Urteil des BVerwG vom 14.04.2005

Ärztliches Gutachten, Hauptsache, Syrien, Eltern

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 151.04
OVG 2 L 1229/00
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des
Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2004
aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entschei-
dung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache bleibt der
Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens
folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Klägers ist begründet. Der Kläger rügt zu Recht, dass das Beru-
fungsgericht seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt hat (§ 132 Abs. 2
Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO). Wegen dieses Verfahrensmangels, auf dem die Ent-
scheidung beruht, weist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO im Interes-
se der Verfahrensbeschleunigung unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
an das Berufungsgericht zurück.
Der Kläger beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht seine Pflicht zur Auf-
klärung des Sachverhalts dadurch verletzt hat, dass es - obwohl für seine Überzeu-
gungsbildung erheblich - die Gründe für die entstandenen Widersprüche zwischen
dem Vorbringen des Klägers zur Taubheit auf dem rechten Ohr infolge von Miss-
handlungen während seiner Inhaftierung in Afrin (Syrien) und seinen Angaben im
Umverteilungsantrag vom 6. Mai 1997 nicht näher aufgeklärt hat. Der Kläger hatte im
vorliegenden Verfahren durchgängig vorgetragen, dass ihm die Ohrverletzung wäh-
rend der 45-tägigen Haft beigebracht wurde. Zwar hat ihm das Berufungsgericht die
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Angaben in dem von ihm unterzeichneten Antrag auf Umverteilung zu seinem Cousin
vom 6. Mai 1997 vorgehalten, ihn auf Widersprüche hingewiesen und ihm insoweit
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Nachdem der Kläger trotz des Vorhalts bei
seiner Darstellung blieb, die Ohrverletzung während der Haft erlitten zu haben, wä-
ren weitere Aufklärungsmaßnahmen unter den besonderen Umständen des vorlie-
genden Falles seitens des Gerichts geboten gewesen. Zwar wurden seitens des Klä-
gers insoweit keine Beweisanträge gestellt, er war bei erstmaliger Konfrontation mit
dem Umverteilungsantrag in der mündlichen Verhandlung aber ohne anwaltliche Un-
terstützung. Da Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der dem Kläger vorgehaltene
Umverteilungsantrag nicht von ihm selbst, sondern möglicherweise von dem Sozial-
arbeiter verfasst war (mangelnde Sprachkenntnisse des Klägers, Beifügung des An-
trags an Schreiben des Sozialarbeiters mit gleichem Datum), hätte sich dem Beru-
fungsgericht eine Aufklärung dazu aufdrängen müssen, wie das Vorbringen in das
Schreiben gelangte, der Kläger habe auf Grund seines Ohrleidens bei seinen Eltern
gelebt und sei auf deren Unterstützung angewiesen gewesen, obwohl er nach dem
Vorbringen im Asylverfahren kurz nach der Haftentlassung aus Syrien ausgereist
sein will. Entsprechende Aufklärungsmaßnahmen wird das Berufungsgericht nun-
mehr - etwa durch Vernehmung des Sozialarbeiters und möglicherweise des Cousins
des Klägers als Zeugen - nachzuholen haben, wenn es für seine Überzeugungsbil-
dung weiter entscheidungserheblich auf diesen von ihm angenommenen Wider-
spruch abstellt. Ist dies der Fall, wird es auch zu erwägen haben, ob sich die Ursa-
che des Ohrleidens (Fremdeinwirkung) und sein angeblicher Entstehungszeitpunkt
(Haft Ende des Jahres 1996) durch ein ärztliches Gutachten aufklären lassen, wozu
die bisherigen Darlegungen der Beschwerde nicht ausreichen.
Auf den weiter gerügten Gehörsverstoß, der nach dem Beschwerdevorbringen aller-
dings nicht begründet ist, kommt es nicht mehr entscheidend an.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig