Urteil des BVerwG vom 19.03.2003

Satzung, Hauptsache, Behandlung, Togo

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 135.02
VGH 25 B 01.31485
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. März 2003
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M a l l m a n n , die Richterin am Bundesverwaltungs-
gericht B e c k und den Richter am Bundesverwal-
tungsgericht
Prof. Dr. D ö r i g
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beschlossen:
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Be-
schluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
vom 18. Februar 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof
zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung in der Hauptsache bleibt
der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwer-
deverfahrens folgt der Kostenentscheidung in
der Hauptsache.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat mit einer Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO) Erfolg. Der Kläger rügt zu Recht, dass das Berufungsge-
richt seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt
hat (Art. 103 Abs. 1 GG). Denn das Berufungsgericht hat wesent-
liches Vorbringen des Klägers nicht in der gebotenen Weise zur
Kenntnis genommen und erwogen.
Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte das
Vorbringen der Beteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG vor-
schreibt, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben.
Etwas anderes gilt aber, wenn besondere Umstände deutlich erge-
ben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht berücksich-
tigt hat (stRspr, vgl. etwa BVerfGE 86, 133, 145 f.). Das ist
hier der Fall.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben mit am
15. Februar 2002 und damit noch vor der Berufungsentscheidung
eingegangenem Schriftsatz einen Bericht der Frankfurter Allge-
meinen Zeitung vom 9. Februar 2002 mit der Überschrift "EU fi-
nanziert nicht die Wahl in Togo" vorgelegt und geltend gemacht,
der Bruch des togoischen Regimes von Staatspräsident Eyadema
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mit der Europäischen Union belege, dass dieses Regime auch auf
das westliche Ausland keine Rücksicht nehme, wenn es um den ei-
genen Machterhalt gehe. Damit sei auch die Annahme des Beru-
fungsgerichts, das Regime nehme bei der Behandlung der Rückkeh-
rer auf das westliche Ausland Rücksicht, widerlegt. Die Auffas-
sung, dass nur eine exilpolitische Betätigung für extremisti-
sche und gewaltbereite oppositionelle Gruppen zu einer Rück-
kehrgefährdung führe, könne deshalb nicht mehr zutreffen. Das
Berufungsgericht ist in den Entscheidungsgründen weder auf das
Vorbringen in diesem Schriftsatz noch auf den fraglichen Zei-
tungsbericht eingegangen, obwohl es als wesentliche Grundlage
seiner Rechtsprechung die Erkenntnis bezeichnet, dass die Be-
handlung von Rückkehrern durch das togoische Regime von Rück-
sichtnahme auf das westliche Ausland geprägt sei und nur bei
Vorliegen einer besonderen Konstellation im Ausnahmefall, wenn
der Herrschaftsanspruch des Regimes durch eine Person als ge-
fährdet angesehen werden müsste, Verfolgungsmaßnahmen beacht-
lich wahrscheinlich sein könnten (BA S. 4, ebenso S. 6). Der
Umstand, dass das Berufungsgericht auf das darauf bezogene,
nicht von vornherein unerhebliche Vorbringen des Klägers nicht
eingegangen ist, spricht dafür, dass es diesen Vortrag entweder
nicht zur Kenntnis genommen oder doch nicht in der gebotenen
Weise ernsthaft in Erwägung gezogen hat.
Bei dieser Sachlage erübrigt sich eine Prüfung der weiter erho-
benen Grundsatz- und Verfahrensrügen. Die Grundsatzrüge dürfte
allerdings schon aus den in den Beschlüssen des Senats vom
30. Dezember 2002 - BVerwG 1 B 101, 102 und 108.02 - genannten
Gründen zu vergleichbaren Rügen der Prozessbevollmächtigten des
Klägers nicht durchgreifen. Auch die von der Beschwerde geltend
gemachte weitere Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers
wegen Nichtberücksichtigung der von ihm eingereichten Satzung
der Aschaffenburger Exilorganisation ARTA hätte voraussichtlich
keinen Erfolg gehabt. Die Beschwerde legt nicht dar, inwiefern
das Berufungsgericht aus seiner tatrichterlichen Sicht auf die-
se Satzung in den Entscheidungsgründen ausdrücklich hätte ein-
gehen müssen und deshalb die Nichterwähnung der Satzung auf ei-
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ne mangelnde Berücksichtigung schließen lässt. Der Satzung
lässt sich - auch nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde -
nichts dafür entnehmen, dass die ARTA zur extremistischen und
gewaltbereiten exilpolitischen Opposition zu rechnen wäre, für
deren Vertreter nach Auffassung des Berufungsgerichts allen-
falls eine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr bei ei-
ner Rückkehr nach Togo in Betracht kommt (BA S. 6).
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von
der Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6
VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dr. Mallmann Beck Prof. Dr. Dörig