Urteil des BVerwG vom 25.06.2004

Politische Verfolgung, Hausdurchsuchung, Hauptsache, Spende

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 269.03
OVG 15 A 2202/00.A
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Juni 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:
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Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 26. August 2003 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entschei-
dung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schluss-
entscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens
folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleuni-
gung wird die Sache gemäß § 136 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochte-
nen Urteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Beschwerde sieht einen Verfahrensverstoß durch Verletzung des rechtlichen
Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) zu Recht
darin, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers in der mündlichen Ver-
handlung vor dem Berufungsgericht vom 26. August 2003 teilweise nicht zur Kennt-
nis genommen und in Erwägung gezogen hat. Im Berufungsurteil (S. 8) werden die
Ausführungen des Klägers zu der nach seinen Angaben 1995 erfolgten Hausdurch-
suchung als "Spekulationen" bezeichnet. Nicht erwähnt wird das Vorbringen des
Klägers, dass bei der Hausdurchsuchung nach ihm gefragt worden sei, dass die Per-
son, die von ihm Geld bekommen habe, festgenommen worden sei und dass bei ihr
eine Quittung darüber gefunden worden sei, dass er - der Kläger - dieser Person
Geld gegeben habe (vgl. Beschwerdebegründung S. 7). Unter den besonderen Um-
ständen des vorliegenden Falles kann nicht davon ausgegangen werden, dass das
Berufungsgericht diesen entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers berücksich-
tigt hat. Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht unterstellt, dass ein Zusammen-
hang zwischen Spende und Hausdurchsuchung bestanden hat und ausführt, die
Spende könne, weil sie an einem der EMEP und TDKP Nahestehenden geleistet
worden sei, bloßer Anlass gewesen sein, beim Kläger nach verwertbarem Material
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gegen die verbotene TDKP zu suchen (BU S. 8). Dem Berufungsurteil ist nicht zu
entnehmen, inwiefern das in Rede stehende Vorbringen des Klägers nichts für das
Vorliegen einer politischen Verfolgung hergeben soll.
Hat demnach bereits die erwähnte Gehörsrüge Erfolg, kommt es nicht darauf an, ob
die übrigen Rügen zutreffen. Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin,
dass die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den auf S. 7 unten des Berufungsur-
teils erörterten "späteren Ereignissen" (d.h. nach "Haft mit Folter in den Jahren 1984
und 1991") nicht ausreichen, um eine politische Verfolgung insoweit zu verneinen. So
fehlt es an den erforderlichen näheren Feststellungen zu den dort erwähnten
kurzzeitigen Verhaftungen und "weitergehenden Folgen". Auch können die vom Klä-
ger geltend gemachten Ereignisse des in Rede stehenden Zeitraums nicht ohne wei-
teres "als Ausdruck legitimen staatlichen Selbstschutzes gegen verfassungsfeindli-
che Bestrebungen ohne den Charakter politischer Verfolgung, wie er auch in
Deutschland praktiziert wird", gewertet werden. Das Berufungsgericht wird insoweit
unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts (BVerfGE 80, 315 <336 ff.> und 81, 142 <149 ff.>) und des Bundesverwal-
tungsgerichts (Urteil vom 25. Juli 2000 - BVerwG 9 C 28.99 - BVerwGE 111, 334
<338 ff.>) in eine erneute Prüfung eintreten müssen.
Eckertz-Höfer
Dr. Mallmann
Hund