Urteil des BVerwG vom 25.11.2005

Behandlung, Verfahrensmangel, Kosovo, Beweisergebnis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 28.05
OVG 13 A 4512/03.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. November 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Dezember 2004 wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, die sich auf einen Verfahrensmangel stützt (§ 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO), bleibt ohne Erfolg.
Sie rügt als Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), das Berufungs-
gericht habe insofern eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, als es
einen zuvor nicht erörterten Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung ge-
macht und dem Rechtsstreit dadurch eine Wendung gegeben habe, mit dem die
Klägerin nicht habe rechnen müssen. Das Berufungsgericht sei einem Sachverstän-
digen-Gutachten gefolgt, in dem ausgeführt sei, aus "fachärztlicher Sicht (sei) eine
Behandlung erforderlich, die sich an den Leitlinien der Behandlung posttraumatischer
Störungen orientiert". Die Leitlinien forderten aber - dies belegt die Beschwerde mit
von ihr herangezogenen Literaturhinweisen - eine Behandlung durch hinreichend
qualifizierte Psychotherapeuten. Das Berufungsgericht habe demgegenüber ange-
nommen, eine posttraumatische Belastungsstörung könne auch durch Nicht-
Psychotherapeuten therapiert werden. Damit habe sich das Berufungsgericht in Wi-
derspruch gesetzt zum Sachverständigen-Gutachten und zum bis dahin erzielten
Beweisergebnis.
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Die Beschwerde legt schon nicht - wie für die Rüge einer unzulässigen Überra-
schungsentscheidung erforderlich - dar, inwiefern das Berufungsgericht einen zuvor
nicht erörterten Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und da-
mit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben haben soll, mit der die Klägerin nicht zu
rechnen brauchte. Die Frage, ob die psychische Erkrankung der Klägerin im Kosovo
ausreichend behandelt werden kann, war eine der zentralen Fragen der vom
Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung der Beklagten, zu der über das im
erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Gutachten vom 15. Juli 2003 hinaus zahlrei-
che sonstige sachverständige Stellungnahmen und Auskünfte eingeführt worden
sind. Angesichts dessen konnte und durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass
das Berufungsgericht den von der Beschwerde zitierten, aus dem Zusammenhang
gerissenen Passus aus dem Gutachten vom 15. Juli 2003 nur im Sinne der Be-
schwerde verstehen und ihm auch bei seiner Beweiswürdigung uneingeschränkt fol-
gen würde. Die Beschwerde verkennt insoweit auch, dass das Gericht grundsätzlich
nicht verpflichtet ist, die ihm obliegende abschließende Sachverhalts- und Beweis-
würdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (stRspr, etwa Beschluss vom
21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130 a VwGO Nr. 46). Sie
wendet sich mit ihrem Vorbringen in Wahrheit gegen die ihrer Ansicht nach unzutref-
fende Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, ohne damit einen Verfahrensmangel
aufzuzeigen und ohne der ausführlichen und differenzierten Darstellung der medizi-
nischen Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo durch das Berufungsgericht gerecht
zu werden.
Unabhängig davon kann die Beschwerde auch deshalb keinen Erfolg haben, weil sie
nicht, wie dies bei einer derartigen Gehörsrüge regelmäßig erforderlich ist, hinrei-
chend darlegt, was die Klägerin bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetra-
gen hätte, etwa welche Beweisanträge sie ergänzend gestellt hätte und inwieweit
dieser weitere Vortrag ihrer Klage hätte zum Erfolg verhelfen können (vgl. BVerwG,
Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26 und vom 13. Dezember 2002 - BVerwG 1 B 95.02 - Buchholz, a.a.O. Nr. 67).
Der pauschale Hinweis der Klägerin, sie hätte noch entsprechende Beweisangebote
unterbreitet, die es dem Berufungsgericht unmöglich gemacht hätten, seinen Stand-
punkt weiter zu vertreten, genügt diesen Anforderungen nicht.
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden ge-
mäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Eckertz-Höfer
Richter
Beck
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