Urteil des BVerwG vom 29.01.2004

Rechtliches Gehör, Schweigen, Widerruf, Teilung

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BESCHLUSS
BVerwG 1 B 281.03
VGH 12 UE 2586/02.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Januar 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z – H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 8. September 2003 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig, weil weder die geltend gemachte grundsätzliche Be-
deutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch der behauptete Verfah-
rensfehler einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO,
Art. 103 Abs. 1 GG) in einer Weise dargelegt werden, die den Anforderungen des
§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entspricht.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
setzt voraus, dass eine bestimmte klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfra-
ge des revisiblen Rechts aufgezeigt wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde
nicht entnehmen. Die Beschwerde hält die "Frage der Auslegung und Reichweite
des Amnestiegesetzes Nr. 4616" der Türkei für klärungsbedürftig (Beschwerdebe-
gründung Ziffer 2, S. 3). Dabei handelt es sich um eine Frage der Auslegung und
Anwendung ausländischen Rechts, die einer Klärung im Revisionsverfahren nicht
zugänglich, sondern den Tatsachengerichten vorbehalten ist (stRspr, vgl. etwa Be-
schluss vom 11. August 1999 - BVerwG 9 B 19.99 - Buchholz 402.25 § 26 AsylVfG
Nr. 6 m.w.N.).
Die Beschwerde genügt auch nicht den Anforderungen an die ordnungsgemäße Rü-
ge einer Verletzung des Rechts des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103
Abs. 1 GG. Eine Gehörsverletzung sieht sie darin, dass das Berufungsgericht den
Vortrag des Klägers nicht zur Kenntnis genommen habe, dass er nach seiner Verur-
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teilung auf Bewährung durch ein türkisches Gericht wegen einer öffentlichen Kriegs-
dienstverweigerungsaktion "am 31.8.2002 erneut an einer gleichartigen öffentlichen,
den türkischen Behörden bekannt gewordenen Kriegsdienstverweigerungsaktion
teilgenommen" habe, die zu einem Widerruf der Bewährung führen könnte (Be-
schwerdebegründung Ziffer 1, S. 1 f.). Mit ihren Darlegungen zeigt die Beschwerde
jedoch keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs auf.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundes-
verfassungsgerichts ist grundsätzlich - und so auch hier - davon auszugehen, dass
die Gerichte das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwä-
gung gezogen haben; die Gerichte brauchen sich dabei nicht mit jedem Vorbringen
in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinander zu setzen. Aus einem
Schweigen der Urteilsgründe zu Einzelheiten des Prozessstoffs allein kann noch
nicht der Schluss gezogen werden, das Gericht habe diese nicht zur Kenntnis ge-
nommen und in Erwägung gezogen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann daher
nur dann festgestellt werden, wenn es sich aus den besonderen Umständen des Fal-
les deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen der Beteiligten nicht in
Erwägung gezogen hat (vgl. etwa Beschluss vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B
797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 unter Hinweis auf BVerfGE 96, 205
<216 f.>). Solche besonderen Umstände legt die Beschwerde nicht dar. Sie geht
nicht darauf ein, dass das Berufungsurteil den entsprechenden Vortrag des Klägers
sowohl im Tatbestand wiedergibt (UA S. 4 f.), als sich mit ihm auch in den Urteils-
gründen eingehend auseinander setzt (UA S. 66 f.). Insbesondere lässt sie die Ar-
gumentation des Gerichts unberücksichtigt, es sei weder vom Kläger substantiiert
dargetan noch sonst feststellbar, dass er sich mit der Aktion vom August 2002 straf-
bar gemacht habe oder ihm sonstige Verfolgungsmaßnahmen seitens türkischer Be-
hörden drohten. Dagegen spricht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs, dass
der Kläger bisher von Reaktionen auf seine inzwischen ein Jahr zurückliegende Ak-
tion nichts erfahren habe. Der Umstand, dass das Berufungsgericht das Vorbringen
des Klägers nicht ausdrücklich unter dem Gesichtspunkt des Widerrufs der Bewäh-
rung erörtert, ist insoweit ohne Bedeutung, zumal die Beschwerde nicht aufzeigt,
dass der Kläger selbst im berufungsgerichtlichen Verfahren auf einen Bewährungs-
widerruf abgestellt hat.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
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VwGO).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig