Urteil des BVerwG vom 16.06.2004

Abschiebung, Syrien, Staat, Androhung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 222.03 (1 PKH 70.03)
OVG 3 S 389/99
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Juni 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Beschwerdever-
fahren wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des
Landes Sachsen-Anhalt vom 21. Juli 2003 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m.
§ 114 ZPO).
Die Beschwerde ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der
Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargetan.
Gegenstand der Beschwerde ist nur die vom Bundesamt für die Anerkennung aus-
ländischer Flüchtlinge (Bundesamt) in Ziff. 4 des Bescheides vom 10. Juni 1998 ver-
fügte Abschiebungsandrohung, soweit darin Syrien als Zielstaat einer Abschiebung
des Klägers bezeichnet ist. Nur insoweit begehrt der Kläger die Zulassung der Revi-
sion und macht geltend, die Berufungsentscheidung weiche von dem Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2003 - BVerwG 1 C 21.02 - (BVerwGE 118, 308
= NVwZ 2004, 352) ab. Danach könne die Androhung der Abschiebung in einen be-
stimmten Zielstaat (hier: Syrien) dann ohne Prüfung von Abschiebungshindernissen
nach § 53 AuslG aufgehoben werden, wenn bereits aufgrund der Entscheidung über
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das Asylbegehren zweifelsfrei feststehe, dass eine zwangsweise Abschiebung und
eine freiwillige Ausreise in diesen Zielstaat auf absehbare Zeit ausgeschlossen sei.
Dies sei bei dem Kläger, der zweifelsfrei nicht registrierter Kurde aus Syrien sei und
somit die syrische Staatsangehörigkeit nicht besitze, der Fall. Das Berufungsgericht
hätte deshalb die Androhung der Abschiebung in den Zielstaat Syrien aufheben
müssen.
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann ordnungsgemäß dargelegt,
wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die Berufungsentscheidung tra-
genden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem das Berufungsgericht einem in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten ebensolchen Rechtssatz wider-
sprochen hat. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde benennt zwar den Leitsatz des
von ihr zitierten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (wobei es richtigerweise statt
"auf absehbare Zeit" heißen muss: "auf unabsehbare Zeit"), zeigt aber nicht auf,
welchen hiervon abweichenden Rechtssatz das Berufungsgericht in seiner Entschei-
dung aufgestellt haben soll. Sie bemängelt lediglich, dass das Berufungsgericht den
Fall des Klägers im Ergebnis anders entschieden habe als das Bundesverwaltungs-
gericht den dem zitierten Urteil zugrunde liegenden Fall, ohne einen Rechtssatzwi-
derspruch aufzuzeigen. Dies genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Abgesehen davon liegt ein solcher Rechtssatzwiderspruch auch in der Sache nicht
vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem genannten Urteil nicht, wie die Be-
schwerde offenbar meint, den Rechtssatz aufgestellt, dass eine Abschiebungsan-
drohung nach Syrien für aus Syrien stammende staatenlose Kurden bei Unmöglich-
keit der Rückkehr generell rechtswidrig sei. Es hat vielmehr nur entschieden, dass
das Gericht dann, wenn es das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53
(oder § 51) AuslG hinsichtlich eines bestimmten Zielstaates in der Sache nicht ge-
prüft habe - etwa weil es eine Rückkehr in diesen Staat als auf unabsehbare Zeit
ausgeschlossen angesehen habe -, die Abschiebungsandrohung hinsichtlich dieses
Staates nicht als rechtmäßig bestätigen dürfe (BVerwG a.a.O. S. 310). Einen hiervon
abweichenden Rechtssatz hat das Berufungsgericht weder ausdrücklich noch kon-
kludent aufgestellt. Da es das Vorliegen von Abschiebungshindernissen bezüglich
Syriens nach § 51 und § 53 AuslG in der Sache geprüft und verneint hat (BA S. 6
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bis 24), konnte und musste sich dem Berufungsgericht die im Urteil des Bundesver-
waltungsgerichts entschiedene Frage gar nicht stellen. Im Übrigen hat das Beru-
fungsgericht - anders als in dem dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugrun-
de liegenden Fall - auch weder im Rahmen der Prüfung des Asylbegehrens noch an
anderer Stelle festgestellt, dass eine zwangsweise Abschiebung und eine freiwillige
Ausreise nach Syrien für den Kläger auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen wären.
Es hat im Gegenteil ausdrücklich ausgeführt, dass nach seiner Einschätzung zumin-
dest in Ausnahmefällen eine Wiedereinreisemöglichkeit nicht völlig ausgeschlossen
ist (BA S. 24). Auch insoweit ist der Fall des Klägers deshalb nicht mit dem vom Bun-
desverwaltungsgericht entschiedenen Fall vergleichbar. Unabhängig davon wird dar-
auf hingewiesen, dass - wie auch in dem genannten Urteil des Bundesverwal-
tungsgericht ausgeführt - die Unmöglichkeit einer Abschiebung in einen bestimmten
Staat aus tatsächlichen Gründen die Androhung einer Abschiebung in diesen Staat in
aller Regel nicht hindert und das Bundesamt nicht gehalten ist, von dem Erlass einer
Abschiebungsandrohung schon deshalb abzusehen, weil eine Abschiebung in diesen
Staat aus tatsächlichen Gründen auf unabsehbare Zeit nicht möglich ist (BVerwG
a.a.O. S. 310 oben).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden ge-
mäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach
§ 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer
Beck
Prof. Dr. Dörig