Urteil des BVerwG vom 03.06.2004, 1 B 225.03
Rechtliches Gehör, Abgrenzung, Erheblichkeit, Beratung
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 225.03 OVG 4 LB 183/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 3. Juni 2004 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und R i c h t e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 4. Juli 2003 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig, denn sie legt die allein geltend gemachten Verfahrensmängel nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend
dar.
Die Beschwerde rügt zunächst die Verletzung des Rechts des Klägers auf rechtliches
Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Die von ihm gestellten Anträge, "Beweis zu erheben
dazu, dass seine Erkrankung unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände
in der Türkei nicht zu behandeln sei", habe nicht zurückgewiesen werden dürfen. Die
Anträge seien trotz Nichteinhaltung der vom erstinstanzlichen Gericht gemäß § 87 b
VwGO gesetzten Frist u.a. deshalb nicht präkludiert gewesen, weil es insoweit an der
erforderlichen Ermessensausübung gefehlt habe. Unabhängig davon sei die
Beweiserhebung nicht aufgrund der bereits vorliegenden Erkenntnismittel überflüssig
gewesen.
Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Gehörsverletzung nicht in der gesetzlich gebotenen Weise auf. Es fehlt an der erforderlichen Darlegung der Tatsachen, aus denen sich der gerügte Verfahrensverstoß schlüssig ergibt. Die Beschwerde nimmt Bezug auf "gestellte Anträge", ohne deren genauen Inhalt und die Begründung mitzuteilen. Schon deshalb ist die Verfahrensrüge insoweit
nicht ordnungsgemäß erhoben (vgl. Beschluss vom 24. März 2000 - BVerwG 9 B
530.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 308). Soweit die Beschwerde - wie
sich aus ihren weiteren Darlegungen ergibt - offenbar auch den im erstinstanzlichen
Verfahren gestellten Beweisantrag einbezieht, macht sie im Übrigen nicht ersichtlich,
inwiefern es auf diesen ankommen soll.
Aber auch unabhängig hiervon und bei Unterstellung des Fehlens einer wirksamen
Präklusion macht die Beschwerde einen Gehörsverstoß nicht ersichtlich. Die Ablehnung des geltend gemachten Beweisantrags, dass die Erkrankung des Klägers in der
Türkei unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände nicht zu behandeln sei,
könnte dessen Anspruch auf rechtliches Gehör nur dann verletzen, wenn sie im
Prozessrecht keine Stütze fände. Dies zeigt die Beschwerde nicht auf. Liegen zur
Situation in einem Herkunftsland bereits Auskünfte bzw. sonstige Erkenntnismittel
vor, so steht es grundsätzlich im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es (weitere)
Auskünfte und Sachverständigengutachten einholt (vgl. etwa Beschluss vom 10. Juni
1999 - BVerwG 9 B 81.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302). Die Beschwerde macht nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht trotz seiner Bezugnahme auf die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen, die auf den von diesem verwerteten Erkenntnissen zum Gesundheits- und Sozialsystem in der Türkei
basieren, nicht über die notwendige Sachkunde verfügt hätte. Ohne Erfolg macht die
Beschwerde insoweit geltend, die Einschätzung der Erkenntnisquellen in erster
Instanz seien vor dem Hintergrund der fehlerhaften Annahme erfolgt, es müsse eine
"extreme Gefahrenlage" für den Kläger festgestellt werden, weil sich die ihn betreffende Gefährdung auf eine allgemeine Bevölkerungsgruppe beziehe. Das Berufungsgericht hat den vom Verwaltungsgericht verwendeten Maßstab indessen nicht
verkannt. Es war nicht gehindert, aufgrund der von ihm vorgenommenen Unterstellung, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG nicht
vorliegen (UA S. 9), auf die erwähnten erstinstanzlichen Feststellungen Bezug zu
nehmen.
Ohne Erfolg rügt die Beschwerde weiter einen Gehörsverstoß in Gestalt einer Überraschungsentscheidung. Mit dem Vorbringen, das unerwartete Offenlassen des Problems der Abgrenzung zwischen § 53 Abs. 6 Satz 1 und § 53 Abs. 6 Satz 2 VwGO,
wegen dessen die Berufung zugelassen worden sei, habe dem Kläger die Chance
genommen, in eine gezielte Richtung zu argumentieren und ggf. weitere Beweise
anzubieten, zeigt die Beschwerde die Erheblichkeit der angeblichen Gehörsverletzung nicht schlüssig auf. Unabhängig davon macht die Beschwerde das Erfordernis
eines entsprechenden Hinweises nach § 86 Abs. 3 VwGO nicht ersichtlich. Dadurch
wird dem Gericht keine umfassende Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte abverlangt. Insbesondere muss das Gericht die Beteiligten
grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr des
BVerwG, vgl. etwa Beschluss vom 10. Dezember 1998 - BVerwG 9 B 55.98 - und
Urteil vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 87).
Die Beschwerde macht schließlich geltend, ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liege darin, dass trotz der eine sehr schwere
Erkrankung des Klägers nahe legenden "Aussage" des Kreiskrankenhauses R. vom
21. März 2003 nicht weiter ermittelt worden sei. Ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz wird damit nicht schlüssig aufgezeigt. Soweit ein Verstoß gegen die
Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) gemeint sein sollte, werden deren Voraussetzungen nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Richter
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5 C 19.11 vom 10.01.2013
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