Urteil des BVerwG vom 18.04.2007

Hauptsache, Christentum, Gefährdung, Islam

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 145.06
OVG 5 LB 106/02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. April 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Kläger wird das Urteil des Nie-
dersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. April
2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Ent-
scheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwie-
sen.
Die Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache
bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdever-
fahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der
Hauptsache.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat mit einer Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) Er-
folg. Die Kläger rügen der Sache nach zu Recht, dass das Berufungsgericht
ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (Art. 103 Abs. 1
GG). Denn das Berufungsgericht hat wesentliches Vorbringen der Kläger nicht
in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und erwogen.
Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das Vorbringen
der Beteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG vorschreibt, zur Kenntnis genommen
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und in Erwägung gezogen haben. Etwas anderes gilt aber, wenn besondere
Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht be-
rücksichtigt hat (stRspr, vgl. etwa BVerfGE 86, 133 <145 f.>). Dies ist hier der
Fall.
Die Kläger haben im Berufungsverfahren aktuelle Erkenntnismittel zur Gefähr-
dung von Konvertiten im Iran vorgelegt. Sie haben sich mit Schriftsatz vom
10. April 2006 - unter Vorlage des entsprechenden, in einer Zeitschrift abge-
druckten Interviews - auf die Aussage eines Sachverständigen für Religionsfra-
gen bezogen, wonach ein vor kurzem aus Deutschland abgeschobener Iraner,
der vom Islam zum Christentum konvertiert sei, im Iran festgenommen worden
sei. Die Beschwerde rügt sinngemäß zu Recht, dass das Berufungsgericht die-
ses Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen bzw. nicht hinreichend berück-
sichtigt hat. Zwar hat das Berufungsgericht im Tatbestand seiner Entscheidung
auf die neuen Erkenntnismittel der Kläger und auch auf den aktuellen Refe-
renzfall hingewiesen (UA S. 6). In seinen Entscheidungsgründen ist das Beru-
fungsgericht allerdings mit keinem Wort auf die asylrechtliche Bedeutung dieser
Erkenntnismittel bzw. des Referenzfalles eingegangen. Die angefochtene Ent-
scheidung kann auf dem Gehörsverstoß beruhen.
Auf die von der Beschwerde weiter erhobenen Rügen kommt es demnach nicht
mehr an. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der
Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Be-
rufungsgericht zurückzuverweisen.
Dr. Mallmann Richter Beck
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