Urteil des BVerwG vom 04.01.2007

Bundesamt, Rüge, Wahrscheinlichkeit, Heimatstaat

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 283.06
OVG 9 A 561/06.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Januar 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. September
2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers ist unbegründet.
1. Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob § 73 Abs. 2a
AsylVfG auf Widerrufsentscheidungen anzuwenden ist, die nach dem 1. Januar
2005 ergangen sind bzw. „über die im erstinstanzlichen verwaltungsgerichtli-
chen Verfahren erst nach dem 1. Januar 2005 entschieden worden ist“. Soweit
die Frage sich auf Widerrufsbescheide des Bundesamts für Migration und
Flüchtlinge (Bundesamt) bezieht, die nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind,
würde sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil der hier ange-
fochtene Widerrufsbescheid vom 1. September 2004 vor dem 1. Januar 2005
ergangen und den Klägerbevollmächtigten zugestellt worden ist. Soweit die
Frage sich in ihrer zweiten Alternative auf Widerrufsbescheide bezieht, die vor
dem 1. Januar 2005 ergangen sind, über die aber im erstinstanzlichen verwal-
tungsgerichtlichen Verfahren erst nach diesem Stichtag entschieden worden ist,
ist sie durch das Urteil des Senats vom 1. November 2005 (- BVerwG 1 C
21.04 - BVerwGE 124, 276) bereits rechtsgrundsätzlich entschieden. Danach
findet § 73 Abs. 2a AsylVfG auf vor dem 1. Januar 2005 ergangene Widerrufs-
entscheidungen keine Anwendung (a.a.O. Leitsatz 4 und S. 291 f.). Die Vor-
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schrift bezieht sich mit anderen Worten jedenfalls nicht auf Fälle, in denen das
Bundesamt bereits vor dem 1. Januar 2005 einen Widerrufsbescheid erlassen
hat. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Klageverfahren kommt
es danach nicht an. Dementsprechend ist das Berufungsgericht hier zutreffend
davon ausgegangen, dass die Vorschrift auf den hier angefochtenen Wider-
rufsbescheid nicht anwendbar ist. Einen weitergehenden Klärungsbedarf in die-
ser Frage zeigt die Beschwerde nicht auf.
2. Auch die zweite von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgewor-
fene Frage, welcher Prognosemaßstab bei der Feststellung anzuwenden ist,
dass dem betreffenden Flüchtling bei einer Rückkehr in sein Heimatland nun-
mehr auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht, insbesondere nicht
durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG, ist
inzwischen rechtsgrundsätzlich geklärt. Nach dem Urteil des Senats vom
18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungs-
sammlung BVerwGE vorgesehen, AuAS 2006, 246 Rn. 27 f.) ist, wenn einem
anerkannten Flüchtling im Falle des Widerrufs bei der Rückkehr in seinen Hei-
matstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und an-
dersartige Verfolgung droht, der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahr-
scheinlichkeit - und nicht wie die Beschwerde meint, der herabgestufte Progno-
semaßstab - anzuwenden (vgl. auch den Beschluss des Senats vom
19. Oktober 2006 - BVerwG 1 B 125.06 - zu einer entsprechenden Rüge der
Prozessbevollmächtigten des Klägers). Dass und inwiefern der Fall des Klägers
Anlass zu erneuter oder weitergehender Klärung der Frage in einem Revisions-
verfahren geben soll, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 30 RVG.
Eckertz-Höfer Beck Prof. Dr. Dörig
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