Urteil des BVerwG vom 04.03.2005

Anhörung, Hund, Kontaktaufnahme, Asylbewerber

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 131.04
VGH 3 UE 1317/04.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichts-
hofs vom 24. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die auf eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und eine Verletzung des rechtli-
chen Gehörs (Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 108 Abs. 2 VwGO,
Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie entspricht schon
nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgrün-
de aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die behauptete Abweichung der angegriffenen Entscheidung von dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2002 - BVerwG 1 C 15.01 - (BVerwGE
116, 123) ist mit der Gegenüberstellung von Zitaten nicht ausreichend dargetan. Die
Beschwerde zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht sich mit den von ihr zitierten
Ausführungen
"Der Senat entscheidet über die Berufung des Beteiligten durch Beschluss
gemäß § 130 a I VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündli-
che Verhandlung nicht für erforderlich hält. Zu der beabsichtigten Vorgehens-
weise sind die Prozessbeteiligten angehört worden. Einer Anhörung der Klä-
ger bedarf es nicht."
in einen rechtsgrundsätzlichen Widerspruch zu den von der Beschwerde zutreffend
wiedergegebenen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt hat. Ein
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solcher ist im Übrigen auch nicht erkennbar. Mit dem Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts wurde, wie sich bereits aus dem Leitsatz ergibt, die Rechtsfrage entschie-
den, ob eine Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung im sog.
vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130 a VwGO zu Lasten des Klägers erge-
hen darf, "wenn der Klage in erster Instanz durch Gerichtsbescheid stattgegeben
wurde". Die Beschwerde behauptet selbst nicht, dass im Ausgangsverfahren über die
Klage in erster Instanz zugunsten der Kläger durch Gerichtsbescheid entschieden
worden ist. In Wahrheit versucht sie - im Gewande der Divergenz- und der Ver-
fahrensrüge (siehe dazu sogleich) - eine allgemeine Pflicht zur Anhörung der kla-
genden Asylbewerber in der Berufungsinstanz zu konstruieren, wie sie dem zitierten
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts indessen nicht zu entnehmen ist. Das Urteil
des erkennenden Senats vom 14. März 2002, a.a.O., enthält auch nicht den von der
Beschwerde unterstellten (Beschwerdebegründung S. 7 Abs. 1) Rechtssatz, dass "in
Fällen ohne mündliche Verhandlung in erster Instanz zwingend eine mündliche Ver-
handlung in zweiter Instanz stattzufinden" habe (vgl. dagegen ausdrücklich zur Zu-
lässigkeit einer Entscheidung nach § 130 a VwGO nach Verzicht auf mündliche Ver-
handlung in erster Instanz das Urteil vom 14. März 2002, a.a.O., BVerwGE 116, 123
<125> m.w.N.).
Auch eine Gehörsverletzung ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde kann sich
für ihre Ansicht, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof in dem zweiten Beru-
fungsverfahren seine Pflicht zur Aufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verletzt habe,
nicht auf die hierfür zitierten Ausführungen in dem zurückverweisenden Beschluss
des Senats vom 6. April 2004 - BVerwG 1 B 23.04 - berufen. Wie die Beschwerde
selbst mitteilt, hat das Bundesverwaltungsgericht eine Gehörsverletzung durch die
erste Berufungsentscheidung (nur) darin gesehen, dass das Berufungsgericht "zu-
mindest nicht ohne weitere Anhörung der Kläger und ohne jegliche nachvollziehbare
Begründung von der Möglichkeit einer Kontaktaufnahme" mit Familienmitgliedern in
Luanda "ausgehen" durfte (BA S. 2 f. <3>). Weder hieraus noch aus der auch in die-
sem Zusammenhang von der Beschwerde zitierten Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 14. März 2002, a.a.O., lässt sich eine unbedingte Pflicht des Be-
rufungsgerichts zu einer Anhörung der Kläger in einer mündlichen Berufungsver-
handlung - und damit ein Verbot der Entscheidung im Beschlussverfahren nach
§ 130 a VwGO - entnehmen. Die Kläger tragen ferner nicht vor, dass sie in dem
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zweiten Berufungsverfahren ihre Anhörung durch das Berufungsgericht - unter sub-
stantiierter Darlegung der Notwendigkeit im Hinblick auf den zu entscheidenden Ab-
schiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG - verlangt haben. Ihr Schriftsatz vom
15. Juni 2004 an das Berufungsgericht (GA Bl. 262 f.) enthält hierzu nichts, auch
nicht den Hinweis "dass seit der ersten Anhörung im vorliegenden Verfahren im No-
vember 1994 nunmehr über neun Jahre(!) vergangen" seien (Beschwerdebegrün-
dung S. 3). Ebenso wenig haben sie bereits im Berufungsverfahren vorgebracht,
dass die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide (Beschwerde-
begründung S. 4 f.). Es ist mithin nicht dargetan, dass sie in der Vorinstanz alles ih-
nen Mögliche getan haben, um sich das jetzt vermisste rechtliche Gehör selbst zu
verschaffen. Die Kläger können die Zulassung der Revision schließlich nicht mit dem
neuen Tatsachenvortrag zu einer posttraumatischen Belastungsstörung - unter Be-
zugnahme auf Untersuchungen aus der Zeit nach der Berufungsentscheidung - er-
reichen. Das Bundesverwaltungsgericht wäre in dem angestrebten Revisionsverfah-
ren an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden (§ 137
Abs. 2 VwGO) und könnte grundsätzlich keine neuen Tatsachen feststellen und be-
rücksichtigen. Die Beschwerde legt auch nicht dar, dass sich dem Berufungsgericht
ohne entsprechenden Vortrag der Kläger eine weitere Aufklärung des Sachverhalts
in diese Richtung hätte aufdrängen müssen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert
ergibt sich aus § 30 RVG.
Eckertz-Höfer Hund Beck