Urteil des BVerwG vom 30.06.2004

Rechtliches Gehör, Hauptsache, Folter, Hund

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 221.03 (1 PKH 69.03)
OVG 4 LB 19/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juni 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:
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Dem Kläger wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskosten-
hilfe bewilligt und Rechtsanwalt ..., Kiel, zur Vertretung beige-
ordnet.
Der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungs-
gerichts vom 18. Juni 2003 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entschei-
dung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt der Schluss-
entscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens
folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
G r ü n d e :
Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 166
VwGO, §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleuni-
gung wird die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochte-
nen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Beschwerde rügt im Ergebnis zu Recht einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2
Nr. 3 VwGO) in Gestalt einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches
Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Der damalige Bevollmächtigte des
Klägers hatte zur Begründung der Berufung unter Bezugnahme auf seinen Schrift-
satz vom 6. Februar 2003 auf zwei stattgebende Entscheidungen des Bundesamtes
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als Referenzfälle verwiesen, in denen
es ebenfalls um den Vorwurf einer Tätigkeit für die Hizbollah gegangen sei. Dieses
Vorbringen wird in dem angegriffenen Beschluss weder im Tatbestand noch in den
Entscheidungsgründen erwähnt. Unter den besonderen Umständen des vorliegen-
den Falles ist daher davon auszugehen, dass das Berufungsgericht diesen - aus der
Sicht des Klägers im Hinblick auf die vom Berufungsgericht übernommene erst-
instanzliche Begründung fehlender Referenzfälle entscheidungserheblichen - Vortrag
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des Klägers nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen und damit
dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Dagegen hat die Aufklärungsrüge keinen Erfolg, da der Kläger im Berufungsverfah-
ren - auch nach dem Hinweis des Berufungsgerichts vom 22. April 2003, dass eine
Entscheidung nach § 130 a VwGO beabsichtigt sei -, nicht auf die nunmehr vermiss-
te Aufklärung hingewirkt hat.
Der Senat weist für das weitere Verfahren darauf hin, dass das Berufungsgericht zu
den angedeuteten Glaubwürdigkeitszweifeln (vgl. BA S. 5) die im erstinstanzlichen
Verfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 10. Dezember 2002 be-
rücksichtigen muss, derzufolge der Kläger in der Türkei zur Fahndung ausgeschrie-
ben ist. Im Übrigen wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, sich mit den von
der Beschwerde neu benannten Erkenntnismitteln, die nach deren Angaben Folter
und Misshandlungen in vergleichbaren Fällen zum Gegenstand haben, zu befassen.
Eckertz-Höfer
Dr. Mallmann
Hund