Urteil des BVerwG vom 26.02.2007

Genfer Flüchtlingskonvention, Wahrscheinlichkeit, Irak, Wiederaufleben

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 124.06
OVG 9 A 258/06.A
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Februar 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni
2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Beschwerde, die sich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der
Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) stützt, bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde hält im Rahmen von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sinngemäß
die Frage für klärungsbedürftig, welcher Prognosemaßstab bei der Beurteilung
der Verfolgungslage zugrunde zu legen ist; der Flüchtling müsse vor erneuter
Verfolgung hinreichend sicher sein; auf den Maßstab der beachtlichen Wahr-
scheinlichkeit dürfe dagegen nicht abgestellt werden. Das Berufungsgericht ist
zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger vor einem Wiederaufleben der Ver-
folgung durch das frühere Regime im Irak, mithin einer gleichartigen Verfolgung
im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, hinreichend si-
cher sei (BA S. 7 f.). Hinsichtlich der Frage, von welchem Maßstab auszugehen
ist, wenn einem anerkannten Flüchtling im Falle des Widerrufs bei der Rückkehr
in seinen Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich
neue und andersartige Verfolgung droht, ist eine Zulassung der Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung nicht veranlasst. Denn diese Frage ist inzwischen
durch das Urteil des Senats vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - (InfAuslR
2007, 33; zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE
vorgesehen) in der Weise geklärt, dass der allgemeine Maßstab der
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beachtlichen Wahrscheinlichkeit - und nicht, wie die Beschwerde meint, der her-
abgestufte Prognosemaßstab - anzuwenden ist. Dies entspricht den Grundsät-
zen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur An-
wendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs bei erlittener
Vorverfolgung, die voraussetzt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen erlit-
tener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr
erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei der Rückkehr mit einem Wie-
deraufleben der ursprünglichen Verfolgung zu rechnen ist oder das erhöhte
Risiko einer gleichartigen Verfolgung besteht (vgl. insbesondere Urteil vom
18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97). Dementsprechend
hat das Berufungsgericht bei seiner Prüfung, ob dem Kläger nunmehr bei einer
Rückkehr in den Irak aus anderen Gründen als im Anerkennungsverfahren Ver-
folgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG droht, zutreffend den Prognose-
maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde gelegt (BA S. 9 f.).
Die Beschwerde hält ferner die Frage für grundsätzlich bedeutsam, wie § 73
Abs. 1 Satz 1 AsylVfG im Zusammenhang mit Art. 1 C Nr. 5 der Genfer Flücht-
lingskonvention (GFK) auszulegen ist. Der Senat hat in seiner Entscheidung
vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - (BVerwGE 124, 276 = Buchholz
402.25 § 73 AsylVfG Nr. 15) ausführlich erörtert, wie § 73 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG im Hinblick auf die genannte Regelung der GFK zu beurteilen ist. Das
Berufungsgericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt (BA S. 6 f.). Der Beschwer-
debegründung ist nicht zu entnehmen, dass und inwiefern der Fall des Klägers
auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen, an die
das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich gebunden ist (§ 137 Abs. 2
VwGO), Anlass zu erneuter oder weitergehender Klärung der aufgeworfenen
Frage geben könnte.
Der allgemeine Hinweis der Beschwerde, dass in die gerichtliche Prüfung auch
die Frage hätte einbezogen werden müssen, ob eine Verfolgungsgefahr durch
nichtstaatliche Akteure besteht, lässt nicht erkennen, welchen Revisionszulas-
sungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO die Beschwerde ansprechen will.
Im Übrigen hat das Berufungsgericht sich eingehend mit dieser Frage befasst
(BA S. 12 f.).
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Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2
Halbs. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30
RVG.
Eckertz-Höfer Richter Beck
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