Urteil des BVerwG vom 07.02.2007

Rechtliches Gehör, Absicht, Berufungskläger, Anhörung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 286.06
OVG 1 LB 96/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Februar 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Schleswig-
Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom
27. September 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Be-
schwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe den Anspruch des
Klägers auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es zu Unrecht über die Be-
rufung durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden habe. Damit sei dem
Kläger keine Möglichkeit gegeben worden, seine Befürchtungen für den Fall
einer Rückkehr in den Irak im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu äu-
ßern. Bereits in der ersten Instanz sei der Kläger nicht angehört worden. Das
erstinstanzliche Gericht habe in Fällen wie dem vorliegenden (Widerruf des
Flüchtlingsstatus von irakischen Staatsangehörigen) teilweise förmlich eine
mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der faktisch aber nach Absprache mit
dem Richter niemand erschienen sei, da es nach der Rechtsauffassung des
Verwaltungsgerichts auf den individuellen Vortrag nicht angekommen sei.
Mit diesem Vorbringen wird der behauptete Verfahrensverstoß nicht den Anfor-
derungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Vorausset-
zung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist nämlich die
(erfolglose) Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach
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Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu ver-
schaffen. Eine Partei, die von einer ihr insoweit eingeräumten Möglichkeit kei-
nen Gebrauch gemacht hat, kann sich später nicht darauf berufen, ihr sei das
rechtliche Gehör versagt worden (vgl. Beschluss vom 30. Januar 2003
- BVerwG 1 B 169.02 - Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 67). Der Kläger
wurde mit der Anhörungsmitteilung vom 6. Juli 2006 auf die Absicht des Beru-
fungsgerichts hingewiesen, über die Berufung nach § 130a VwGO durch Be-
schluss zu entscheiden. Der anwaltlich vertretene Kläger hatte insoweit Gele-
genheit vorzutragen, warum seiner Auffassung nach eine Entscheidung ohne
mündliche Verhandlung nicht ergehen durfte. Die Beschwerde hat nicht darge-
legt, ob und wie der Kläger nach der Anhörungsmitteilung dem behaupteten
Anspruch auf eine mündliche Verhandlung Geltung verschafft hat. Dies ist tat-
sächlich auch nicht geschehen. Im Schriftsatz vom 10. August 2006 ist der Be-
vollmächtigte des Klägers der Absicht des Berufungsgerichts, gemäß § 130a
VwGO durch Beschluss zu entscheiden, nicht entgegengetreten.
Im Übrigen zeigt die Beschwerde auch unabhängig hiervon nicht auf, dass das
Berufungsgericht § 130a VwGO fehlerhaft ausgelegt und angewendet und da-
mit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Der Gesetzgeber hat - wie sich aus dem Zusammenhang mit § 84 Abs. 2
VwGO erschließt - das vereinfachte Berufungsverfahren nach § 130a VwGO
nur unter der Voraussetzung zugelassen, dass in erster Instanz eine mündliche
Verhandlung stattgefunden hat oder dem Berufungskläger jedenfalls eröffnet
war. Eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung ist da-
nach unzulässig, wenn der Klage in erster Instanz durch Gerichtsbescheid
stattgegeben wurde (vgl. Urteil vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 -
Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 58). Dies macht die Beschwerde indessen
nicht geltend. Tatsächlich hat das Verwaltungsgericht ausweislich der Nieder-
schrift vom 5. August 2005 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der
der Kläger nicht erschienen ist, wobei nach den Angaben der Beschwerde in
den in Rede stehenden Fällen eine entsprechende Absprache mit dem Gericht
getroffen wurde. Damit hat der Kläger auf eine Teilnahme an der mündlichen
Verhandlung und die damit verbundene Gelegenheit, persönlich vor Gericht
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vorzutragen, verzichtet (vgl. zur Zulässigkeit einer Entscheidung nach § 130a
VwGO in dem - hier nicht gegebenen - Fall eines Verzichts auf mündliche Ver-
handlung nach § 101 Abs. 2 VwGO das erwähnte Urteil vom 14. März 2002
a.a.O. m.w.N.). Das Berufungsgericht war hierdurch an einer Entscheidung
nach § 130a VwGO nicht gehindert. Der Umstand, dass es - wie die Beschwer-
de darlegt - auf den Vortrag des Klägers nach der damaligen Rechtsauffassung
des Verwaltungsgerichts für den Erfolg der Klage nicht ankam, ändert hieran
nichts. Die Beschwerde zeigt schließlich auch nicht auf, dass sich das Beru-
fungsgericht durch Anhörung einen eigenen Eindruck von der Glaubwürdigkeit
des Klägers hätte verschaffen müssen (vgl. auch Beschluss vom 10. Mai 2002
- BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 Satz 1 RVG.
Dr. Mallmann Richter Beck
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