Urteil des BVerwG vom 16.02.2004

Libanon, Rechtswidrigkeit, Integration, Sozialhilfe

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 215.03
OVG 11 LB 35/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:
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Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungs-
gerichts vom 20. Mai 2003 wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der Di-
vergenz und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1
und 2 VwGO) sind nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO entsprechend dargetan.
Die Beschwerde rügt zunächst eine Abweichung von einer Entscheidung des Bun-
desverwaltungsgerichts. Sie macht insoweit geltend, das Berufungsurteil weiche ab
von der Entscheidung vom 22. September 1993 - BVerwG 2 C 34.91 - (Buchholz 316
§ 48 VwVfG Nr. 78 = DVBl 1994, 115). Nach dieser Entscheidung setze der
Ausschluss des Vertrauensgrundsatzes gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG vor-
aus, dass der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts gekannt habe
oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe; nicht ausreichend seien
Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Umstände, die zur Rechtswidrigkeit
des Verwaltungsakts geführt hätten. Maßgeblich sei hier, dass den Klägern aufgrund
des Erlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 18. Oktober 1990 eine
Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden sei, weil sie Kurden aus dem Libanon gewe-
sen seien und seinerzeit eine anderweitige Staatsangehörigkeit nicht ersichtlich ge-
wesen sei. Entgegen der Zielsetzung dieses Erlasses verneine das Berufungsgericht
dessen Anwendung mit der Begründung, durch den Erlass habe einzig eine Sicher-
heit geschaffen werden sollen, die Kläger vor einer Rückführung in den Libanon
dauerhaft zu schützen. Selbst wenn man mit dem Berufungsgericht annähme, die
Kläger hätten seinerzeit rechtswidrig eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, fehle es
an den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG "für einen heutigen Wi-
derruf".
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Damit ist eine die Revision eröffnende Divergenz nicht schlüssig dargetan. Eine der-
artige Divergenz setzt voraus, dass das Berufungsgericht in einer die Entscheidung
tragenden abstrakten Rechtsfrage bei Anwendung derselben Rechtsvorschrift eine
andere Auffassung vertreten hat als eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genann-
ten Gerichte. Eine derartige rechtssatzmäßige Abweichung zeigt die Beschwerde
nicht auf. Sie bezeichnet keinen Rechtssatz, mit dem das Berufungsgericht von dem
in dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz
abgewichen sein soll. Die Beschwerde macht außerdem nicht ersichtlich, inwiefern
der von ihr angeführte, in diesem Urteil zu § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG enthalte-
ne, Rechtssatz für den vorliegenden Rechtsstreit, in dem es um die Verlängerung der
Aufenthaltsbefugnis der Kläger und um ihre Ausweisung geht, erheblich sein soll.
Auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache wird nicht
den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Die Be-
schwerde wirft u.a. die Frage auf, ob "fehlende wirtschaftliche und gesellschaftspoli-
tische Integration vor(liegt), weil die Betroffenen nach wie vor von Sozialhilfe abhän-
gig sind und eine Hochzeit einzig nach islamischem Recht vollzogen haben". Sie
macht nicht ersichtlich, dass und inwiefern diese Frage über den vorliegenden Ein-
zelfall hinaus einer r e c h t s grundsätzlichen Klärung bedarf. Die Beschwerde
wendet sich damit und mit den weiteren Fragen (unter 2 der Beschwerdebegrün-
dung) in Wahrheit im Gewande der Grundsatzrüge lediglich gegen die tatsächliche
und rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts im vorliegenden Einzelfall, ohne
eine bestimmte entscheidungserhebliche Frage des revisiblen Rechts herauszuar-
beiten, die in dem angestrebten Revisionsverfahren fallübergreifend geklärt werden
könnte. Damit kann sie die Zulassung der Revision nicht erreichen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Hund