Urteil des BVerwG vom 25.01.2003, 1 B 215.02
Verbrauch, Krankheit, Ermessen, Anschlussberufung
B U N D E S V E R W A L T U N G S G E R I C H T
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 215.02 OVG 8 LB 11/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 25. Januar 2003 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgericht E c k e r t z - H ö f e r , den Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. April 2002 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht in einer Weise
dargetan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO
genügt.
Die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht
durch Beschluss nach § 130 a VwGO entscheiden dürfen, da das
Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden habe; der Kläger, ein jugoslawischer
Staatsangehöriger aus dem Kosovo, habe zwar im erstinstanzlichen Verfahren einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
gemäß § 101 Abs. 2 VwGO zugestimmt; diese Zustimmung sei aber
"verbraucht" gewesen, als das Verwaltungsgericht Jahre später
der Klage wegen der Gefahr einer Gruppenverfolgung der albanischen Volkszugehörigen stattgegeben habe, da sich das Gericht
hierbei auf neue, nach der Zustimmungserklärung beigezogene
Erkenntnismittel gestützt habe. Es trifft zwar zu, dass ein
Berufungsgericht nicht im Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO
entscheiden darf, wenn das Verwaltungsgericht verfahrensfeh-
lerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (vgl. z.B.
Beschluss vom 8. April 1998 - BVerwG 8 B 218.97 - Buchholz 340
§ 15 VwZG Nr. 4 m.w.N.). Die Beschwerde legt jedoch bereits
nicht schlüssig dar, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren
des Klägers trotz dessen Zustimmung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO
unter Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs und damit
verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden
hat. So geht die Beschwerde insbesondere nicht näher darauf
ein, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gehörsverstoß zu
Lasten eines Klägers angenommen werden kann, dessen Klage das
Gericht in vollem Umfang stattgibt. Die Beschwerde geht ferner
nicht darauf ein, ob ein Gericht den "Verbrauch" einer Prozesserklärung von sich aus berücksichtigen muss, wenn der Verfahrensbeteiligte seine Erklärung in keiner Weise einschränkt
bzw. auf eine geänderte Verfahrenssituation hinweist. All dies
bedarf keiner weiteren Erörterung. Denn der Kläger hat auch im
Berufungsverfahren mit keinem Wort auf einen "Verbrauch" seiner Zustimmungserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO und damit auf
eine (mögliche) fehlerhafte Verfahrensweise des Verwaltungsgerichts hingewiesen. Unter diesen Umständen ist es ihm, auch
wenn ein Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts anzunehmen
wäre, verwehrt, aus den von ihm genannten Gründen eine Verletzung seines Rechts auf Durchführung einer Berufungsverhandlung
zu rügen.
Die Beschwerde macht außerdem geltend, das Berufungsgericht
habe auch deshalb nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden
dürfen, weil sich hinsichtlich der Frage von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 Abs. 6 AuslG der Streitgegenstand wesentlich geändert habe; der Kläger habe sich erstmals im Berufungsverfahren auf Krankheiten bezogen; ihm hätte deshalb die
Möglichkeit eingeräumt werden müssen, in einer mündlichen Verhandlung zu den neuen Umständen Stellung zu nehmen. Damit ist
eine Gehörsverletzung ebenfalls nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Die Beschwerde verweist in diesem Zusammenhang auf eine
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die - von anderem
abgesehen - eine nicht vergleichbare Verfahrenskonstellation
betrifft. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung
das Beschlussverfahren nach § 130 a VwGO für den Fall ausgeschlossen, dass sich im Berufungsverfahren der Streitgegenstand durch eine mittels Anschlussberufung des Klägers erfolgte Klageänderung wesentlich geändert hat (Beschluss vom
10. September 1998 - BVerwG 8 B 102.98 - Buchholz 401.9 Nr. 40
m.w.N.). Über diese Bezugnahme hinaus legt die Beschwerde
nicht dar, aus welchen Gründen das dem Berufungsgericht im
Rahmen von § 130 a VwGO zustehende Ermessen in der Weise eingeschränkt gewesen sein soll, dass es von der Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss hätte absehen müssen. Für eine derartige Einschränkung ist auch sonst nichts ersichtlich.
Das Berufungsgericht hatte den Kläger - vor der Anhörungsmitteilung gemäß § 130 a VwGO - ausdrücklich aufgefordert, ein
aktuelles und detailliertes ärztliches Attest vorzulegen,
falls er derzeit an einer behandlungsbedürftigen Krankheit
leide. Der Kläger hat weder auf diese Aufforderung noch auf
die Anhörungsmitteilung reagiert. Er hat daher nichts vorgebracht, was dem Berufungsgericht hätte Anlass geben können,
eine mündliche Verhandlung durchzuführen, um dort mögliche Erkrankungen des Klägers im Zusammenhang mit der Frage von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG zu erörtern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der
Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Richter Beck
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