Urteil des BVerwG vom 24.10.2003

Aufenthalt im Ausland, Politische Verfolgung, Anerkennung, Existenzminimum

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 1 B 12.03 (1 PKH 14.03)
OVG 9 A 604/02.A
In der Verwaltungsstreitsache
1. der Frau Behar Bechar A l K a i d a ,
der minderjährigen Kinder
2. Berhad A l K a i d a ,
3. Sarhad A l K a i d a ,
4. Rexdor A l K a i d a ,
5. Pacestan A l K a i d a ,
6. Delleastan A l K a i d a ,
7. Scharstan A l K a i d a ,
8. Hievy A l K a i d a ,
zu 2 bis 8: gesetzlich vertreten durch die Klägerin zu 1,
Kortenstraße 55, 44287 Dortmund,
Kläger, Berufungsbeklagten
und Beschwerdeführer,
- Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Günther Pribil,
Zweigertstraße 53, 45130 Essen -
g e g e n
1. die Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesministerium des Innern,
dieses vertreten durch den Leiter des Bundesamts
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge,
90343 Nürnberg,
Beklagte,
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2. den Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten
beim Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge,
90513 Zirndorf,
Beteiligten, Berufungskläger
und Beschwerdegegner,
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Oktober 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:
Der Antrag der Kläger, ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen
und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das
Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 2002 wird verwor-
fen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Den Klägern kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, da die
beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolgt hat (§ 166 VwGO i.V.m.
§ 114 ZPO).
Die ausschließlich auf Verfahrensfehler durch Verletzung der Aufklärungspflicht
(§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 86 Abs. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie
entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Zulas-
sungsgrundes aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde rügt zunächst, dem Berufungsgericht hätte sich eine weitere Sach-
aufklärung dazu aufdrängen müssen, ob den Klägern bei einer Rückkehr in den
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Zentralirak "aufgrund der Asylantragstellung und/oder des illegalen Verlassens des
Landes und/oder des längeren Auslandsaufenthaltes" politische Verfolgung drohe
(Beschwerdebegründung S. 1 f.). Es lägen nämlich keine Referenzfälle vor und eine
"Vielzahl von Gutachtern wie auch die Mehrheit der Verwaltungs- und Oberverwal-
tungsgerichte" nehme - entgegen der vom Berufungsgericht "allein aufgrund der
neueren Lageberichte des Auswärtigen Amtes und singulärer Auskünfte des Deut-
schen Orientinstitutes" vertretenen Auffassung - eine Verfolgungsgefahr bei Rück-
kehr an. Aufgrund der widersprüchlichen Gutachten und insgesamt unsicheren Aus-
kunftslage hätten sich die Einholung neuer Gutachten und gleichzeitig eine Befra-
gung derjenigen Gutachter in einer mündlichen Verhandlung aufgedrängt, die unver-
ändert aktuell von einer Rückkehrgefährdung ausgingen.
Mit diesem Vortrag wird eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des Berufungsge-
richts nicht schlüssig dargelegt. So führt die Beschwerde weder aus, welches für den
Kläger günstige Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme gehabt hätte, noch trägt
sie vor, dass der anwaltlich vertretene Kläger durch das Stellen von Beweisanträgen
auf die nunmehr als unterlassen gerügte weitere Aufklärung des Sachverhalts hin-
gewirkt hätte. Unter diesen Umständen verletzt das Tatsachengericht seine Pflicht
zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts regelmäßig nicht, wenn es nach seinem
tatrichterlichen Ermessen von einer weiteren Aufklärung absieht und - wie hier ange-
sichts der Vielzahl der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel - unter Würdi-
gung auch widersprüchlicher Stellungnahmen und Auskünfte eine eigenständige
Sachverhaltsfeststellung und Gefahrenprognose trifft. Der Beschwerde lässt sich
auch nicht etwa entnehmen, dass die vom Berufungsgericht für seine Prognose
maßgeblich herangezogenen Auskünfte - namentlich die verwerteten Stellungnah-
men des Auswärtigen Amtes und des Deutschen Orientinstituts - Mängel aufgewie-
sen hätten; mit der Beschwerde wird auch nicht dargelegt, dass die von ihm bean-
tragten neuen Gutachten aufgrund besserer oder weitergehender Erkenntnismög-
lichkeiten zu einer anderen Beurteilung geführt hätten.
Die weitere Aufklärungsrüge dazu, ob "den Klägern in den kurdischen Autonomiege-
bieten eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht, weil aufgrund der Ver-
sorgung durch die Vereinten Nationen auch ohne familiäre und sonstige soziale Bin-
dungen das Existenzminimum gesichert" sei (Beschwerdebegründung S. 3 f.), ist
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schon deshalb nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen, weil das
angefochtene Urteil auf der Bejahung einer internen Fluchtalternative im Nordirak
nicht beruhen kann. Das Oberverwaltungsgericht hat das Bestehen einer inländi-
schen Fluchtalternative im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf asylrechtlichen
Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nämlich nur hilfsweise bejaht. Die an-
gefochtene Entscheidung wird durch die in erster Linie gegebene Begründung, dass
Verfolgungsgefahren wegen Asylantragstellung und Aufenthalt im Ausland nicht be-
stünden, selbständig getragen, nachdem insoweit durchgreifende Revisionsgründe
nicht geltend gemacht sind. Das gilt auch, soweit die Beschwerde auf die besondere
Situation hinweist, die für die Klägerin zu 1 und ihre Kinder, die Kläger zu 2 bis 8, bei
einer Rückkehr bestünde; abgesehen davon macht die Beschwerde auch hierzu
nicht geltend, dass die Kläger insoweit eine weitere - von der Beschwerde jetzt auch
im Hinblick auf die eingeführten und angeblich für die besonderen Lebensumstände
einer Frau mit minderjährigen Kindern nicht aussagekräftigen Erkenntnismittel als
unabdingbar gerügte - Aufklärung selbst beantragt haben. Im Übrigen legt die Be-
schwerde auch nicht - wie erforderlich unter Auseinandersetzung mit der Begründung
der berufungsgerichtlichen Entscheidung im Einzelnen - schlüssig dar, dass sich dem
Berufungsgericht eine weitere Beweiserhebung zum wirtschaftlichen Exis-
tenzminimum in den Flüchtlingslagern im Nordirak hätte aufdrängen müssen; aus
dem zu einer ganz anders begründeten Entscheidung eines anderen Oberverwal-
tungsgerichts ergangenen Beschluss des Senats vom 31. Juli 2002 - BVerwG 1 B
128.02 - (Buchholz § 310, § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 326 = InfAuslR 2002, 455) kann die
Beschwerde insoweit nichts herleiten. Einen Aufklärungsmangel, wie ihn der Senat in
jenem Verfahren festgestellt hat, legt die Beschwerde in Bezug auf die hier angegrif-
fene Entscheidung des Berufungsgerichts nicht dar; er lässt sich anhand der Ent-
scheidungsgründe des angegriffenen Beschlusses auch nicht erkennen.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus
§ 83 b Abs. 2 AsylVfG.
Eckertz-Höfer Hund Richter