Urteil des BVerwG vom 12.06.2003

Berg, Republik Aserbaidschan, Aufklärungspflicht, Existenzminimum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 133.03
OVG 1 L 239/02
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Juni 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision
in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungs-
gerichts vom 3. März 2003 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie beruft sich zwar auf die Revisionsgründe der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Verfah-
rensmängel der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m.
§ 86 Abs. 1 VwGO) und der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m.
§ 138 Nr. 3 VwGO), legt aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer Weise
dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt (vgl. auch den den Be-
vollmächtigten des Klägers und den übrigen Verfahrensbeteiligten bekannten Beschluss vom
11. April 2003 - BVerwG 1 B 82.03 -).
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob Berg-Karabach für aserbaid-
schanische Staatsangehörige aserbaidschanischer Abstammung ohne familiäre oder andere
Kontakte in Berg-Karabach eine zumutbare inländische Fluchtalternative darstellt" (Be-
schwerdebegründung S. 1). Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage
des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Eine derartige Frage lässt sich der Beschwerde
nicht entnehmen. Die von ihr aufgeworfene Frage, ob das Gebiet von Berg-Karabach eine
geeignete Fluchtalternative darstellt, zielt nicht auf eine bestimmte klärungsfähige Rechtsfra-
ge, sondern betrifft die den Tatsachengerichten vorbehaltene Feststellung und Würdigung
der tatsächlichen Verhältnisse in Berg-Karabach. Dies gilt auch für die von der Beschwerde
hierzu angesprochene weitere Frage, ob Berg-Karabach für den Kläger überhaupt erreichbar
ist - etwa durch Einreise über Armenien (Beschwerdebegründung S. 2). Auch mit der Frage,
"ob Berg-Karabach asylrechtlich als zu Aserbaidschan gehörendes Inland zählt" (Beschwer-
debegründung S. 1), wendet sich die Beschwerde - wie die weiteren Ausführungen hierzu
zeigen - in erster Linie gegen die tatrichterliche Einschätzung der politischen Verhältnisse.
Sie stellt nicht in Frage, dass Berg-Karabach völkerrechtlich zur Republik Aserbaidschan
gehört, meint aber, dass für die asylrechtliche Beurteilung allein die faktische Verfestigung
der staatlichen Verhältnisse maßgeblich sei (Beschwerdebegründung S. 2). Mit diesem Vor-
bringen wird eine Rechtsfrage nicht aufgezeigt.
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Der Kläger hält weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob bei einem Fehlen des wirt-
schaftlichen Existenzminimums in Berg-Karabach Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1
AuslG mit der Begründung verwehrt werden kann, dass auch in Aserbaidschan das wirt-
schaftliche Existenzminimum nicht gesichert wäre" (Beschwerdebegründung S. 6).
Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern die aufgeworfene Frage entscheidungserheblich
sein soll. Dazu hätte aber Veranlassung bestanden, da die Berufungsentscheidung darauf
beruht, dass "der Kläger in Berg-Karabach vor einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung
hinreichend sicher" ist (BA S. 15). Die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses zum
unterstellten Fehlen des Existenzminimums erfolgen nur hilfsweise. Das Oberverwaltungsge-
richt macht aber deutlich, dass seine Erörterungen eine wirtschaftliche Notlage - "entgegen
der Auffassung des Senats" - lediglich unterstellen (BA S. 19).
Die Beschwerde sieht in zwei Punkten eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht
(Beschwerdebegründung S. 4), legt jedoch nicht - wie erforderlich - dar, dass es für die Ent-
scheidung des Rechtsstreits unter Zugrundelegung der insoweit maßgeblichen Auffassung
des Berufungsgerichts auf die als aufklärungsbedürftig bezeichneten Tatsachen ankommt.
Die Beschwerde rügt zunächst, das Gericht gehe davon aus, dass abgelehnte Asylbewerber
bei ihrer Rückkehr nach Berg-Karabach über nicht unerhebliche Barmittel verfügten, habe
den Kläger, der vermögenslos sei, aber nicht zu seinen Vermögensverhältnissen befragt.
Dies stelle einen Aufklärungsmangel und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (Be-
schwerdebegründung S. 4). Die Beschwerde rügt weiter, es fehle auch an gerichtlichen Er-
mittlungen, über welche Beträge Rückkehrer aus Deutschland verfügen müssten, um sich
eine sichere Existenz in Berg-Karabach aufzubauen (Beschwerdebegründung S. 4). Die Be-
schwerde legt jedoch nicht dar, dass es auf entsprechende Sachverhaltsermittlungen für die
Entscheidung des Rechtsstreits überhaupt ankommt. Hierzu hätte insbesondere deshalb
Veranlassung bestanden, weil das Berufungsgericht - die Entscheidung selbständig tra-
gend - das wirtschaftliche Existenzminimum für Rückkehrer nach Berg-Karabach allgemein
schon deshalb als gesichert sieht, weil Überwiegendes dafür spreche, dass arbeitsfähige
Neuankömmlinge in der Lage sein werden, in der karabachischen Arbeitswelt Fuß zu fassen
(BA S. 19). Das Gericht verweist insoweit auf die verhältnismäßig niedrige Arbeitslosenquote
(6,5 %) und die insgesamt positive Zukunftsprognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Ent-
wicklung.
Soweit sich die Beschwerde im Weiteren gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung beim
Vergleich der Lebensverhältnisse in Berg-Karabach mit denen im übrigen Aserbaidschan
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wendet (Beschwerdebegründung S. 4 bis 6), zeigt sie damit einen Verfahrensmangel im Sin-
ne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht auf.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2
AsylVfG.
Eckertz-Höfer Dr. Mallmann Prof. Dr. Dörig