Urteil des BVerwG vom 16.09.2004

Drohende Gefahr, Wahrscheinlichkeit, Entziehen, Hund

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 132.04
OVG A 5 B 257/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. September 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n , H u n d und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungs-
gerichts vom 17. Mai 2004 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht den
Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan.
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt
voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen
wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie hält die Frage für
klärungsbedürftig, inwiefern - im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Prognose einer
extremen Allgemeingefahr nach § 53 Abs. 6 AuslG - "bei einer grundsätzlich katast-
rophalen Mangellage im Bereich Ernährung und Gesundheit im Abschiebungsziel-
land Ausländer auf mögliche Überlebensstrategien in der Bevölkerung verwiesen
werden können." Dabei gelte es "zu klären, ob die einer Vielzahl von Personen dro-
hende allgemeine und konkrete Gefahr dann nicht mehr beachtlich wahrscheinlich"
sei, wenn es Anzeichen dafür gebe, dass in der Bevölkerung Überlebensstrategien
entwickelt würden, oder ob mögliche Überlebensstrategien zuverlässig umsetzbar
sein müssten, um die "beachtliche Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage
zu beseitigen" (Beschwerdebegründung S. 4). Die Beschwerde legt nicht - wie erfor-
derlich - unter Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des Berufungsge-
richts dar, dass sich die aufgeworfenen Fragen in dem angestrebten Revisionsverfah-
ren anhand des festgestellten Sachverhalts (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) überhaupt stel-
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len würden. Sie macht auch nicht deutlich, welche bestimmte Rechtsfrage zur Ausle-
gung und Anwendung des § 53 Abs. 6 AuslG sich insoweit ergeben soll. Sie selbst
geht - in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht - von der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts aus, wonach eine die Sperrwirkung des § 53 Abs. 6
Satz 2 AuslG beseitigende Gefahr nur dann vorliegt, wenn der Ausländer gleichsam
sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wür-
de. Damit sind nicht nur Art und Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung, son-
dern auch die Unmittelbarkeit der Gefahr und ihr hoher Wahrscheinlichkeitsgrad an-
gesprochen (Beschluss vom 23. März 1999 - BVerwG 9 B 866.98 - Buchholz 402.240
§ 53 AuslG Nr. 17, S. 4). Nur wenn extreme Gefahren mit diesem erhöhten Wahr-
scheinlichkeitsgrad drohen, ist die verfassungskonforme Überwindung der Sperrwir-
kung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG gerechtfertigt (Urteil vom 12. Juli 2001 - BVerwG
1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 <9>). Insoweit ist geklärt, dass die von der Beschwerde
angesprochene beachtliche Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefahr zur Überwin-
dung der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG nicht ausreicht. Im Übrigen
hängt es weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab, wann von einer extre-
men Gefahrenlage auszugehen ist (Beschluss vom 23. März 1999, a.a.O., S. 4 f.).
Auch deshalb würde sich die Frage, wie zuverlässig Überlebensstrategien sein müs-
sen, um eine drohende Gefahr nicht mehr als beachtlich wahrscheinlich erscheinen
zu lassen, einer rechtsgrundsätzlichen Klärung entziehen. In der Sache wendet sich
die Beschwerde in Wahrheit im Gewande der Grundsatzrüge gegen die Sachver-
halts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts sowie dessen Subsumtion des
festgestellten Sachverhalts unter § 53 Abs. 6 AuslG. Hierauf kann aber eine grund-
sätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden ge-
mäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG a.F. (= § 83 b AsylVfG n.F.) nicht erhoben. Der Gegen-s-
tandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F. (vgl. § 60 RVG).
Dr. Mallmann Hund Prof. Dr. Dörig