass die Mutter des Klägers im Verfahren vor
dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundes-
amt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) nicht angegeben hat, ihre Mut-
ter lebe in Kinshasa (so aber Berufungsurteil UA S. 9 mit Hinweis auf einen ent-
sprechenden familiären Rückhalt des Klägers in Kinshasa, auch wenn die Mut-
ter des Klägers nicht in den Familienverband ihres „Ehemannes“ zurückkehren
könne). Vielmehr hat sie vorgetragen, die Familie ihres „Ehemannes“, den sie
1997 nach traditionellem Recht - nicht nach staatlichem Recht - geheiratet ha-
be, bzw. seines Bruders lebe in Kinshasa, ihre Mutter in Gemena, wo sie mit
einem Mann, der nicht ihr Vater sei, verheiratet sei (Niederschrift über die An-
hörung vor dem Bundesamt S. 3 und 5). In der mündlichen Verhandlung vor
dem Verwaltungsgericht hat sie dann erklärt, sie sei mit ihrem „Ehemann“, der
aus Kinshasa stamme, gar nicht verheiratet gewesen, sondern habe nur mit ihm
zusammen gelebt.
Hat bereits die Gehörsrüge Erfolg, so kommt es auf der Beschwerde mögli-
cherweise zu entnehmende weitere Verfahrensrügen (insbesondere wegen ei-
nes Aufklärungsmangels) nicht an. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung
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macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit gemäß § 133
Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Eckertz-Höfer Dr. Mallman Hund