Urteil des BVerwG vom 04.04.2003

Gefahr, Pauschal, Europa, Aufenthalt

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BESCHLUSS
BVerwG 1 B 214.02
VGH 5 UE 3571/96.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r , den Richter am Bundes-
verwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
13. Februar 2002 wird verworfen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwer-
deverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig. Die behaupteten Verfahrensmän-
gel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht in einer Weise darge-
tan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ent-
spricht.
Die Beschwerde rügt zunächst, das Berufungsgericht habe bei
der Frage längerfristiger Inhaftierungen tamilischer Volkszu-
gehöriger im Großraum Colombo seine Pflicht zur Sachaufklärung
verletzt (§ 86 VwGO). Es sei davon ausgegangen, dass es zu
derartigen Inhaftierungen komme, wenn die Polizei "aufgrund
der Gesamtumstände" der festen Überzeugung sei, dass ein Ver-
dächtiger in terroristische Aktivitäten der LTTE verwickelt
sei bzw. Mitverantwortung hieran trage. Inhaftierungen von
mehr als nur kurzer Dauer erschienen auch bereits "bei gerin-
gen Verdachtsmomenten" gerechtfertigt, wenn die Intensität der
abzuwendenden Gefahr neuer Anschläge durch die LTTE sehr groß
sei. Die Bezeichnungen "Gesamtumstände" und "geringe Ver-
dachtsmomente" seien "nebulös" und "schwammig". Das Berufungs-
gericht hätte den maßgeblichen Sachverhalt weiter aufklären
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müssen, um darlegen zu können, welche "Gesamtumstände" und
welche "Verdachtsmomente" gemeint seien bzw. vorliegen müss-
ten, um asylrechtlich relevant oder irrelevant zu sein. Die
Beschwerde legt nicht hinreichend dar, dass einem möglichen
Aufklärungsmangel entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt
und die Berufungsentscheidung daher auf einem etwaigen Verstoß
des Berufungsgerichts gegen die Sachaufklärungspflicht beruhen
kann. Das Berufungsgericht, das die von der Beschwerde ange-
sprochene Frage längerfristiger Inhaftierungen im Zusammenhang
mit dem Aspekt einer gruppengerichteten Verfolgung von Tamilen
untersucht hat (vgl. UA S. 14 und 31 f.), hat die Gefahr einer
derartigen Gruppenverfolgung verneint, da die notwendige Dich-
te von Verfolgungshandlungen nicht erreicht werde (UA S. 54).
Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass sich Rückkehrer nach
längerem Aufenthalt in Europa - wie der Beigeladene - in einer
vergleichbaren Gefährdungssituation befänden (UA S. 55, 56,
58, 62, 63, 64 und 65). Die Aufklärungsrüge geht damit von
vornherein ins Leere. Unter diesen Umständen kommt es nicht
darauf an, dass die Beschwerde auch sonst die Anforderungen an
eine ordnungsgemäße Aufklärungsrüge in mehrfacher Hinsicht
verfehlt (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B
261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
Entsprechendes gilt für die Gehörsrüge (§ 108 Abs. 2 VwGO,
Art. 103 Abs. 1 GG). Die Beschwerde macht nicht deutlich, auf
welche Weise das Berufungsgericht den Anspruch des Beigelade-
nen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt haben soll. Sie
führt lediglich pauschal aus, der Beigeladene habe nicht davon
ausgehen müssen, dass das Berufungsgericht derart "schwammige"
und "unbestimmte" Begriffe zur Grundlage seiner Entscheidung
mache. Vor allem im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts hätte das Berufungsgericht eine Prüfung
anhand der dort aufgestellten Maßstäbe vornehmen müssen. Damit
ist ein Gehörsverstoß nicht schlüssig dargetan. Auch in diesem
Zusammenhang fehlt es, von allem anderen abgesehen, an einer
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substanziierten Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der
behaupteten Gehörsverletzung. Im Übrigen könnte die Beschwerde
gegen eine "Nichtbeachtung" höchstrichterlicher Rechtsprechung
durch das Berufungsgericht grundsätzlich nicht mit der Gehörs-
rüge, sondern lediglich mit der Divergenzrüge vorgehen.
In Wahrheit wendet sich die Beschwerde gegen die ihrer Ansicht
nach unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Beru-
fungsgerichts und rügt damit einen Verstoß gegen die Grundsät-
ze richterlicher Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO). Da-
mit macht sie keinen Verfahrensfehler, sondern eine Verletzung
des materiellen Rechts geltend, die nicht zur Zulassung der
Revision wegen eines Verfahrensmangels führen kann (vgl. dazu
BVerwG, Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 -
Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Dass die Voraussetzungen ge-
geben sein könnten, unter denen ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1
Satz 1 VwGO ausnahmsweise als Verfahrensfehler anzusehen sein
kann, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichts-
kosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der
Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Richter Beck