Urteil des BVerwG vom 17.02.2003

Politische Verfolgung, Rüge, Sicherheit, Asyl

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BESCHLUSS
BVerwG 1 B 157.02
VGH 10 UE 3451/96.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Februar 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und H u n d
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Urteil des
Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom
18. Dezember 2001 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie bezeichnet den allein von
ihr geltend gemachten Zulassungsgrund des Verstoßes gegen Ver-
fahrensrecht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in der nach § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise.
Die Beschwerde rügt als verfahrensfehlerhaft, das Berufungsge-
richt habe gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts
(§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Es hätte der Beschwerde zufolge
"in Erfüllung des umfassenden Asylprüfprogramms" u.a. der Fra-
ge nachgehen müssen, "ob und inwieweit der Kläger als PLOTE-
Mitglied im Falle von Übergriffen - entweder durch die LTTE
oder durch andere PLOTE-Mitglieder/-Gruppen - staatlichen
Schutz der srilankischen Regierung effektiv hätte in Anspruch
nehmen können, um derartigen Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen
oder wirksam begegnen zu können und ob deshalb von einer ge-
fahrfreien Rückkehr für den Kläger jetzt ausgegangen werden
kann" (Beschwerdebegründung S. 3).
Damit und mit dem weiteren Beschwerdevorbringen wird ein Ver-
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stoß gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht
den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend
bezeichnet (vgl. dazu Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG
7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 = NJW 1997,
3328). Es fehlt zunächst an der Darlegung, inwiefern die ge-
forderte Aufklärung überhaupt zur Klärung welcher Ansprüche
verfahrensfehlerhaft unterlassen worden sein soll. Soweit sich
die Rüge auf ein "Asylprüfprogramm" beruft, macht sie nicht
deutlich, was hierunter zu verstehen sein soll. Politische
Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG liegt nicht stets
dann vor, wenn gegen Nachstellungen Dritter kein effektiver
staatlicher Schutz in Anspruch genommen werden kann (vgl. Ur-
teil vom 8. Dezember 1998 - BVerwG 9 C 17.98 - BVerwGE 108, 84
zur inländischen Fluchtalternative). Verfolgungshandlungen
durch Dritte sind vielmehr nur asylbegründend, wenn sie dem
Staat oder einer staatsähnlichen Organisation zurechenbar, al-
so mittelbar staatliche oder quasistaatliche (= politische)
Verfolgung sind. Ausgehend von diesem materiellrechtlichen
Verständnis des Asylrechts, wie es dem angefochtenen Urteil
zugrunde liegt, scheidet ein Aufklärungsmangel schon wegen
fehlender Entscheidungserheblichkeit der von der Beschwerde
formulierten Beweisfrage aus.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang weiter rügt
(a.a.O. S. 3 Abs. 3 ff.), das Berufungsgericht hätte sich
nicht mit Feststellungen zur Sicherheit vor etwaiger Verfol-
gung durch die LTTE im Großraum Colombo begnügen dürfen, son-
dern die Verfolgungslage durch die LTTE "außerhalb Colombos/in
den tamilischen Siedlungsgebieten" prüfen müssen, wird nicht
dargelegt - und ist im Übrigen auch nicht erkennbar -, inwie-
fern es hierauf zur Klärung eines Anspruchs des Klägers aus
§ 51 Abs. 1 AuslG entscheidungserheblich ankommen soll. Sofern
Sicherheit vor einem Zugriff des Verfolgers am Ort einer in-
ländischen Fluchtalternative (hier: im Großraum Colombo gegen
Nachstellungen der LTTE) besteht, kommt ein subsidiäres Asyl-
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recht in Deutschland - ungeachtet der Frage des politischen
Charakters der Verfolgung - nicht in Betracht. Soweit die Be-
schwerde hierzu ferner beanstandet, es fehlten auch Feststel-
lungen zur Verfolgungssicherheit in Colombo im Hinblick auf
die PLOTE, verkennt die Beschwerde, dass das Berufungsgericht
insoweit bereits eine individuelle Gefährdung des Klägers tat-
richterlich ausgeschlossen hat (UA S. 30). Ihre Angriffe gegen
diese Einschätzung (Beschwerdebegründung S. 2 f., S. 3/4)
richten sich lediglich gegen die Feststellung und Würdigung
des Sachverhalts, ohne einen Verfahrensverstoß (oder einen an-
deren Revisionszulassungsgrund) aufzuzeigen. Das Erfordernis
einer weiteren Aufklärung im Sinne der Beschwerde ergibt sich
namentlich nicht bereits aus dem Umstand, dass nach den Fest-
stellungen des Berufungsgerichts zahlreiche PLOTE-Mitglieder
nicht nur von der LTTE umgebracht, sondern auch Opfer interner
Auseinandersetzungen geworden sind (UA S. 17). Selbst wenn man
die Rüge - unbeschadet des eingangs erörterten Darlegungsman-
gels und obwohl dies in der Beschwerde nicht zum Ausdruck
kommt - zusätzlich auf die Ablehnung von ausländerrechtlichem
Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG (UA S. 32 f.) beziehen wür-
de, fehlten überdies - wie auch zu § 51 Abs. 1 AuslG - ausrei-
chende weitere Darlegungen zu dem geltend gemachten Verfah-
rensverstoß. So führt die Beschwerde nicht - wie erforder-
lich - aus, welche Aufklärungsmaßnahmen hätten ergriffen wer-
den sollen und welche tatsächlichen Feststellungen, die zu ei-
nem für den Kläger günstigen Ergebnis geführt hätten, voraus-
sichtlich getroffen worden wären. Darüber hinaus legt die Be-
schwerde nicht dar, dass bereits bei dem Tatsachengericht auf
die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben
nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist. Die Beschwerde
zeigt auch nicht auf, dass sich die vermisste Aufklärung dem
Berufungsgericht auch ohne ein solches Hinwirken hätte auf-
drängen müssen.
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Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5
Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichts-
kosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der
Gegenstandswert bestimmt sich nach § 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Hund