Urteil des BVerwG vom 05.02.2002

Ermessen, Unterdrückung, Beweisantrag, Gefährdung

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BESCHLUSS
BVerwG 1 B 18.02
VGH 9 B 98.35688
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Beschluss des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
17. Oktober 2001 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerde-
verfahrens.
G r ü n d e :
Die auf Divergenz und einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2
Nr. 2, 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig, da sie die
Revisionszulassungsgründe nicht den Anforderungen des § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend darlegt.
Die Beschwerde beanstandet, dass das Berufungsgericht dem vom
Kläger im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO
schriftlich gestellten Beweisantrag, Auskünfte sachkundiger
Stellen nach Auswahl des Gerichts zum Beweis der Tatsache ein-
zuholen, dass die Unterdrückung von Oppositionsparteien seit
April 2001 in Äthiopien massiv zugenommen habe und dass davon
auch Rückkehrer aus dem Ausland betroffen seien, verfahrens-
fehlerhaft nicht nachgekommen sei. Sein Beweisbegehren hat der
Kläger damit begründet, dass am 18. April 2001 eine Demonstra-
tion von Regierungsgegnern in Addis Abeba blutig niederge-
schlagen worden sei und dabei mindestens 41 Personen durch ge-
zielte Schüsse von Polizei und Militär getötet, über 300 Men-
schen verletzt und 40 Oppositionelle verhaftet worden seien.
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Angesichts dieser massiven Unterdrückung der politischen Oppo-
sition in Äthiopien müssten auch aus Deutschland zurückkehren-
de Äthiopier, die hier in herausgehobener Weise exilpolitisch
tätig gewesen seien, mit Verfolgung, Verhaftung und Ermordung
rechnen.
Das Berufungsgericht hat hierzu in dem angefochtenen Beschluss
unter Berufung auf mehrere über diese Geschehnisse berichtende
Presseartikel ausgeführt, die massiven Polizeieinsätze am
17. und 18. April 2001 seien auf Studentendemonstrationen zu-
rückzuführen, die keinesfalls friedlich gewesen seien, sondern
sich zu gewalttätigen Ausschreitungen randalierender Jugendli-
cher entwickelt hätten, infolge dessen ca. 90 Häuser beschä-
digt, ca. 100 Autos verbrannt und zahlreiche Geschäfte geplün-
dert worden seien. Jedenfalls bestehe aufgrund dieser Vorkomm-
nisse keine Veranlassung, die Gefährdung zurückkehrender Mit-
glieder exilpolitischer Organisationen nunmehr grundsätzlich
anders als bisher zu beurteilen. Der Beweisantrag des Klägers
werde daher abgelehnt (BA S. 10). Diese Beweisablehnung findet
nach Auffassung der Beschwerde keine Stütze im Gesetz und ver-
letze daher den Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung recht-
lichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts steht es im tatrichterlichen Ermessen des Berufungsge-
richts (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 ZPO in entsprechender Anwen-
dung), ob es ein (weiteres) Sachverständigengutachten einholt
oder dies insbesondere im Hinblick auf vorliegende Erkenntnis-
mittel oder eine sonst vorhandene eigene Sachkunde ablehnt.
Das Tatsachengericht muss seine Entscheidung allerdings für
die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar
begründen und gegebenenfalls angeben, woher es seine Sachkunde
hat (vgl. Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 -
Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60; Beschluss vom 27. Januar 2000
- BVerwG 9 B 613.99 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 228; Be-
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schluss vom 11. Februar 1999 - BVerwG 9 B 381.98 - Buchholz
310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 42).
Das Berufungsgericht hat sich in dem angefochtenen Beschluss
zur Beurteilung der Ereignisse in Äthiopien auf Angaben aus
den Presseberichten neueren Datums gestützt. Die Beschwerde
legt nicht näher dar, weshalb das Berufungsgericht damit sein
Ermessen bei der Entscheidung über die Einholung der beantrag-
ten Sachverständigenauskunft fehlerhaft ausgeübt haben soll.
Auch Presseberichte sind Erkenntnismittel, die Auskunft über
die politische Lage in einem Land geben können. Ob Pressebe-
richte über aktuelle Ereignisse vor dem Hintergrund vorhande-
ner anderer Erkenntnismittel und eines zur Lage in diesem Land
kontinuierlich erarbeiteten Informationsstandes des Gerichts
für die tatrichterliche Bewertung dieser Geschehnisse genügen
oder ob zusätzliche Sachverständigengutachten eingeholt werden
müssen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Be-
schwerde zeigt nicht substantiiert auf, weshalb die Pressebe-
richte über die Ereignisse vom April 2001 dem zur Lage in
Äthiopien durch die in das Verfahren eingeführten übrigen Er-
kenntnismittel allgemein sachkundigen Senat keine hinreichend
verlässliche Gefährdungsprognose hätten erlauben sollen und
welche weitergehenden Erkenntisse durch das vermisste Sachver-
ständigengutachten zu erwarten gewesen wären. Der allgemein
gehaltene Einwand, Zeitungsberichte könnten Auskünfte sachkun-
diger Stellen nicht ersetzen (Beschwerdebegründung S. 3) und
die Ablehnung eines Beweisantrages nur deshalb, weil Zeitungs-
berichte angeblich das Gegenteil der behaupteten Beweistatsa-
che bewiesen, sei vom Gesetz und der Rechtsprechung nicht ge-
deckt (S. 4), genügt danach nicht zur ausreichenden Darlegung
des behaupteten Verfahrensmangels.
Sofern der Hinweis der Beschwerde, die Begründung im angefoch-
tenen Beschluss, es gebe "kaum Anhaltspunkte" für einen Polit-
malus im Zuge von Maßnahmen zur Verhinderung oder Ahndung von
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Straftaten, weshalb diesen offenbar doch vorhandenen Anhalts-
punkten hätte nachgegangen werden müssen (Beschwerdebegründung
S. 4), als Rüge eines Verstoßes gegen die gerichtliche Sach-
aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu verstehen sein soll-
te, wäre auch diese Verfahrensrüge nicht hinreichend begründet
(zu den Darlegungsanforderungen hierfür vgl. Beschluss vom
19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Insbesondere zeigt die Be-
schwerde nicht auf, welche konkreten Aufklärungsmaßnahmen mit
welchem zu erwartenden Ergebnis sich dem Berufungsgericht
hierzu auch ohne einen entsprechenden Beweisantrags des Klä-
gers im Berufungsverfahren hätten aufdrängen müssen.
Die von der Beschwerde geltend gemachte Divergenz des ange-
fochtenen Beschlusses zu der Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 20. Januar 1982 - BVerwG 9 B 10624.81 - ist
schon deshalb nicht ausreichend dargelegt, weil dieser Be-
schluss nach dem eigenen Vortrag der Beschwerde lediglich Aus-
sagen über die zulässige Ablehnung eines Beweisantrags ent-
hält, während es im Fall des Klägers vor dem Berufungsgericht
um die Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines Sachver-
ständigengutachtens gegangen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichts-
kosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der
Gegenstandswert bestimmt sich nach § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Dr. Eichberger