Urteil des BVerwG vom 06.04.2005

Rechtliches Gehör, Irak, Verfahrensmangel, Gefährdung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 129.04
OVG 9 LB 505/02
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. April 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht R i c h t e r und die Richterin am
Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 9. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, die sich auf einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO)
beruft, bleibt ohne Erfolg.
Sie beanstandet, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft über die Berufung
ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden. Es habe damit § 130 a
VwGO unzutreffend angewendet und hierdurch den Anspruch des Beigeladenen auf
rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Im Berufungsverfahren sei es erst-
mals maßgeblich auf das Vorbringen des Beigeladenen angekommen, er sei bei ei-
ner Rückkehr in den Irak aufgrund seiner vermeintlichen Nähe zur früheren iraki-
schen Regierung gefährdet. Im Hinblick auf dieses Vorbringen hätte das Berufungs-
gericht nicht nach § 130 a VwGO verfahren dürfen, sondern hätte dem Beigeladenen
in einer mündlichen Verhandlung Gelegenheit geben müssen, sich zu seinem nun-
mehr erstmals entscheidungserheblichen Vorbringen zu äußern.
Hiermit ist ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht auf-
gezeigt. Ob das Berufungsgericht den ihm durch § 130 a VwGO eröffneten Weg des
vereinfachten Berufungsverfahrens beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Er-
messen, das nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen hin
überprüfbar ist. Ein derartiger Fehler lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.
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Der Umstand, dass es im Berufungsverfahren aufgrund der politischen Entwicklung
im Irak nunmehr - anders als in erster Instanz - möglicherweise auch auf das indivi-
duelle Vorbringen des Beigeladenen ankam, steht einer Entscheidung im vereinfach-
ten Berufungsverfahren nicht von vornherein entgegen. Etwas anderes würde nur
dann gelten, wenn es sich dem Berufungsgericht aufgrund der Gegebenheiten des
Einzelfalles hätte aufdrängen müssen, den Beigeladenen in einer mündlichen Ver-
handlung anzuhören, um sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen.
Derartige Umstände legt die Beschwerde indes nicht dar. Sie geht nicht darauf ein,
dass der Beigeladene auf die Anhörungsmitteilung nach § 130 a VwGO hin einer
Entscheidung im vereinfachten Berufungsverfahren nicht nur nicht widersprochen,
sondern sich mit dieser Verfahrensweise (unter Vorbehalt) ausdrücklich einverstan-
den erklärt hat. Sie legt ferner nicht dar, wie dies bei einer derartigen Gehörsrüge
regelmäßig erforderlich ist, aus welchen Gründen es dem Beigeladenen nicht mög-
lich gewesen sein soll, seine "Äußerungen", die er nach Darstellung der Beschwerde
in einer Berufungsverhandlung hat vornehmen wollen, vorab schriftsätzlich vorzu-
bringen und sich dadurch das nunmehr vermisste rechtliche Gehör zu verschaffen.
Die Beschwerde macht auch nicht geltend und kann auch nicht geltend machen,
dass das Berufungsgericht entscheidend auf die Glaubwürdigkeit des Beigeladenen
abgestellt hat, die in aller Regel nicht ohne einen persönlichen Eindruck des Gerichts
beurteilt werden kann (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 10. Mai 2002 - BVerwG
1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 259 = NVwZ 2002, 1381 und vom
11. Juni 2002 - BVerwG 1 B 37.02 - Buchholz a.a.O. Nr. 260 = AuAS 2002, 263; je-
weils m.w.N.). Dem Beschwerdevorbringen ist schließlich nicht zu entnehmen, dass
sich dem Berufungsgericht aus sonstigen Gründen eine mündliche Anhörung des
Beigeladenen hätte aufdrängen müssen. Das Berufungsgericht, das sich zum Nach-
teil des Beigeladenen im Wesentlichen auf die inzwischen eingetretene allgemeine
politische Entwicklung im Irak gestützt hat, hat seiner Entscheidung ergänzend den
Vortrag des Beigeladenen zu dessen möglicher individueller Gefährdung in vollem
Umfang zugrunde gelegt. Es hat ausdrücklich Bezug genommen auf die Darstellung
des Beigeladenen, er habe sich in die Liste der zivilen Waffenträger bzw. der "Iraki-
schen Ritter" eintragen lassen, ohne allerdings je eine Waffe getragen oder sonst
etwas für die zivilen Waffenträger getan zu haben (BA S. 5). Diese Darstellung hatte
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der Beigeladene bereits bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gegeben und im
Berufungsverfahren erneuert. Unabhängig von der Frage, ob dieser Darstellung nicht
lediglich im Zusammenhang mit § 53 AuslG, der nicht Gegenstand des Verfahrens
ist, sondern auch mit § 51 Abs. 1 AuslG entscheidungserhebliche Bedeutung zu-
kommt, hat das Berufungsgericht eine asylrechtlich relevante Gefährdung des Beige-
ladenen aufgrund seiner ausschließlich formalen Zugehörigkeit zu den zivilen
Waffenträgern im Irak verneint. Soweit die Beschwerde diese Sachverhaltswürdigung
des Berufungsgerichts der Sache nach angreift, erhebt sie keine weitere ordnungs-
gemäße Verfahrensrüge.
Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden ge-
mäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1
RVG.
Eckertz-Höfer
Richter
Beck