Urteil des BVerwG vom 18.06.2002

Persönliche Anhörung, Verfahrensrecht, Anerkennung, Rechtseinheit

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BESCHLUSS
BVerwG 1 B 140.02
OVG 19 A 1775/99.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Juni 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r , den Richter am Bundes-
verwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss
des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 20. Februar 2002 wird
verworfen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2
VwGO gestützte Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemach-
ten Revisionszulassungsgründe sind nicht in einer Weise darge-
tan, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ent-
spricht.
Die Beschwerde ist der Auffassung, die Rechtssache habe grund-
sätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die von § 133
Abs. 3 Satz 3 VwGO geforderte Darlegung setzt hinsichtlich
dieses Zulassungsgrundes die Formulierung einer bestimmten,
höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsent-
scheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und
außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den
Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. An einer
derartigen Darlegung fehlt es. Die Beschwerde erschöpft sich
in diesem Zusammenhang darin, die Sachverhalts- und Beweiswür-
digung des Berufungsgerichts zu beanstanden. Auch der erhobene
- und hier offensichtlich fern liegende - Vorwurf der Willkür
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vermag die Darlegung, warum eine bestimmte Rechtsfrage im In-
teresse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Klä-
rung bedarf, nicht zu ersetzen.
Die Beschwerde meint ferner, die Berufungsentscheidung weiche
von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des
Bundesverwaltungsgerichts ab. Eine die Revision gemäß § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne
des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die
Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Ent-
scheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die
Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts bzw. des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten
ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift
widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder un-
terbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverfas-
sungsgericht bzw. das Bundesverwaltungsgericht in seiner
Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanfor-
derungen einer Divergenzrüge nicht (vgl. Beschluss vom
19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
(n.F.) VwGO Nr. 26). Die Beschwerde bezeichnet keinen Rechts-
satz, mit dem das Berufungsgericht einem Rechtssatz des Bun-
desverfassungsgerichts bzw. des Bundesverwaltungsgerichts wi-
dersprochen hat. Die Beschwerde führt lediglich allgemein aus,
das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
habe die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Vorverfolgung
beachtet und den Beigeladenen deshalb "mit Recht" als politi-
schen Flüchtling anerkannt. "Damit dieses Recht wiederherge-
stellt" werde, sei die Revision zuzulassen.
Soweit die Beschwerde im Hinblick auf die Sachverhalts- und
Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht eine Gehörsverlet-
zung rügt (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG
und § 108 Abs. 2 VwGO), übersieht sie, dass (etwaige) Fehler
in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung revisionsrechtlich in
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aller Regel nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen
Recht zuzurechnen sind. Der Beschwerde ist jedenfalls nicht zu
entnehmen, dass das Berufungsgericht entscheidungserhebliches
Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis und in Erwägung ge-
zogen hätte. Vielmehr rügt sie, dass das Berufungsgericht an-
gesichts der Widersprüchlichkeit und fehlenden Plausibilität
der klägerischen Darlegungen zu Teilen seines persönlichen
Verfolgungsschicksals die Glaubwürdigkeit des Vortrags zum
Verfolgungsgeschehen auch im Übrigen nicht mehr für möglich
hielt. Damit macht sie aber keine Verletzung des rechtlichen
Gehörs geltend, sondern wendet sich gegen die freie richterli-
che Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die mit
einer Verfahrensrüge nicht angegriffen werden kann. Soweit die
Beschwerde einen Gehörsverstoß darin sieht, dass das Beru-
fungsgericht gemäß § 130 a VwGO ohne mündliche Verhandlung und
damit ohne persönliche Anhörung des Beigeladenen entschieden
hat, legt sie nicht dar, aus welchen Gründen dieses Verfahren
unter den vorliegend gegebenen Umständen fehlerhaft gewesen
sein soll. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
ist zwar anerkannt, dass ein Berufungsgericht unter bestimmten
Voraussetzungen gehalten sein kann, für die Beurteilung der
Glaubwürdigkeit eines Asylbewerbers diesen persönlich anzuhö-
ren (vgl. z.B. Beschluss vom 28. April 2000 - BVerwG 9 B
137.00 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 235; Beschluss vom
10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - ). Diese Vorausset-
zungen liegen im vorliegenden Verfahren jedoch ersichtlich
nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichts-
kosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der
Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG n.F.
Eckertz-Höfer Richter Beck