Urteil des BVerwG vom 24.02.2005

Behandlung, Rüge, Tod, Anschluss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 177.04
OVG A 5 B 441/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Februar 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungs-
gerichts vom 1. September 2004 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2
Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde ist unzulässig.
Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zu-
lassungsgründe aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
"ob eine extreme Gefahrenlage im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG selbst
bei Feststellung eines beträchtlichen Risikos für aus Europa zurückkehrende
kongolesische Asylbewerber, aufgrund verlorenen oder gar nicht erst erwor-
benen Immunschutzes an Malaria zu erkranken, unter Hinweis darauf versagt
werden kann,
dass 1. die Kosten für die notwendigen Medikamente zur Behandlung einer
Malaria-Erkrankung vom Rückkehrer aufgebracht werden können oder bei ab-
soluter Mittellosigkeit von anderen Stellen aus ethischen Gründen zur Verfü-
gung gestellt werden,
und 2. dass selbst in den Fällen, in denen eine Malaria nicht sofort erkannt
wird, der schwere Verlauf innerhalb kürzester Zeit zwar eintreten kann, aber
nicht muss, wobei von diesen schweren Erkrankungsfällen ca. jeder vierte töd-
lich verläuft,
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und 3. dass es letztlich im Verantwortungsbereich der Rückkehrer liege, bei
einer notwendigen Behandlung darauf hinzuweisen, dass ein Semi-Schutz
nicht mehr vorhanden bzw. noch nicht erworben ist."
Die Beschwerde macht hierzu geltend, das Oberverwaltungsgericht bejahe "fälschli-
cherweise die aufgeworfenen Fragen". Hätte es sie "zu Recht verneint, hätte es die
Berufung zurückweisen müssen". Dabei verkenne das Berufungsgericht "den Prü-
fungsmaßstab, den es bei der Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG zugrunde zu legen"
habe (Beschwerdebegründung S. 2).
Mit diesen Ausführungen wird eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des
revisiblen Rechts nicht aufgezeigt. Das hat der Senat zu einer entsprechenden Rüge
des Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits ausgeführt (vgl. Beschluss vom
14. Februar 2003 - BVerwG 1 B 273.02 -); hierauf wird Bezug genommen. Insbeson-
dere ist danach in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsgrund-
sätzlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen allgemein Abschiebungsschutz bei
einer extremen allgemeinen Gefahrenlage gewährt werden kann; darauf hat sich das
Oberverwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend bezogen. Die
Beschwerde zeigt nicht ansatzweise auf, inwiefern die hierzu aufgestellten Rechts-
grundsätze erneuter oder weiterreichender Klärung anhand des vorliegenden Falles
bedürften. Die Beschwerde wendet sich vielmehr im Wesentlichen - in der Art einer
Berufungsbegründung - dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht bei der von ihm
im Einzelfall vorzunehmenden Gefahrenprognose die Tatsachenlage falsch einge-
schätzt habe. Damit lässt sich weder die Grundsatzrüge noch die hierzu erhobene
Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Beschwerdebegründung S. 3 Abs. 1)
schlüssig begründen. Im Übrigen legt die Beschwerde auch nicht dar, dass sich die
formulierten tatsächlichen Annahmen in der Fragestellung aus dem hier angegriffe-
nen Beschluss ergeben; insbesondere ist der Berufungsentscheidung nicht zu ent-
nehmen, dass das behauptete Sterblichkeitsrisiko besteht. Insoweit könnte sich da-
her auch eine Grundsatzfrage schon nicht stellen.
Das gilt erst recht für die weitere als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage
(Beschwerdebegründung S. 4),
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" 1. ob bei einer Sterblichkeitswahrscheinlichkeit von 25 % bei einem sehr ho-
hen Erkrankungsrisiko aufgrund fehlenden Immunschutz und fehlendem Zu-
gang zu medizinischer Behandlung ein Abschiebehindernis gemäß § 53 Abs. 6
Satz 1 AuslG noch verneint werden kann, oder ob einem derart quanti-
fizierbaren Risiko nicht von einer Rückkehr 'sehenden Auges in den Tod' aus-
zugehen ist".
Die Beschwerde kann die Zulassung einer Grundsatzrevision nicht aufgrund eigener
Tatsachenbehauptungen erreichen, die in der angegriffenen Entscheidung nicht ge-
troffen sind und auf denen sie deswegen rechtlich nicht beruhen kann.
Der ferner behauptete Gehörsverstoß (Beschwerdebegründung S. 3 Mitte) ist eben-
falls schon deshalb nicht schlüssig dargelegt, weil die hier angegriffene Entscheidung
die als gehörsverletzend beanstandeten Ausführungen so nicht enthält.
Soweit die Beschwerde schließlich (Beschwerdebegründung S. 4 Abs. 3 und 4) er-
neut Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG aufwirft, legt sie
zum einen nicht - wie erforderlich unter Auseinandersetzung mit den Gründen der
angegriffenen Entscheidung - dar, weshalb sich diese hier überhaupt stellen. Die Be-
schwerde befasst sich in diesem Zusammenhang insbesondere nicht damit, dass das
Berufungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts zwischen individuellen Gefahren im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG und
allgemeinen Gefahren im Sinne von Satz 2 dieser Bestimmung unterscheidet (BA
S. 6 ff.). Zum anderen wendet sie sich damit ersichtlich lediglich gegen die - angeb-
lich fehlerhafte - Subsumtion im vorliegenden Einzelfall anhand der differenzierten
und umfänglich dargelegten tatrichterlichen Gefahrenprognose (BA S. 9 ff.), ohne
eine erneut oder weitergehend klärungsfähige und klärungsbedürftige rechtliche
Grundsatzfrage zu § 53 Abs. 6 AuslG über den bereits geklärten Auslegungsrahmen
und Prüfungsmaßstab hinaus aufzuzeigen. Selbst wenn das Berufungsgericht - wie
die Beschwerde meint - bei Bejahung (statt Verneinung) der formulierten Fragen dem
Begehren des Klägers hätte entsprechen müssen, würde dies der Sache keine
rechtsgrundsätzliche Bedeutung verleihen. Inwiefern dem Berufungsgericht ein Maß-
stabsfehler unterlaufen und deshalb zugleich das rechtliche Gehör verletzt sein soll,
lässt sich der hierfür zitierten Entscheidung des Senats (Beschluss vom 8. April 2002
- BVerwG 1 B 71.02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 59) nicht entnehmen.
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
Satz 1 RVG.
Eckertz-Höfer Hund Beck