Urteil des BVerwG vom 10.05.2005

Familie, Behandlung, Trennung, Abschiebung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 184.04
OVG 2 R 25/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Mai 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 8. September 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, die sich auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
stützt, bleibt ohne Erfolg.
Sie rügt, das Berufungsgericht habe wesentliches Vorbringen der Klägerinnen zu
ihren Erkrankungen nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und in
Erwägung gezogen und damit ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs
verletzt (§ 138 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG). Die Beschwer-
de beanstandet sinngemäß, das Berufungsgericht habe die psychischen Störungen
der Klägerinnen nicht hinreichend unter dem Aspekt zielstaatsbezogener Abschie-
bungshindernisse gewürdigt (Trennung von der Familie, Erforderlichkeit einer psy-
chotherapeutischen Behandlung). Dieser Vorwurf der Gehörsverletzung trifft nicht zu.
Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Klägerinnen zu ihren psychischen Stö-
rungen und die Erwiderung der Beklagten hierauf im Tatbestand seiner Entscheidung
ausdrücklich wiedergegeben (UA S. 7, 9 und 10). Es hat sich auch im Rahmen seiner
rechtlichen Würdigung damit im Einzelnen auseinander gesetzt (UA S. 20 bis 24).
Dies gilt zunächst für die Frage einer psychotherapeutischen Behandlung. Das
Berufungsgericht hat hierzu u.a. ausgeführt, eine derartige Behandlung sei, so-
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fern tatsächlich erforderlich, in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über
eine Abteilung für Psychiatrie verfügen (UA S. 23 f.). Hierauf geht die Beschwerde
nicht ein.
Soweit die Beschwerde die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den gesundheitli-
chen Auswirkungen angreift, die sich bei einer Abschiebung der Klägerinnen durch
die Trennung von ihrer Familie ergeben können, macht sie in Wahrheit keinen Ver-
fahrensfehler, sondern eine aus ihrer Sicht unzutreffende Rechtsanwendung geltend.
Für die Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von der materiellrechtlichen
Auffassung des Berufungsgerichts auszugehen, auch wenn diese fehlerhaft sein
sollte (vgl. etwa Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz
424.5 Nr. 1 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat die Trennung der Klägerinnen von
ihrer Familie, die mit einer Abschiebung verbunden wäre, und die sich daraus
ergebenden gesundheitlichen Gefahren nicht als zielstaatsbezogenes Abschie-
bungshindernis, sondern als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis beurteilt, das
nicht vom Bundesamt, sondern von der zuständigen Ausländerbehörde zu beachten
ist. Dies entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts (so genannte trennungsbedingte mittelbare Gefahren im Abschiebezielstaat;
vgl. Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - ; Urteil vom 21. Sep-
tember 1999 - BVerwG 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 <308 ff.> m.w.N.). Auch hier-
auf geht die Beschwerde nicht näher ein.
Soweit die Beschwerde Verhöre und Kontrollen in der Türkei anspricht, macht sie
nicht ersichtlich, ob und gegebenenfalls mit welcher Begründung sie auch in diesem
Zusammenhang eine Gehörsverletzung geltend machen will. Sie legt auch nicht dar,
ob und was die Klägerinnen im gerichtlichen Verfahren hierzu vorgebracht haben. Of-
fenbar lassen sich Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen den Kontrollen und
den psychischen Problemen der Klägerinnen lediglich den psychologischen Stel-
lungnahmen vom 2. September 2004 entnehmen, die die Beschwerde zitiert und in
denen die Kontrollen als "auslösende Ereignisse" für die Traumatisierung der Kläge-
rinnen erwähnt werden. Die Beschwerde lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen
es sich in diesem Zusammenhang um (künftige) zielstaatsbezogene Abschiebungs-
hindernisse handeln soll. Mit der bloßen Bezugnahme auf die psychologischen Stel-
lungnahmen ist eine Gehörsverletzung jedenfalls nicht substanziiert dargetan.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden ge-
mäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1
RVG.
Eckertz-Höfer Richter Beck